Dreikönigstreffen von SPD und CSU:In München beginnt die heiße Wahlkampfphase - mit Attacken, Eigenlob und Kreischlauten

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Würde seinen Vertrag gerne noch einmal verlängern: Dieter Reiter. (Foto: Robert Haas)

Beim traditionellen Dreikönigstreffen gibt sich Amtsinhaber Reiter selbstbewusst. Herausforderin Kristina Frank will München Ruhe und die innere Mitte zurückgeben. Die Grünen können sich erst am Dienstag wehren.

Von Heiner Effern und Dominik Hutter

Gelassener Amtsinhaber

Der Satz, der für das Wahlkampf-Gefühl von Dieter Reiter steht, kommt ganz am Schluss seiner Rede: "Wir haben viel erreicht. Wir haben noch viel vor", ruft der Oberbürgermeister in den Festsaal des Hofbräukellers, der so voll ist wie seit vielen Jahren nicht mehr. Selbst Alt-OB Christian Ude ist da, und der hat sich ziemlich rar gemacht bei SPD-Veranstaltungen in München. Sein Nachfolger Reiter hat nun bald die erste Amtsperiode hinter sich, und so tritt er auch auf: als Macher, der nach sechs Jahren OB-Büro etwas vorzuweisen hat. Und der seinen Vertrag gerne noch einmal verlängern würde.

Deshalb kommen in seiner Rede zum Dreikönigstreffen, das als Auftakt zur heißen Wahlkampfphase dient, Sätze vor wie: "Nicht reden. Handeln". Oder: "Nur Ergebnisse zählen." Reiter will nun profitieren von der Arbeit der vergangenen Jahre, und von der langen Ahnenreihe der Münchner SPD-Oberbürgermeister. Es gebe keinerlei Grund, in Sack und Asche zu gehen, ruft er ins Mikrofon. Wo doch die SPD München zu dem gemacht habe, was es heute ist: die beliebteste Stadt Deutschlands.

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Der Vorteil einer aktuellen Leistungsbilanz ist es, dass nicht jeder eine vorweisen kann - das hilft im Wahlkampf vor allem gegen die Grünen, die ja seit 2014 die Oppositionsbank drücken. Was den politischen Spielraum natürlich einschränkt. "Wir haben nicht nur geredet, wie so manch andere Partei im Rathaus", ätzt Reiter, und es ist klar, wen er damit meint. Ohnehin lässt der OB kein gutes Haar an der Partei, der bei der Wahl ein kräftiger Sprung nach vorne prophezeit wird, und das sicher nicht zum Vorteil der SPD. Die Grünen täten sich im Stadtrat damit hervor, dass sie "alles schon viel früher gewusst, gesagt, beantragt oder erfunden haben". Und dass das, was die Rathausmehrheit macht, stets "zu langsam, zu spät, zu wenig oder zu viel - auf jeden Fall nicht richtig oder ausreichend ist." Das sei auf Dauer keine überzeugende Argumentation für einen politischen Auftrag. Fürs eigene Zeugnis hat sich Reiter hingegen notiert: kostenlose Kinderbetreuung, Gratis-Mittagstisch für Senioren, MVV-Tarifreform, kommunale Mietpreisbremse, besserer Mieterschutz, neue U-Bahnen, mehr Radwege. Und das mit der Mobilitätswende meine man ernst. Reiters Fazit: "Wir haben seit Jahrzehnten bewiesen, dass wir es können."

Auch die CSU, mit der die SPD seit 2014 gemeinsam regiert, bekommt ihr Fett ab. Etwa wegen ihres Neins zur kommunalen Mietpreisbremse, das in Reiters Augen den Schluss zulässt, der CSU seien die Mieten in München noch nicht hoch genug. Offenbar könnten die Christsozialen ihre Nähe zum Haus- und Grundbesitzerverein nicht verbergen. Dann das Nein der CSU zu schärferen Regeln beim Vorkaufsrecht, die von Markus Söder verkauften GBW-Wohnungen und das erst Ende Dezember kassierte Nein des Freistaats zur Verdoppelung der München-Zulage auch bei Beamten. Reiter geht auf Distanz zur CSU, wie übrigens zuvor auch schon Münchens SPD-Chefin Claudia Tausend, die klar dafür wirbt, das nächste Münchner Regierungsbündnis wieder ohne die CSU zu gestalten.

