Münchner Momente:Von Münchnern und Fröschen

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Der Rathaus-CSU kann die Einwohnerzahl nicht hoch genug sein, während sich der Tierpark um eine aussterbende Art sorgt. Die Ähnlichkeiten sind verblüffend.

Glosse von Stefan Simon

Wie viele Münchner und wie viele Stummelfußfrösche es gibt, sind Fragen, die von nun an für alle Zeit zusammenhängen. Dafür kann man der städtischen Rathaus-Umschau gar nicht genug danken. Es war die CSU, die dort in einer Anfrage ganz genau wissen wollte, warum einerseits die Stadt bei ihrer Zählung auf 1 562 096 Einwohner komme, sie andererseits aber die Corona-Inzidenz auf einer Grundlage von 1 488 202 Einwohner berechne. "Was sind die Folgen für die Münchnerinnen und Münchner?", fragte die Partei. Der Tierpark Hellabrunn informierte in derselben Ausgabe der Rathaus-Umschau über sein neues Artenschutz-Projekt. Es dient dem Erhalt des Atelopus arsyecue, eines Stummelfußfrosches, der anders als der gemeine Münchner vom Aussterben bedroht ist.

Leicht haben es beide Arten nicht. Beide sind weltweit nur an jeweils einem Ort heimisch, im kolumbianischen Hochgebirge beziehungsweise im bayerischen Voralpenland. Beide sind Hohn und Spott gewohnt. Müssen sich die einen als "meist sehr kleine und mitunter bizarr gebaute" Wesen beschreiben lassen, urteilt Heimito von Doderer über die anderen: "Die bayerische Bevölkerung zerfällt in zwei Teile. Den ersten bilden die, welche von Beruf Metzger sind. Den zweiten jene, die nur so aussehen!" Die Münchner müssten eigentlich längst ebenfalls auf der Roten Liste stehen, liest man die Beschreibung einer Wirtshaus-Schlägerei von Ludwig Thoma: "Als natürlicher Schutz gilt das Haupt, welches dem Angriff des Feindes widersteht und den übrigen Körper schirmt." Der Dickschädel als Evolutionsvorteil, wer hätte es gedacht.

Gut, dass sich Artenschützer deshalb nicht zwischen den Münchnern und Atelopus arsyecue entscheiden müssen. Wer weiß, wie das ausginge? Die glänzend schwarze, von weißen Flecken überzogene Haut des Froschs erinnert an eine klare Sternennacht in dessen Heimat, "Starry Night Harlequin Toad" wird er deshalb auch genannt. Niedlich. Und da kann, Tattoo-Studio hin oder her, nicht einmal ein Münchner mithalten. Was sind die Folgen für die Partei, die das schöne Bayernland samt Metzgern und Metzgerdarstellern erfunden hat? Die Münchner sind derzeit nicht in Gefahr (zumindest nicht durch Inzidenz-Berechnungen). Eine gute Gelegenheit, dem Tierpark bei seinem Froschproblem zu helfen. Und tatsächlich wurde ja schon oft gefragt, wofür das S in CSU steht. Stummelfuß wäre eine charmante Antwort.

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