München:Die Stadt "braucht eine Vision"

Neubau eines Wohnhauses in München, 2015

Weniger Grün kann im Wohnungsbau auch mal mehr sein, findet Architekt Bruno Krucker, im Bild ein Wohnhaus an der Siglstraße.

(Foto: Lukas Barth)

Der Schweizer Architekt Bruno Krucker fordert klare Vorgaben für den Wohnungsbau, weniger Bürokratie und mehr Mut

Von Ramona Drosner

Die Stadt wächst und wächst und kommt mit dem Wohnungsbau kaum hinterher. Kritiker werfen den Bauherren aber vor, mit ihren Projekten allzu sehr auf Masse zu setzen und zu wenig auf Klasse zu achten. Es fehle der Mut zu baulicher Verdichtung, konstatiert der Bund Deutscher Architekten (BDA), und auch der Mut zu neuen Lösungen, sodass aus hoher Dichte gute Qualität entstehen könnte. Damit werde die Stadt zwangsläufig hässlicher. In Zürich seien die Probleme vergleichbar, die Lösungen aber besser. Also führte der BDA vor kurzem ein Podiumsgespräch mit Münchens Zweitem Bürgermeister Josef Schmid (CSU), der auch das Referat für Arbeit und Wirtschaft leitet, und dem Schweizer Architekten Bruno Krucker, der an der TU München Städtebau und Wohnungswesen lehrt, aber auch die Praxis kennt: Das Büro von Ballmoos und Krucker Architekten hat in Zürich und München Wettbewerbe gewonnen. Unter anderem bekam es den Zuschlag für das Gewofag-Projekt Funkkaserne Süd in Freimann. Kruckers Diagnose ist eindeutig: "München braucht eine Vision."

In Zürich gibt es so etwas: Aus Zukunftsideen einer Gruppe von Architekten für ein ausgewähltes Quartier habe die Stadt Zürich eine Art Bauleitfaden für das ganze Stadtgebiet entwickelt, erklärte Krucker. Die Investoren können genau sehen, wie viel Quadratmeter Wohnfläche auf einem Areal gebaut werden dürfen. So können sie von vornherein die späteren Mieteinnahmen berechnen. In München dagegen gebe es zu viele Ausnahmen: "Die Lobby der Privatinvestoren in der Politik ist absurd." Die Stadt müsse da mehr Härte zeigen, findet der Architekt, und das könne sie auch, denn die Investoren wollten ja unbedingt in München bauen. Würden Politik und Verwaltung klarere Vorgaben machen, entstünde mehr Planungssicherheit.

Qualitätssicherung solle bereits beim Grundstücksverkauf vereinbart werden, forderte Krucker. Und zu Wettbewerben solle man mehr junge Architekten einladen, denn die brächten frische Ideen mit. Die Entwürfe sollten dann aber nicht von 40 Juroren beurteilt werden, das sei ineffizient, sondern lieber nur von zwölf.

Eine andere These des Schweizers dürfte bei vielen CSU-Politikern und allen Gartenstadt-Initiativen auf heftigen Widerspruch stoßen: Luftige Neubausiedlungen mit vielen Freiflächen wie etwa am Hirschgarten würden die Stadt letztlich ihre Urbanität kosten, urteilte der Architekt. "In München herrscht die dogmatische Haltung, alles was grün ist, ist heilig." Zürich gelte ebenfalls als grüne Stadt, doch die Vorgaben für Grünflächen machten dort nur ein Fünftel von dem aus, was in München an Begrünung gefordert sei. Dabei finde man die höchste Lebensqualität in der Maxvorstadt oder in Schwabing - gerade dort sei es aber kaum grün. "Man muss differenzieren, wo der Schutz des Grünen wichtig ist, und wo man mehr Verdichtung zulassen kann", sagte Krucker.

Bürgermeister Schmid machte sich für frühe Bürgerbeteiligung stark, weil Neubauprojekte dann leichter akzeptiert würden. Das habe man am Beispiel Bayernkaserne gesehen. Außerdem müssten die Planungsverfahren grundsätzlich beschleunigt werden. Das setze aber zusätzliches Personal voraus.

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