Den Wahlkampf, das wird überdeutlich, will die SPD alleine führen, frühzeitige Avancen für politische Partnerschaften stören da nur. Reiter wirkt aufgeräumt, gut gelaunt und selbstsicher, er trägt noch die Bräune vom Weihnachtsurlaub im Gesicht. Lobt Christian Ude ganz frech für die Wahl seines Nachfolgers und verpackt das Lob für die eigene Person auch noch so, dass es nicht überheblich, sondern lustig wirkt. Man nimmt dem 61-Jährigen seine Gelassenheit ab - auch wenn die Prognosen für seine Partei eine mittelgroße Panik rechtfertigen könnten. Die SPD setzt darauf, dass die Münchner die Performance in Berlin den Bundesvorderen zuschreiben - und daheim auf Bewährtes setzen. Parteiintern hat Reiter erreicht, was er wollte: Seine Eingriffe in die Stadtratsliste wurden akzeptiert. Niemand wollte den Mann düpieren, auf dem aktuell alle Hoffnungen der Münchner SPD ruhen.

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Erleichtert wurde die angestrebte Erneuerung der SPD wohl nicht zuletzt durch den Wechsel des langjährigen Fraktionschefs Alexander Reissl zur CSU - ein Vorfall, der für eine Partei ja eigentlich als Schmach gilt. Die Genossen sind sich aber weitgehend einig, dass da eigentlich ein Befreiungsschlag stattgefunden hat. Dass sich so erst die Chance auftat, mit neuen Gesichtern und frischem Wind in die Kommunalwahl zu ziehen. Mit der AfD, das macht Reiter deutlich, wird die SPD nicht zusammenarbeiten - weder vor noch nach der Wahl. Gemeinsame Auftritte, bei Diskussionen etwa, seien tabu. "Ich habe lange mit mir gerungen, was ich tun soll. Ich glaube, das ist der bessere Weg."

Der Saal hat eine grüne Decke, an der Balustrade der Galerie hängen Trauben roter Christbaumkugeln. Das sind Farben, die Kristina Frank in den Augen schmerzen müssen, als sie auf der Bühne spricht. Es sind die politischen Farben, vor denen sie die Stadt unbedingt bewahren will. "Eine Schicksalswahl" werde die Kommunalwahl am 15. März, warnt die Oberbürgermeisterkandidatin der CSU. Fällt die Stadt wieder in die Hand der Sozialdemokraten und der Grünen und gar der Linken? Oder prägt ihre Partei "als Motor des Aufbruchs" weiter die Stadtregierung mit? "Es geht um alles", sagt Frank. Das Ergebnis werde wegweisend sein, "bis in die zweite Hälfte des Jahrhunderts".

Klare Ansagen sind gefragt zehn Wochen vor der Kommunalwahl, insbesondere wenn sich die CSU zum Dreikönigstreffen versammelt. Der Gegner muss benannt und gestellt werden, die eigene Mannschaft motiviert. Die OB-Kandidatin soll glänzen wie die goldenen Weihnachtssterne im Saal. Ursprünglich sollte dazu auch der Promi-Status von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier etwas beitragen, den die CSU als Hauptredner eingeladen hatte. Doch der CDU-Politiker musste aus gesundheitlichen Gründen absagen, worauf Frank den Saal im Augustiner-Stammhaus selbst rocken muss, wie sie eine solche Aufgabe gerne bezeichnet.

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Also heizt die OB-Kandidatin ein, geißelt die "bevormundende, stigmatisierende Ideologiepolitik" von SPD und Grünen. Sie prangert die "radikale Verkehrswende"an, die erst am Anfang stehe und die Stadt lahmlegen werde. Die Ausrufung des Klimanotstands findet sie "fast schon zynisch", wenn sie an die Menschen denke, die in wirklichen Notstandsgebieten "tagtäglich um ihr Leben fürchten müssen". Frank kündigt an, dass die CSU ein eigenes Klima- und Umweltschutzreferat einrichten werde, sollte sie nach der Kommunalwahl an der Regierung sein. Das sollte dann keine Notstände ausrufen, sondern Klimaschutz mit "Sinn und Verstand" vorantreiben, "ohne Schaum vor dem Mund". Die Parteifreunde zeigen sich nach der Rede begeistert, fast alle erheben sich, klatschen rhythmisch, sogar einzelne Kreischlaute sind zu hören.

So weit hat es ihr Vorredner nicht gebracht, zu einem ordentlichen Applaus aber schon. Dabei hat der Münchner Partei-Chef Ludwig Spaenle wieder einmal gezeigt, dass er als Oberheizer der Stadt-CSU sein Handwerk immer noch beherrscht. Er bearbeitet SPD und Grüne mit dem Dampfhammer, dass sie bis zur Kommunalwahl glühen müssten. Seine Hauptattacke erfolgt über "die nordkoreanische Schneise". So erlebt Spaenle die Fraunhoferstraße, seitdem SPD, Grüne, Linke und ÖDP 120 Parkplätze zugunsten breiter Radwege gestrichen haben. "Kein Mensch zu sehen, alles rot lackiert." Im Rathaus etabliere sich gerade eine "Volksfront", die nach dem Vorbild "linker Versager" wie in Bremen die Stadt an die Wand fahren werde.

Die CSU sei keine Partei, die andere herabsetze wie etwa die Grünen, sagt Spaenle. Um gleich klarzustellen, was er von ihnen hält. "Die haben doch moralische Überlegenheit mit dem Schöpflöffel gesoffen." Wenn die Grünen nun auf Plakaten für den U-Bahnbau werben würden, den sie selbst während ihrer Regierungszeit vor 2014 eingestellt hätten, dann machten sie sich "einer politischen Lüge" schuldig. Die SPD wiederum wolle sich aus Egoismus und Angst vor dem Machtverlust in diese Volksfront retten. "Die Sozialdemokratie ist erschlafft und ermüdet", sagt Spaenle.

Auch Kristina Frank knöpft sich den Immer-noch-Regierungspartner vor. Oberbürgermeister Dieter Reiter sei Münchens "Schönwetter-Oberradler" der nach eigener Aussage kaum Rad fahre, dafür aber auf seine Dienstwagen nicht verzichten wolle. "Das ist absurd." Man sehe aber schon, "wie der Hase läuft", wenn der OB seinen Wahlslogan bei der erfolglosen Bundes-SPD abkupfere. Die SPD habe in ihrer Regierungszeit keine Weltstadt mit Herz geschaffen, sondern "eine mit Herzinfarkt". Die CSU wolle der Stadt nun "ihre Ruhe, ihre Mitte" wieder geben. Sie müsse wieder Dorf und Weltstadt zugleich sein können. "Wieder München werden", heißt der Slogan, den Frank immer wieder in ihre Rede einbaut. Sie garniert das mit Schlagworten aus dem Wahlprogramm, dass die CSU in Kürze vorstellen wird. Wohnungsbau will sie nur dort, wo es ihr verträglich scheint, auch über Straßen und Schienen. Die Autos sollen unter der Erde fahren wie am Mittleren Ring, neue U-Bahnlinien gebaut werden, der S-Bahnring geschlossen. Nach sechs Jahren Kooperation mit der SPD wolle die CSU nun "weg vom Reperaturbetrieb" der Versäumnisse von Rot und Grün, sagt Frank.

© SZ vom 07.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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