Drogenkonsumräume:"Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen sterben"

Lesezeit: 2 min

Nur 17 Städte in acht Bundesländern haben aktuell in Deutschland Drogenkonsumräume, wie hier in Berlin. In Bayern gibt es solche Einrichtungen bisher nicht. (Foto: Maja Hitij/dpa)

Die Stadt und der Hilfsverein Condrobs fordern schon lange Räume, in denen Abhängige Drogen sauberer und sicherer konsumieren können als auf der Straße. Doch der Freistaat sperrt sich dagegen. Unterstützung bekommen die Befürworter nun vom Suchtbeauftragten der Bundesregierung.

Von Daniel Thoma

"Drogenkonsumräume spielen eine große Rolle, wenn es darum geht, Leben zu retten", sagt der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen Burkhard Blienert (SPD). Am Donnerstag traf er sich in der Drogenhilfe-Einrichtung "Limit" mit Vertretern von Landes- und Stadtpolitik. Organisiert wurde das Treffen vom Verein Condrobs, der sich seit den 70er-Jahren in der Suchthilfe engagiert. Blienerts Plädoyer für Drogenkonsumräume steht ganz im Sinne der "Harm Reduction"-Strategie. Bei dieser werden gezielt Angebote gemacht, die den Drogenkonsum nicht verhindern, aber sicherer machen sollen. Beispiele sind das Ausgeben von sauberen Nadeln und Spritzen oder eben ein Raum für den Konsum.

In Bayern gibt es solche Einrichtungen bisher nicht, was besonders in München für Diskussionen sorgt. Denn die Stadt fordert sie bereits seit Langem, 2010 und 2018 gab es entsprechende Stadtratsbeschlüsse. Die nötige Verordnung wurde bei der bayerischen Staatsregierung erbeten. Diese entschied sich aber dagegen und das trotz positiver Erfahrungswerte. "Europaweit, in Kanada und in den USA weisen viele Städte überzeugende Erfolge durch Drogenkonsumräume auf", sagt Katrin Bahr, geschäftsführende Vorständin von Condrobs. Auch in Deutschland werde das Konzept bereits erfolgreich etwa in Frankfurt angewandt.

Bernhard Seidenath, gesundheits- und pflegepolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion, hält diese Beispiele für nicht auf München übertragbar: "Die Situation in München ist ganz anders als in Frankfurt. Dort gab es rechtsfreie Zonen, die nur durch Drogenkonsumräume trockengelegt werden konnten." Diese Lage sieht er in München nicht und kritisiert das Konzept scharf: "Ich halte nichts von Drogenkonsumräumen. Sie retten nicht langfristig Leben und führen zu einer Verharmlosung des Drogenkonsums."

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72 Drogentote gab es in den vergangenen zwölf Monaten in München

Blienert hält die Bedenken der CSU für unbegründet: "Durch Drogenkonsumräume wird der Konsum nicht angereizt. Das ist mittlerweile widerlegt." Dennoch dürfen in München und vielen anderen Orten keine solchen Einrichtungen geöffnet werden. Nur 17 Städte in acht Bundesländern haben aktuell Drogenkonsumräume. Für Blienert liegt das Problem in der komplizierten Gesetzgebung: "Es gibt kein Gesetz, das ich im Alleingang anpacken kann. Es sind immer alle Bereiche betroffen. Nicht nur auf Bundesebene, sondern eben auch runter über die Länder bis zu den Kommunen. Das macht es so kompliziert und so schwierig."

Katrin Bahr sieht in dem Verbot von Drogenkonsumräumen eine fatale Lücke in der bayerischen Drogenhilfe. "Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen sterben, solange es Maßnahmen gibt, dies zu verhindern", sagt sie mit Verweis auf die 72 Drogentoten, die allein in München zwischen Juli 2021 und Juli 2022 gezählt wurden. Im Jahr davor waren es noch 64.

Im "Limit" gibt es Spritzen und HIV- sowie Hepatitis-C-Tests. (Foto: Catherina Hess)
Insgesamt erreicht der Hilfsverein mit den Kontaktläden bis zu 1800 Menschen. (Foto: Catherina Hess)

Drogenkonsum ist gerade auch während der Pandemie zu einem größeren Problem geworden. Schätzungsweise 4000 bis 6000 Menschen nutzen in München aktuell Opiate, überwiegend intravenös. Ein beunruhigender Trend: Inzwischen werden häufig mehrere Substanzen gleichzeitig konsumiert. Condrobs versucht dem Problem mit Harm-Reduction-Maßnahmen entgegen zu treten.

In München geschieht das allen voran in vier sogenannten Kontaktläden. Drei davon werden von Condrobs betrieben. Hier werden Spritzen ausgegeben und HIV- sowie Hepatitis-C-Tests gemacht. Hilfesuchende können außerdem eine Beratung und Drogennotfalltrainings in Anspruch nehmen, bei denen auch Naloxon ausgegeben wird. Dabei handelt es sich um ein Anti-Opiat, das die Wirkung einer Überdosis von Opiaten aufhebt und damit eine lebensrettende Maßnahme ist.

Die Kontaktläden werden von den Betroffenen sehr gut angenommen. Laut Olaf Ostermann, bei Condrobs unter anderem zuständig für niedrigschwellige Hilfen, haben die drei Standorte insgesamt täglich etwa 200 Besucher. Insgesamt erreiche Condrobs damit bis zu 1800 Menschen. Und auch in ihre Nachbarschaften seien die Einrichtungen gut integriert. Mit den Anwohnerinnen und Anwohnern gebe es kaum Probleme.

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