Im Eggarten sind die Bagger am Werk. Sie reißen die alten Häuser ab, die in dem naturbelassenen Areal seit rund hundert Jahren stehen. Schwere Kettenfahrzeuge, mit denen nun 14 von insgesamt 26 Gebäude dem Erdboden gleichgemacht werden. Von dem Haus an der Eggartenstraße 9 sind nur noch zertrümmerte Beton- und Ziegelreste übrig. Die übrigen werden in wenigen Tagen und Wochen genauso aussehen, bestätigen die Investoren. Entkernt sind sie bereits.
CA Immo und die Büschl-Unternehmensgruppe planen in dem verschlafenen, von dichten Bäumen und Sträuchern bewachsenen Eggarten, der jenseits des Bahngleises nördlich vom Olympia-Einkaufszentrum liegt, ein neues Stadtviertel mit bis zu 2000 Wohnungen - die Hälfte davon werden von Genossenschaften gebaut. Die grüne Oase wird also einem dicht bebauten Viertel samt 36 Meter hohen Wohnhochhäusern weichen. Von den rund hundert Jahre alten Häusern sollen nur drei erhalten bleiben.
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Die Bebauung ist seit Jahren das große Streitthema im Münchner Norden. Der Stadtrat hat bereits 2019 für die Pläne gestimmt und hält auch unter grüner Beteiligung an der Entwicklung fest. Zahlreiche Anwohner, Kleingärtner, eine Bürgerinitiative und Lokalpolitiker wollen das "grüne Idyll" um jeden Preis retten. Darunter auch die Stadträte Tobias Ruff (ÖDP) und Dirk Höpner (München Liste). Sie haben am Mittwoch ein Umweltgutachten vorgestellt, mit dem die gemeinsame Fraktion das Ökologiebüro Gruber beauftragt hatte. Denn der Kampf um Erhalt oder Abriss des Quartiers wird inzwischen über Tier- und Naturschutzgutachten ausgetragen.
Demnach gebe es mehr Fledermausarten, seltene Amphibien und Reptilienarten, als die von den Investoren beauftragten Gutachter gefunden hätten, sagt Ruff. Er fordert den sofortigen Stopp der Abrissarbeiten und vertiefte Untersuchungen der örtlichen Tier- und Pflanzenarten. Sie stünden ohnehin an, wenn Baurecht geschaffen wird. Sein Vorwurf an die Investoren: "Jetzt werden Fakten geschaffen." Die Ruhestätten der Tiere würden zerstört, damit sie bei später anstehenden Untersuchungen nicht mehr feststellbar seien. Damit würden weniger Ausgleichsflächen anfallen. "Was hier passiert, ist ökologisch eine Sauerei. Aber es wird sich in barer Münze auszahlen", sagt Ruff.
Die Investoren bestreiten die Vorwürfe. Vor den Arbeiten habe ein Fachgutachter die Gebäude untersucht und keine Fledermäuse gefunden. Zudem stimme man sich mit der unteren Naturschutzbehörde ab und halte an dem Abriss fest, sagt ein Unternehmenssprecher.
Naturschützer bezweifeln diesen Befund: Es gebe Fledermäuse, die nur fingergroß und im Winterschlaf von Gutachtern nicht aufzufinden seien, sagt Heinz Sedlmeier vom Landesbund für Vogelschutz in München. Er vermutet Rauhautfledermäuse in den Gebäudespalten. Auch in den Häusern, die bald abgerissen werden. Nachgewiesen wurden diese Tiere allerdings nicht. Für Ruff trotzdem eine mutwillige Schädigung: "Die Tötung von Fledermäusen muss verhindert werden." Er hat bereits im Herbst eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft eingereicht. Doch die wird offenbar nur schleppend bearbeitet. Bei den Investoren ist jedenfalls noch nichts eingegangen.
Die Naturschützer diskutieren auch eine Einstellungsverfügung, mit der die Abrissarbeiten sofort gestoppt würden. Allerdings stehe sie juristisch auf wackeligen Beinen und ziehe mögliche Schadensersatzzahlungen nach sich, sagt Ruff. Er wolle gemeinsam mit den lokalen Bürgerinitiativen und den Naturschutzorganisationen weiter gegen den Abriss der Häuser und das Großbauprojekt kämpfen. Doch allmählich macht sich Ernüchterung breit, ob die bürokratische Auseinandersetzung nicht einem Rückzugsgefecht gleicht. Denn der Stadtrat steht unverändert hinter dem Projekt.