2G im Einzelhandel:Geimpft, genesen, gelassen

Corona: 2G-Regel im Einzelhandel, 2021

Seit diesem Mittwoch gilt im Münchner Einzelhandel die 2G-Regel. Ausgenommen sind lediglich Geschäfte des täglichen Bedarfs, etwa Supermärkte, Drogerien, Apotheken.

(Foto: Robert Haas)

Umgeimpfte müssen in der wichtigsten Shopping-Zeit des Jahres in vielen Läden draußen bleiben. Was Händler und Kundschaft von der Verschärfung der Corona-Regeln halten, zeigt ein Spaziergang durch die Sendlinger Straße.

Von Catherine Hoffmann

Frank Friedl ist hin- und hergerissen: "Zwei Herzen schlagen in meiner Brust", sagt der Geschäftsführer des Concept Stores Casa 43 an der Sendlinger Straße. "Das eine sagt: Es soll viel Umsatz kommen. Das andere sagt: Auch die Gesundheit ist wichtig." Die kommenden Tage sind für die Münchner Einzelhändler die umsatzstärkste Zeit des Jahres, normalerweise. Seit diesem Mittwoch gilt allerdings auch dort die 2-G-Regel. Das bedeutet: Ungeimpfte haben keinen Zutritt zu Geschäften. Nur wer einen Impf- oder Genesenennachweis und seinen Personalausweis vorzeigen kann, wird hereingelassen. Ausgenommen sind lediglich Geschäfte des täglichen Bedarfs, etwa Supermärkte, Drogerien, Apotheken.

2G im Einzelhandel: "Schlechte Laune bringt uns eh nix", sagt Frank Friedl zu den 2-G-Regeln, die jetzt auch für sein Geschäft an der Sendlinger Straße gelten. Casa 43 heißt es, nach der Hausnummer.

"Schlechte Laune bringt uns eh nix", sagt Frank Friedl zu den 2-G-Regeln, die jetzt auch für sein Geschäft an der Sendlinger Straße gelten. Casa 43 heißt es, nach der Hausnummer.

(Foto: Robert Haas)

Wie die neuen Regeln ankommen, kann Friedl noch nicht sagen. Kommen die Leute noch in die Fußgängerzone? Wird der Umsatz abbrechen? Ist die Prüfung der Ausweise ein großer Aufwand? "Ich glaube, es ist keine so große Veränderung, viele kennen die 2-G-Regeln ja aus der Gastronomie oder vom Kinobesuch", sagt Friedl. "Jetzt warten wir's einfach ab. Schlechte Laune bringt uns eh nix, die macht mich nicht sympathischer und nicht erfolgreicher." Im Weihnachtsgeschäft gab es für ihn bislang "sehr, sehr gute Tage" und solche, da hätte es besser laufen können. Friedl wird von seinen Stammkunden unterstützt, und ihm hilft die Mundpropaganda für seine Designer-Masken. "Die tragen sie auch in der Kaffeebar Patolli drüben, im Tchibo und anderen Geschäften. Das bringt uns Kunden", sagt Friedl, der sich so leicht nicht unterkriegen lässt vom Virus und den neuen Regeln.

Im vergangenen Jahr mussten alle Läden schließen

Umsatz bringt ihm auch der Online-Shop, den es seit zwei Jahren gibt. Hier gibt es ebenso wie im Laden Uhren, Düfte, Schokolade und andere Dinge, die sich gut als Geschenke eignen, vieles kommt von Familienunternehmen und regionalen Anbietern. Wie wichtig das Online-Geschäft in der Pandemie ist, zeigen die jüngsten Zahlen vom Handelsverband Bayern (HBE). Im November und Dezember erzielten die Münchner Einzelhändler bislang 2,2 Milliarden Euro Umsatz, zwei Prozent mehr als im Corona-Vorjahr. "Mindestens 350 Million Euro davon werden online gemacht", sagt HBE-Sprecher Bernd Ohlmann. "Vermutlich werden die Zahlen noch deutlich steigen und die 400-Millionen-Grenze übertreffen." 2G sei zwar ein herber Schlag für das Weihnachtsgeschäft. Aber: "Der Lockdown im vergangenen Winter war viel schlimmer", so Ohlmann. Damals mussten viele Geschäfte am 16. Dezember schließen - und durften erst Ende März oder Anfang April wieder öffnen.

2G im Einzelhandel: Silvia Baraniak und Julian Weninger wissen aus eigener Erfahrung, wie schwierig die Geschäfte in der Pandemie laufen. Trotzdem ist ihnen wichtig, "dass wir jetzt das Virus in den Griff kriegen", wie Baraniak sagt.

Silvia Baraniak und Julian Weninger wissen aus eigener Erfahrung, wie schwierig die Geschäfte in der Pandemie laufen. Trotzdem ist ihnen wichtig, "dass wir jetzt das Virus in den Griff kriegen", wie Baraniak sagt.

