Süddeutsche Zeitung

Einkaufszentrum:Betonklotz mit blassem Lokalkolorit

Das Forum Schwanthalerhöhe sucht noch nach dem passenden Konzept für den Standort. Gerade stehen auffallend viele Läden leer. Wie das Management mehr Kundinnen und Kunden anlocken will.

Von Catherine Hoffmann

Einkaufen soll ein Erlebnis sein, versprechen die Betreiber von Shopping Malls. "Mit dem Forum Schwanthalerhöhe erwecken wir das Herz des Westends wieder zum Leben", sagte zum Start im Sommer 2019 Harald Ortner, Geschäftsführer der Hanseatische Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft (HBB), der das Forum gehört. 240 Millionen Euro hat seine Firma in den Umbau gesteckt. 90 Läden und Restaurants auf 25 000 Quadratmetern, dazu 1000 Parkplätze, sollen Kundinnen und Kunden ins Betongebirge oberhalb der Theresienwiese locken.

Heute stellt sich eher die Frage, ob es dem Center-Management gelungen ist, dem unansehnlichen Klotz aus den 70er Jahren Leben einzuhauchen. Ein Spaziergang an einem beliebigen Werktag zeigt: Vor allem im Erdgeschoss ist einiges los, Jugendliche in kleinen Rudeln, Mütter mit Kinderwagen, Beschäftigte bei der Kaffeepause. Abends sind die beiden neuen Restaurants, das Steakhouse Churrascaria und das Kawaru mit seiner japanischen Küche voller Gäste. Doch im Untergeschoss und mehr noch im ersten Stockwerk sieht es trostlos aus: menschenleere Gänge, zugeklebte Schaufenster, fahles Licht.

Auf den drei Stockwerken gibt es viele freie Ladenflächen mit heruntergelassen Rollläden. "Wir packen die Taschen", steht auf einem Plakat an der Tür, wo einst Decathlon war. Der Sportartikel-Händler hat vor kurzem seine Filiale im Forum geschlossen. "Im Großraum München sind wir mit den umliegenden Filialen bereits gut aufgestellt", sagt eine Sprecherin, drei davon gebe es allein in München, insgesamt zwölf in Bayern. "Die Filiale Schwanthalerhöhe ist mit 1400 Quadratmetern vergleichsweise klein und bietet wenig Testflächen für unsere sportbegeisterten Kundinnen und Kunden", sagt sie.

Die Auswahl der Geschäfte im Forum bietet nur wenige Überraschungen und viel Bekanntes: Die Modekette H&M, der Discounter Lidl und eine Drogeriemarktfiliale von dm haben große Flächen gemietet. Als Nahversorger sollen sie Frequenz ins Einkaufszentrum bringen. Dazu kommen Billiganbieter wie Woolworth mit Artikeln aller Art zu "Toppreisen" und Kik ("Von der Socke bis zur Mütze können sich unsere Kunden für unter 30 Euro komplett einkleiden"). Zum Mix gehören auch ein Buchhändler, eine Apotheke, ein Spielzeugladen und ein Biosupermarkt.

Wie erfolgreich kann ein Einkaufszentrum sein, das diesem klassischen Konzept folgt? "Wir hatten nicht gerade den idealen Startzeitpunkt 2019", sagt HBB-Geschäftsführer Ortner heute. "Und dann kam noch Corona. Wie sie richtig gesehen haben, gibt es etwas zu tun. Unser Ziel ist natürlich, die Flächen voll zu haben, daran arbeiten wir." Einiges habe man bereits verändert, sagt Ortner, und verweist auf die Churascerria mit ihren 180 Plätzen, "die auch unter der Woche fast immer weg sind".

Bei allem Wechsel dürfe man nicht übersehen, dass es auch viele Mieter gebe, die von Anfang an dabei sind. Weißglut nennt Ortner als Beispiel. Im luftig-licht gestalteten Concept Store von Stefan und Jessica Kiefer gibt es Wohn-Accessoires, Keramikgeschirr, Mode und mehr. "Die beiden wissen, wie sie die Leute ansprechen, damit sie Stammkunden werden", sagt Ortner. Das Konzept ist individuell - und auf die Münchner Kundschaft abgestimmt. "In der Art haben wir noch ein paar weitere Läden, die auf gutem Weg sind", sagt der Geschäftsführer, der von Hamburg aus die Umsatzentwicklung seiner Mieter im Blick hat. "Bei anderen muss man langfristig über eine Auswechselung nachdenken." Das sei nicht ungewöhnlich, es gebe immer Mieter, die mit einem bestimmten Standort nichts anfangen könnten.

Eines der Münchner Originale im Forum ist der kleine Laden von Heidi Nickel. Im Isar Kollektiv gibt es vor allem regionales Design aus Bayern: Schmuck, kleine Lederwaren, Stricksachen, Taschen, Kinderkram. In direkter Nachbarschaft finden sich Weißglut und das Zeiss Vision Center, ein moderner Optiker mit futuristischer Einrichtung in Weiß und Glas. "Dass Decathlon geht, war ein Schock für uns", sagt Nickel, schließlich profitierten Läden wie ihrer von der Laufkundschaft, die solche Filialisten anziehen. "Ich würde mir wünschen, dass etwas Höherwertiges reinkommt", sagt die Ladeninhaberin. "Es wäre schön, wenn es noch mehr Läden mit liebevollem Sortiment gäbe, die sich gegenseitig befruchten."

Einer dieser Läden ist vor kurzem ausgezogen: eine Filiale von Dear Goods; die Firma ist auf nachhaltige Mode spezialisiert. Ins Forum war sie mit einem Pop-up-Store gezogen, doch das Interimsquartier hielt sich länger als geplant. Am Schaufenster klebt noch immer ein viele Meter hohes Plakat, auf dem Geschäftsführerin Nicole Noli erklärt, warum sie sich fürs Forum entschieden hatte: "Ganz ehrlich? Die tolle Lage zwischen Theresienwiese und Westend", ist dort zu lesen. Das Viertel vereine "Urbanität und urige Gemütlichkeit". Vom Teenager bis zur Rentnerin sei die Kundschaft sehr bunt gewesen. Nun muss sie ein paar Straßen weiter laufen.

"Ich wollte nicht dauerhaft bleiben, das war nie meine Idee", sagt Noli. "Dear Goods ist weiter im Westend zu finden, im Franziska-Bilek-Weg." Sie brauche für ihre faire Fashion ein Geschäft, in dem sie die Ware der letzten Saisons verkaufen könne. Gemeinhin nennen die Leute so etwas Outlet, Noli spricht lieber von "Slowlet". Warum der Umzug? "Unser Laden im Einkaufszentrum war ein rechteckiger Kasten mit steten Rolltreppengeräuschen, das Gegenteil von gemütlich", sagt die Unternehmerin. "Wir stehen aber für Wohnzimmer-Feeling und wollen beim Einkaufen alle Sinne unserer Kundschaft ansprechen, da ist es schöner, wenn man den Ort individuell gestalten kann." So könne sie auch frei über die Öffnungszeiten entscheiden, ohne dass das Center-Management mitspricht.

Auch das Forum soll teilweise neu ausgerichtet werden. Ortner will im Obergeschoss neue Angebote für Freizeit und junge Familien schaffen, konkreter wird er nicht. Deshalb sähe er auch gern das Kinder- und Jugendmuseum im Forum, das seine Heimat am Hauptbahnhof verlieren wird. Mit dem Kulturreferat werde seit Jahren verhandelt, so Ortner. Nun gibt es allerdings ein konkurrierendes Angebot, das der Stadtrat kaum ausschlagen kann: Im ehemaligen Bauzentrum Riem gebe es Räume, die bestens für Ausstellungen geeignet und deutlich günstiger seien als das Einkaufszentrum, sagt eine Sprecherin des Kulturreferats. Der Stadtrat befasst sich voraussichtlich Ende März mit der Standortfrage.

Und wie geht es im Forum weiter? "Wir würden liebend gern das Lokalkolorit, das wir mit Weißglut haben, weiter ausbauen", sagt HBB-Geschäftsführer Ortner. "Für unser Freizeitangebot sprechen wir mit bekannten Münchner Unternehmen."

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