Noch ist niemand auf dem Wasser. Montagnachmittag, der Eisbach rauscht vorbei, ein paar Schaulustige fotografieren die Zäune und die Schilder, die auf das „Surf- und Badeverbot“ hinweisen. Auf der Brücke hängt weiterhin das Banner mit der Botschaft „Surf must go on“. Das Surfen muss weitergehen. Und nach allem, was am Montag zu hören ist, wird es das auch bald. Die Staatsanwaltschaft hat den Unfall, infolgedessen eine 33-jährige Surferin Mitte April ums Leben kam, als „äußerst tragisches“ Unglück eingestuft und die Ermittlungen eingestellt.
Wenn nichts dazwischenkommt, dürfen die Surfer wohl wieder auf die berühmte Welle am Haus der Kunst. Und die Schaulustigen oben auf der Brücke und unten am Ufer werden wieder zusehen, staunen, klatschen. Bürgermeister Dominik Krause (Grüne) erklärte am Montagnachmittag, die Stadt wolle „die Eisbachwelle so bald wie möglich wieder für die Surfenden“ freigeben.
Gleichzeitig betont der Bürgermeister, der seinen erkrankten Chef Dieter Reiter (SPD) derzeit vertritt, dass die Welle nicht sofort freigegeben werden kann. Die Stadt müsse erst Einsicht in die Ermittlungsakten nehmen, um die Untersuchungsergebnisse der Staatsanwaltschaft en détail nachvollziehen zu können. „Sollten sich darin keine sicherheitsrelevanten Aspekte finden, steht einer Öffnung grundsätzlich nichts im Wege“, erklärt Krause. Die Surfer könnten also bald zurück.
Grundlage für Krauses Äußerungen sind die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft München I. Etwas mehr als zwei Monate hat die Behörde den Hergang des Unfalls rekonstruiert. Am Montag hat die Staatsanwaltschaft bekannt gegeben, dass es „keine Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Tun oder Unterlassen“ gebe, wie Oberstaatsanwältin Anne Leiding erklärte. Trotz umfangreicher Ermittlungen sei der Unfallhergang nicht restlos aufzuklären. Und: Aus der Duldung des Surfens auf der Eisbachwelle durch die Stadt München ergebe sich „keine strafrechtliche Verantwortung für den Todesfall“. Das Surfen ist dort seit 2010 erlaubt – auf eigene Gefahr.
Die Ermittler halten es für denkbar, dass sich die Surferin mit ihrer Sicherungsleine an einem der 29 im Grund des Eisbachs betonierten Störsteine verhakt hatte und die Frau dadurch unter Wasser gedrückt wurde. Dieser Unfallhergang sei jedoch „nicht mit Sicherheit feststellbar“, betont die Staatsanwaltschaft. Bei der 33-Jährigen und ihrem 35-jährigen Begleiter habe es sich um „geübte Surfer“ gehandelt, die „mit der Eisbachwelle vertraut“ waren.
Die 33-Jährige war am späten Abend des 16. April beim Wellenreiten im Englischen Garten verunglückt. Eine Woche später verstarb die Frau im Krankenhaus. Die Behörden hatten daraufhin die Ermittlungen aufgenommen. Das Surfen wurde „bis auf Weiteres“ verboten und die Welle mit Zäunen abgesperrt. Die Stadt erklärte, dies sei bis zur Einstellung der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft notwendig. Ansonsten könnten bei weiteren Unfällen einzelne Mitarbeitende der Stadt haftbar gemacht werden. Die Angehörigen der verunglückten Surferin äußerten sich über ihren Anwalt zunächst nicht zu den Ergebnissen und dem Abschluss der Ermittlungen.

Um den Unfallhergang zu klären, wurde das Wasser im Eisbach zwei Wochen nach dem Unglück abgesenkt. Polizeitaucher erkundeten den Untergrund auf der Suche nach etwaigen Fremdgegenständen, an denen sich die Leash der 33-Jährigen verhakt haben könnte. Spekulationen waren dabei etwa in Richtung eines ins Wasser geworfenen E-Scooters gegangen. Taucher fanden jedoch bis auf ein paar Metallgegenstände und die Störsteine nichts.
Unterdessen hatte die Surfszene wiederholt die Freigabe des Spots am Haus der Kunst gefordert. Vereinzelt waren trotz der Sperrung Surfer auf der Welle unterwegs, an den Zäunen waren zwischenzeitlich Plakate angebracht worden mit Aufschriften wie „Politiker und Staatsanwälte haben hier Surfverbot“ oder „Untersuchst Du noch, oder surfst Du schon?“. In einem offenen Brief an Oberbürgermeister Reiter hatten Tausende Surfer dafür plädiert, den Surfspot „unverzüglich und dauerhaft für den Surf-Betrieb freizugeben“. Die Eisbachwelle sei ein „integraler Bestandteil des Selbstbildes“ vieler Münchner, argumentierten die Sportler. Auch aus der Politik waren nach dem Unfall immer wieder Stimmen zu hören, die die Bedeutung der Welle für die Surfer und die Stadt betonten. „Wir wollen, dass München Surfer-Paradies bleibt“, hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) etwa einen Monat nach dem Unglück erklärt.

Konflikt um die Sperrung:Was seit dem tödlichen Unfall an der Eisbachwelle alles passiert ist
Es war ein Unglück, das die Stadt bewegte: Vor zwei Monaten verunglückte eine Surferin auf der weltbekannten Welle am Münchner Eisbach tödlich. Eine Chronologie der Ereignisse.
Oberbürgermeister Reiter hatte angekündigt, er werde „alles dafür tun, dass die Welle schnellstmöglich wieder surfbar ist“, sobald die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen beendet hat und die Ergebnisse eine Freigabe zulassen. Sein Stellvertreter Krause erklärte am Montag, die Eisbachwelle gehöre „zur Identität unserer Stadt“ und sei „Ausdruck unseres entspannten Münchner Lebensgefühls“. Der OB-Kandidat der CSU, Clemens Baumgärtner, sagte, der Spot gelte „weltweit als konstanteste, größte und beste Flusswelle mitten in einer Großstadt“. Sie müsse deshalb zeitnah geöffnet werden, so Baumgärtner.
Um das Unfallrisiko zu reduzieren, soll nach der Wiedereröffnung der Eisbachwelle eine überarbeitete Allgemeinverfügung in Kraft treten. Zudem hat die Stadt in Absprache mit der Interessengemeinschaft Surfen in München (IGSM) ein Sicherheitskonzept erarbeitet. Das sieht unter anderem vor, dass die Surfer in Zukunft eine selbst lösende Sicherheitsleine verwenden müssen. „Eine Überregulierung und Bürokratisierung der Welle wollen wir unbedingt vermeiden“, erklärt Krause. „Gleichzeitig ist es unser Ziel, Gefahren und Haftungsrisiken zu minimieren.“ Das Konzept befinde sich gerade in der „Endabstimmung“, so der Bürgermeister. Die IGSM begrüßte die aktuellen Entwicklungen. „Jetzt darf es nicht mehr lange dauern!“, schrieb die Surfervertretung in den sozialen Medien. Und tatsächlich werden die Surfer wohl bald zurückdürfen auf Münchens berühmte Welle.