Corona ist schuld, ganz klar", sagt Karlheinz Reindl, Pächter der Traditionsgaststätte Donisl am Marienplatz, "sämtliche Reservierungen in diesem Jahr sind weggebrochen, für nächstes Jahr sieht's nicht besser aus." Jetzt zog er einen Schlussstrich unter sein Engagement. Am Mittwochabend erfuhren es die Mitarbeiter in einer Betriebsversammlung: Die Familie Reindl löst den Pachtvertrag mit der Brauerei Hacker-Pschorr vorzeitig zum 31. Dezember dieses Jahres auf.
Der Donisl am Marienplatz ist eines der Flaggschiffe der Paulaner-Brauereigruppe, zu der auch Hacker-Pschorr gehört. Nach einer mehrjährigen Sanierung des mehr als 300 Jahre alten Gebäudes hatte Hacker-Pschorr mit Karlheinz Reindl 2015 einen erfahrenen Gastronomen gefunden, der sich zutraute, das lange Zeit als Touristenschuppen verschriene Wirtshaus wieder zu neuen Höhen zu führen.
Reindl und seiner Familie gehört die Firmengruppe Rubenbauer, die deutschlandweit auf Platz 65 der größten Gastro-Unternehmen steht und einen Jahresumsatz von mehr als 52 Millionen Euro macht, vor allem mit Bahnhofsgastronomie. Im Münchner Hauptbahnhof betreibt sie zahlreiche Imbissstände und auch eine Filiale der Pizza-Kette L'Osteria. Reindl startete damals mit dem Vorhaben, aus dem Donisl wieder eine Traditionsgaststätte auch für die Münchner zu machen, die sich dort an Stammtischen treffen sollten.
Tatsächlich ist das nur bedingt gelungen, der Donisl hatte es schwer, unter den vielen Innenstadtwirtshäusern seinen Platz wieder zu finden. Firmenfeiern, Veranstaltungen, Präsentationen gab es zwar häufiger. Aber letztlich waren es vor allem die Touristen, die im Donisl ihr "original bayerisches Wirtshaus" wiederfinden wollten. Als das war es jahrzehntelang in der ganzen Welt bekannt, und als die britische Komikertruppe Monty Python in den Siebzigerjahren einmal einen Sketch über ein "bavarian restaurant" aufzeichneten, drehten sie die Episode im damaligen Donisl.
Die enorme Beliebtheit bei Touristen sorgte lange für solide Umsätze, jetzt aber ist sie der Grund dafür, dass Reindl aufgeben muss. "Der Donisl war und ist ein Herzensprojekt", sagt er, "aber das Ausbleiben von Touristen und Messegästen zwingt uns zu dieser Entscheidung." Er sehe auch im nächsten Jahr keine wirkliche Perspektive, solange die Pandemie anhalte. Man werde den Betrieb "ruhend übergeben", sagt Reindl, was bedeutet: Zwischen Weihnachten und Neujahr bleibe das Haus geschlossen: "Wir räumen dann auf, putzen und machen Inventur." Alle weiteren Betriebe der Rubenbauer Unternehmensgruppe seien von der Pachtauflösung nicht betroffen: "Wir konzentrieren uns jetzt darauf, den Folgen der Pandemie zu begegnen und in eine erfolgreiche Zukunft zu gehen."
"Selbstverständlich werden wir die Wirtshaus-Tradition an dieser Stelle fortführen"
Für den Donisl sieht die Zukunft momentan hingegen nicht besonders rosig aus, aber er hat schon viel überstanden. Die Geschichte des Hauses reicht bis 1315 zurück, es diente damals als Weinschänke, "Kornmesserhaus" und später als Hauptwache. 1715 wurde es zur "Bierwirtschaft am Markt", 1760 übernahm ein gewisser Dionysius Haertl das Gasthaus, sein Vorname wurde vom Volksmund zum Donisl vereinfacht, und das Wirtshaus behielt bis heute seinen Namen. 125 Jahre später kaufte der Brauer Georg Pschorr das Anwesen, und nach der fast völligen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde das Wirtshaus 1954 wiedereröffnet. Den Tiefpunkt seiner Geschichte erlebte es 1984, als dort Touristen mit sogenannten "K.O.-Tropfen" bewusstlos gemacht und dann ausgeraubt wurden. Darauf spielen die "O. K.-Tropfen" an - ein Schnaps, den Reindl auf die Speisekarte setzte.
Der heutige Donisl ist eigentlich ein sehr junges Haus. Drei Jahre lang wurde das historische Gebäude aus dem 18. Jahrhundert zwischen 2012 und 2015 umgebaut und saniert. Letztlich blieb nur die denkmalgeschützte Fassade stehen. Der Bau dahinter dürfte mehrere Millionen Euro gekostet haben, über die genauen Kosten schweigt sich die Brauerei aus.
"Selbstverständlich werden wir die Wirtshaus-Tradition an dieser Stelle fortführen", sagt Brauereichef Andreas Steinfatt, und er zieht auch gleich eine Verbindung zur Wirtesuche für das Wiesnzelt der Bräurosl. Das gehört ebenfalls der Brauerei Hacker-Pschorr; die Wiesnwirte Georg und Renate Heide, deren Familie das Zelt seit mehr als 70 Jahren betrieben hatte, verzichteten Anfang Juli auf eine erneute Bewerbung. Der Grund war ebenfalls die Pandemie und ihre Auswirkungen. Steinfatt weiter: "Es ist uns klar, dass es eine Herausforderung ist, den oder die richtigen Wirte für zwei Großobjekte wie den Donisl und die Bräurosl auf der Wiesn zu finden. Aber wer weiß, vielleicht ergibt sich hier auch eine Kombination."
Das lässt nun wieder Spekulationen sprießen. Wer von den Bewerbern um das Wiesnzelt ist schon in der Lage, auch noch ein so schwieriges Objekt wie den Donisl zu schultern, das 2021 sicher kein leichtes Jahr vor sich haben wird? Es gab mal Zeiten, da hätte ein Wirt haushohe Luftsprünge vor lauter Freude gemacht, wenn er ein Wiesnzelt und den Donisl bekommen hätte. Aber unter Corona ist eben vieles ganz anders geworden.