Altweibersommer im Eggarten: Zwischen den Hecken laufen zwei Frauen mit Walkingstöcken in der Abendsonne. "Wie im Paradies ist es hier", sagt die eine, während sie auf den abblätternden grauen Putz eines verfallenden Hauses blickt. Ein verlorenes Paradies, das wissen die beiden, denn die hundert Jahre alte Häuserkolonie soll samt der vielen Kleingärten einem neuen Stadtquartier mit 1800 Wohnungen weichen.
Dass es nun ernst wird, hat sich in den vergangenen Tagen unter den Kleingärtnern bereits herumgesprochen: Etwa 14 der rund zwei Dutzend Häuser werden in den kommenden Wochen und Monaten abgetragen, das bestätigt ein Sprecher der Eigentümer von CA Immo und Büschl-Unternehmensgruppe. "Es sind bereits Arbeiter auf dem Gelände, die sich die Häuser anschauen", sagt er. Schon in der kommenden Woche werde man mit den Abrissarbeiten beginnen. Stück für Stück, bis ins kommende Frühjahr. Es ist der Anfang vom Ende des Eggartens, so scheint es.
Viele Häuser stehen schon seit Langem leer und verfallen. In anderen hatte bis vor Kurzem noch eine Handvoll Menschen gewohnt, bis die Investoren ihnen Ersatzwohnungen vermittelt und Abfindungen bezahlt hatten. Inzwischen sind Fenster und Türen mit Brettern verrammelt. "Die Häuser sind baufällig und einsturzgefährdet", sagt der Unternehmenssprecher. In letzter Zeit würden sie immer öfter aufgebrochen. Auch Feuer würden gelegt. Im Frühjahr ist bereits ein Haus an der Feldbahnstraße 17 ausgebrannt. Nun müsse man handeln, aus Sicherheitsgründen, sagen die Investoren.
Seit Jahren wird um das Gelände heftig gestritten. Eine Bürgerinitiative will die Kleingartenkolonie retten. Sie bekommt Zuspruch aus der Nachbarschaft, von Lokalpolitikern und Naturschützern. Anfang des Monats forderte eine örtliche Bürgerversammlung mit großer Mehrheit erneut einen Planungsstopp für das Bauprojekt. Und erst vor wenigen Tagen richtete der Bezirksausschuss Feldmoching-Hasenbergl einen dringenden Appell an den Oberbürgermeister: kein Abriss von Häusern im Eggarten, bevor ein Fledermaus-Gutachten veröffentlicht ist.
Der Abriss der Häuser vor den ersten Frostnächten sei für Fledermäuse ein "Todesurteil", warnen Tierschützer
Dessen Veröffentlichung fordert auch Christian Hierneis, der im bayerischen Landtag Grünen-Sprecher für Umweltschutz ist. Die ÖDP will die Eigentümer nun sogar wegen eines Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetz verklagen. Ihr Stadtrat Tobias Ruff vermutet, dass seltene und geschützte Fledermausarten in den Häusern des Eggartens überwintern. "Gerade jetzt kurz vor den ersten Frostnächten ist es für die Fledermäuse absolut tödlich, wenn ihre Ruhestätten zerstört werden", sagt er. Der Abriss sei auch für den Eggarten ein "Todesurteil".
Eine Fledermaus-Untersuchung habe dieses Jahr stattgefunden und sei inzwischen abgeschlossen, das bestätigen die Eigentümer. Allerdings habe man herausgefunden, "dass die Häuser nicht als dauerhafte Quartiere von Fledermäusen genutzt werden". Dem Abriss stünden sie also nicht im Wege. Doch der stehe mit den Planungen für das neue Quartier nicht in direktem Zusammenhang.
Frühestens in zwei bis drei Jahren sollen die ersten Wohnungen gebaut werden. Ein Bebauungsplan für eine dichte Siedlung mit einzelnen 36 Meter hohen Wohnhochhäusern wird gerade erarbeitet. Der Stadtrat muss dann noch zweimal über den Eggarten abstimmen. Dass das Projekt dort noch gestoppt wird, ist eher unwahrscheinlich. Denn es wird von der grün-roten Rathaus-Koalition befürwortet - nicht zuletzt, weil Genossenschaften die Hälfte der Wohnungen bauen. Wohnraum vor Klimaschutz, das ist die Devise im Rathaus. Die Aktivisten im Eggarten sehen es umgekehrt. Ebenso die beiden Frauen mit den Walkingstöcken. Sie blicken noch etwas wehmütig auf die alten Häuser und verschwinden in der Dämmerung.