"Corona hat uns sehr zu schaffen gemacht", sagt Carl Warkentin, Gründer der Schuhmarke "Monaco Ducks". "2020 war ein Schock, der Handel ist extrem eingebrochen." Doch dann hat sich das Geschäft des Münchner Start-up-Unternehmers schnell erholt. Den Schuhhersteller gibt es seit 2017. Das Unternehmen verkauft seine nachhaltig produzierten Sneaker nicht nur im eigenen Online-Shop, sondern auch bei Lodenfrey, Hirmer und anderen Einzelhändlern. Die aber mussten in der Pandemie ihre Geschäfte monatelang zusperren. Was lief, war der Internet-Handel. "Viele Kunden haben in der Pandemie erstmals den Weg in die Online-Welt gefunden", sagt Warkentin. "Wir waren mit unserem Internetangebot schon da und konnten die Ausfälle im stationären Handel voll kompensieren."
Was der Gründer erzählt, entspricht dem großen Trend im bayerischen Einzelhandel: In den ersten neun Monaten 2021 stieg der Umsatz verglichen mit dem Vorjahreszeitraum real um 5,6 Prozent, wie das Bayerische Landesamt für Statistik berichtet. Verantwortlich für das Plus ist aber allein der Versand- und Internet-Einzelhandel mit Zuwächsen um real 22 Prozent. Der stationäre Handel verbuchte dagegen nach Preisbereinigung einen Umsatzrückgang von mehr als einem Prozent.
Aber auch das Online-Geschäft ist kein Selbstläufer. "Man darf Online nicht als Notnagel sehen, sondern muss es als eigenes Business verstehen", sagt Ivana Nikic, Teamleiterin Performance Marketing bei der Norisk Group. Sie hilft Kunden, den Online-Umsatz zielgruppengenau mit Werbung anzukurbeln. Händler brauchten aber keine Expertenbrille, glaubt Nikic. "Sie sollten sich mit der Brille des Verbrauchers im eigenen Shop bewegen und sich dabei den ungeduldigsten und kritischsten Kunden vorstellen, den sie kennen. Dann bemerkt man, an welchen Stellen man schrauben kann." Stellschrauben gibt es viele: Sind beworbene Produkte auch lieferbar? Gibt es Unterschiede zwischen den Preisen im Marketing und auf der Website? Kleinste Unstimmigkeiten verärgern Nutzer. "Wichtig ist auch, dass der Kaufprozess stimmig ist, die Anmeldung auf der Website zügig geht und Verbraucher regelmäßig über den Bestell- und Lieferstatus informiert werden", sagt die Expertin. Der Service muss also passen, das ist die Grundvoraussetzung für Erfolg.
"Am Ende braucht man aber vor allem ein gutes Produkt", sagt Monaco-Ducks-Gründer Warkentin. "Wir glauben, dass wir das haben." Gefertigt wird in Manufakturen in Italien und Portugal. Die Materialien für seine Sneaker sind natürlich, sie kommen ausschließlich aus Deutschland, Portugal und Italien. Schuhe und Unternehmen sind klimaneutral. So viel gutes Gewissen hat seinen Preis, der fängt bei 165 Euro an und geht bis 340 Euro. "Unsere Kundinnen und Kunden sind zwischen 30 und 55 Jahre alt. Sie wollen bewusst einkaufen, wünschen sich ein klassisches Design und gute Qualität", sagt der Unternehmer. "Und weil sie bekommen, was sie suchen, kaufen viele wieder bei uns ein oder empfehlen uns weiter." Die gute Kundenbindung mache Monaco Ducks weniger abhängig von Anzeigen bei Google oder Facebook. Dieses Band will Warkentin künftig noch verstärken. Er sucht ein Ladengeschäft, in dem seine Kundschaft die Ware in die Hand nehmen, anprobieren, und die Atmosphäre schnuppern kann. "Das schafft Vertrauen, selbst wenn die Leute später online kaufen", sagt der Unternehmer. Aber rechnen müsse sich ein solches Geschäft schon, vom ersten Jahr an.
Für 15 Prozent ist die Krise existenzbedrohend
Kein einfaches Unterfangen: Rund die Hälfte der Münchner Einzelhändler musste im Zuge der Corona-Krise starke Umsatzeinbußen hinnehmen. Für 15 Prozent war oder ist die Krise existenzbedrohend. Dies geht aus einer Studie im Auftrag der Commerzbank hervor, für die das Meinungsforschungsinstitut Ipsos bundesweit 3500 Einzelhandelsunternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 15 Millionen Euro befragt hat, davon 100 in München.
"Der wiederholte Lockdown und der damit verbundene Kundenverlust haben mehr als die Hälfte der Einzelhändler in München vor große Probleme gestellt", sagt Herbert Maier, Leiter Unternehmerkunden Süddeutschland bei der Commerzbank AG. Jeder zweite Einzelhändler musste auf vorhandenes Eigenkapital zurückgreifen, um Umsatzeinbußen auszugleichen. 37 Prozent nahmen staatliche Hilfen in Anspruch, jeder achte einen Bankkredit. Trotz aller Herausforderungen schaute die Mehrheit (65 Prozent) aber optimistisch in die Zukunft - zumindest vor der jüngsten Verschärfung der Corona-Lage. 20 Prozent der Einzelhändler in München investierten der Studie zufolge in den Auf- oder Ausbau der eigenen Webseite beziehungsweise App.
Einer, der ein gutes Gespür dafür hat, was so ein Online-Laden braucht, ist Ralf Mager. Er betreibt gemeinsam mit seiner Frau Nicole seit zweieinhalb Jahren einen Shop für kleine Dinge, die junge Eltern brauchen können. Bei "Tiny Boon" finden sie, sortiert nach Geschenkideen und Kindesalter, Lunchboxen und Trinkflaschen, Malbücher und Kuscheltiere, aber "keinen Krimskrams", so das Versprechen. "Wenn ein Kunde in ein Ladengeschäft kommt, kann ich ihn verführen", sagt Mager. "Wenn er auf die Website kommt, hat er einen ganz konkreten Bedarf und kommt meist via Suchmaschine. Die Frage ist also: Wie verführe ich ihn online, sich weiter umzuschauen? Da sind nur Nuancen entscheidend."
Zum Beispiel wollten Kunden jeden Tag etwas Neues entdecken, aber natürlich nicht die kurze Hose im Sale, wenn schon Mitte November ist. Hat sich ein Kunde bei Tiny Boon zum Beispiel für eine Brotzeitdose entschieden, wird ihm dazu eine Trinkflasche angeboten, die vom Stil und Preis dazu passt. "Wir pflegen das per Hand", sagt Mager. Oder die sogenannte After-Sales-Kommunikation: Hat ein Käufer noch eine Frage zum Produkt, wird die Antwort mit einer Nachfrage verknüpft: Waren sie mit der Auswahl im Online-Shop zufrieden? Wie sind Sie zu uns gekommen? So lernt man die Kunden besser kennen. "Wenn das gelingt, werden die Kunden im besten Fall zum Fan", sagt Mager. "Darum geht es uns: Fans zu generieren."