(Foto: Robert Haas/Robert Haas)

Auch Silvia Baraniak und Julian Weninger vom Kammladen Weninger am Viktualienmarkt haben keine gute Erinnerung an diese Zeit. Sie hoffen, dass es dieses Jahr nicht ganz so schlimm kommt. "Der Lockdown letztes Weihnachten hat uns viel Umsatz gekostet. Jetzt müssen wir schauen, wie es diese Weihnachten läuft", sagt Julian Weninger. "Wir spüren jedes Mal, dass die Personenfrequenz abnimmt, wenn schärfere Regeln beschlossen werden." Seit 3G in Bussen und Bahnen gilt, kommen weniger Leute ins Geschäft, und die sonst so wichtigen Touristen fehlen ohnehin. "Aus wirtschaftlicher Sicht ist es schwierig", sagt Silvia Baraniak. "Aber für die Gesellschaft ist es wichtig, dass wir jetzt das Virus in den Griff kriegen."

"München hat gerade den Charme einer ostdeutschen Provinzstadt."

Bettina Ehring, die gerade aus dem Geschäft von Pylones kommt, wo es alles gibt, was schrill und bunt ist, findet 2G im Einzelhandel richtig. "Man fühlt sich sicherer, wenn man einkaufen geht", sagt sie. "Leid tut es mir für die Leute, die sich darum kümmern müssen, dass das Ganze funktioniert." Nicht alle Verbraucher zeigen so viel Verständnis für das neue Regelwerk. "Wir haben viele ältere Kunden, die schimpfen über die Vorschriften und halten sie für einen Schmarrn", sagt Razma Hamidi, die im Damenmoden-Geschäft Arcadia arbeitet, seit Corona ihre Job beim Bäcker Kamps erledigt hat. "Es gehört aber zu meiner Arbeit, jeden zu fragen, ob er geimpft oder genesen ist." Ihr Chef hat das neue Hygienekonzept sorgfältig auf einen Zettel geschrieben. Es muss regelmäßig gelüftet werden, und nicht mehr als acht Kunden dürfen in den Laden hineingelassen werden. Am zweiten Adventssamstag war das allerdings kein Problem: Es ließ sich kaum eine Kundin blicken. Wer kauft sich schon ein neues Kleid, wenn es keine Gelegenheit gibt, es vorzuführen?

2G im Einzelhandel: Josef Fässler freut sich, dass Bücher nun auch in Bayern zum täglichen Bedarf gehören und die Läden damit von der 2-G-Regel ausgenommen sind.

Josef Fässler freut sich, dass Bücher nun auch in Bayern zum täglichen Bedarf gehören und die Läden damit von der 2-G-Regel ausgenommen sind.

(Foto: Robert Haas)

In der Fußgängerzone war schon einmal mehr los als an diesem grauen Mittwochvormittag. "Das Geschäft läuft zäh, weil viel weniger Leute in der Innenstadt unterwegs sind als früher", sagt Josef Fässler, Verkäufer im Buchladen Buch & Töne am Rindermarkt. "München hat gerade den Charme einer ostdeutschen Provinzstadt." Trotzdem ist der Buchhändler froh, dass sein Geschäft in diesem Winter nicht zusperren muss und er weiter Bücher verkaufen darf. "Die Staatsregierung hat jetzt begriffen, dass Bücher Lebensmittel sind", sagt Fässler. Und die dürfen wie Dosentomaten und Zahnpasta an alle verkauft werden, auch an Ungeimpfte. Nur die Kunden blicken teilweise nicht mehr durch, welche Regel gerade für welches Geschäft gilt, erzählt Fässler. Er klärt sie gerne auf.

Freier Zugang zu Lebensmitteln? Wer glaubt, er kann sich im Kaufhof am Marienplatz schnell eine Brotzeit für mittags holen, trifft auf eine lange Schlange, die sich hinter einem Schild am Eingang gebildet hat. "Bitte 2-G-Nachweis und Ausweisdokument bereithalten! Vielen Dank für Ihr Verständnis", steht darauf. Die Menschen haben schon ihre Handys gezückt, um sie den Kontrolleuren zu zeigen. Hier gilt 2G auch für Kunden, die nur etwas zu essen kaufen wollen.

Zur SZ-Startseite
Christoph Spinner vom HIV Zentrum Izar in München, 2017

SZ PlusMedikamente gegen Covid-19
:Eine Therapie, die aus der Pandemie hilft?

Eine Antikörper-Behandlung kann schwere Covid-Verläufe verhindern. In München bekommen manche Patienten das Mittel jetzt auch ambulant. Dennoch überwiegt bei einigen Medizinern die Skepsis.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: