Ausstellungsreihe "Dazwischensein" im DG Kunstraum:Zwischenzustände

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Seine Migrationsgeschichte fließt in Viron Erol Verts Arbeiten ein, wie in diese, in der er einen Reisespiegel aus den Zwanzigerjahren verwendet. Zu sehen ist sie in der Reihe "Dazwischensein". (Foto: Gerald von Foris)

Im DG Kunstraum nähern sich im Laufe des Jahres neun Künstlerinnen und Künstler dem Sujet "Dazwischensein". Aktuell präsentiert Viron Erol Vert seinen multikulturellen Ansatz.

Von Jelena Maier

"Jeder kann etwas mit dem Thema anfangen", sagt Benita Meißner zur Ausstellungsreihe "Dazwischensein". Ob Gedanke, Zustand oder auch Gefühl - Dazwischensein kann vieles sein und für jede Person etwas anderes bedeuten. Etwa den Übergang von der Jugend zum Erwachsensein, Heimatsuche, oder das Leben an sich, als Zustand zwischen Geburt und Tod. In jedem Fall aber regt der komplexe Begriff zur Reflexion an und bringt weitreichende Assoziationen mit sich.

Auch die neun künstlerischen Einzelpräsentationen im DG Kunstraum verhandeln das Dazwischensein in seinen unterschiedlichen Facetten. Entsprechend der Vielfältigkeit des Themas hat Kuratorin Benita Meißner den Kunstschaffenden viel Freiraum gewährt. Nur das erste Konzept habe sie ihnen als Grundlage gegeben - "und dann musste ich loslassen, um die Weiterentwicklung des Entwurfs nicht zu unterbinden." Passend dazu der Name des Ausstellungsorts, "Möglichkeitsraum", in dem noch bis zum 25. April die dritte Installation der Reihe zu sehen ist. Der Künstler Viron Erol Vert setzt sich darin hauptsächlich mit Migration und Kultur sowie mit Sichtweisen des Eigenen und des Fremden auseinander.

Hier, im abgedunkelten Kunstraum, strahlt von der Decke helles Licht auf einen silbrig glänzenden Spiegel, der helle Reflexe auf den Holzboden wirft. Aus dem Off ertönt die dunkle Stimme des Künstlers, untermalt von sphärischen Klängen. Viron Erol Vert liest das Buchstabier-Alphabet in sieben Sprachen vor, die er durch seine interkulturelle Prägung selbst spricht. "V come Venezia", "T wie Theodor", "C like Charles", und weiter mit dem griechischen, arabischen, hebräischen und türkischen Alphabet.

Die intensive Migrationsgeschichte des Künstlers findet immer wieder in seine Werke Eingang, so auch im DG Kunstraum. An der Wand hängt ein kleiner dreiseitiger Reisespiegel aus den Zwanzigerjahren, der Migranten gehörte. Er steht für das Unterwegssein, und damit auch für das Dazwischensein. Beim Herantreten an das Objekt ergibt sich eine fünffache Spiegelung, die die Besuchenden zum längeren Hineinschauen aus verschiedenen Perspektiven auffordert.

Der Künstler hat jede der drei Spiegelseiten mit einem Wort beschriftet: "Else", "Where" und "From". Je nach Ansicht ergeben sich so neue Bedeutungen, was zu Irritationsmomenten und Fragen rund um Zugehörigkeit und Identität führt. "Wo komme ich her, wo bin ich, wo gehe ich hin? Das soll hier reflektiert werden", erklärt die Kuratorin. Gleichzeitig steht die Zahl drei in Verbindung mit Reflexionen zum "Selbst", wie im Instanzenmodell von Sigmund Freud, das die menschliche Psyche in "Ich", "Es" und "Über-Ich" teilt. Wie auch die Zahl sieben, auf die der Künstler in der Klangcollage anspielt, ist die Zahl drei für ihre Bedeutung als Zahl der Vollkommenheit bekannt. Somit changiert die Installation zwischen Zuständen des Dazwischenseins und der Vollendung, was eine außergewöhnliche Spannung erzeugt.

Im "Diskursraum", der die ganze Reihe über erhalten bleibt, ist derzeit die Videoarbeit "Berliner Zimmer" von Sonya Schönberger zu sehen. (Foto: Gerald von Foris)

Durch die Intervention "Hemdchen" von Bettina Khano ist die Ausstellungsfläche vom "Diskursraum" abgetrennt. Dort wird ein wechselndes Filmprogramm gezeigt, das auf verschiedene Arten mit den Werken im "Möglichkeitsraum" korreliert. Parallel zu Viron Erol Verts Konzept läuft die insgesamt elf Stunden dauernde Videoarbeit "Berliner Zimmer" von Sonya Schönberger. Indem Einwohnerinnen und Einwohner Berlins ihre Geschichten erzählen, wird seine Ausstellung ergänzt und zugleich kontrastiert. Denn viele der Vitae handeln von biografischen Änderungen, vom Selbst und von verschiedenen Lebenswegen.

"Dazwischensein" wird dadurch zur Chance, über den eigenen Horizont zu blicken und diverse Sichtweisen zu vereinen. Auch die naturwissenschaftliche Perspektive kommt hierbei zum Tragen. So untersucht Andrea Wolfensberger das Verhältnis des Einzelnen zum Ganzen, insbesondere bei Schwarmintelligenz und selbstorganisierenden Systemen. Demgegenüber stehen in Manuela Illeras feministischen Werken vor allem Dekolonialität, Queerness und subversive Identitäten im Mittelpunkt.

Zum Ziel der Reihe, Dazwischensein in seinem umfassenden Sinn abzubilden, tragen auch die Künstlergespräche bei. Denn der DG Kunstraum will auch Ort der Zusammenkunft sein, betont Benita Meißner: "Für uns ist es wichtig, Menschen zusammenzubringen und zum Träumen einzuladen. Viron Erol Vert tut genau das: Er entwickelt Themen auf poetische Art und Weise."

DG Kunstraum - "Dazwischensein", Dienstag bis Freitag, 12 bis 18 Uhr, bis 12. Dezember, DG Kunstraum Diskurs Gegenwart, Finkenstraße 4

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