Mobilitätsforschung:Ein Zentrum ohne Zukunft

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Wolfgang Herrmann (von links), Andreas Scheuer, Markus Söder und Dieter Reiter bei der Eröffnung des Zentrums für die Mobilität der Zukunft im vergangenen August.
Wolfgang Herrmann (von links), Andreas Scheuer, Markus Söder und Dieter Reiter bei der Eröffnung des Zentrums für die Mobilität der Zukunft im vergangenen August. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer wollte in München für Hunderte Millionen Euro eine Denkfabrik für Mobilität ansiedeln. Doch die neue Bundesregierung kürzt die Mittel.

Von Markus Balser, Andreas Glas und Anna Hoben

Um Superlative war Ex-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ohnehin selten verlegen. Noch kurz vor der Bundestagswahl im September 2021 fand Scheuer auch für seine Verhältnisse markige Worte für ein neues Prestigeprojekt. Im August eröffnete er mit allerhand Politprominenz das Deutsche Zentrum Mobilität der Zukunft in München. Ein wahrer "Leuchtturm mit internationaler Strahlkraft" werde das, sagte Scheuer voraus. Es gehe etwa um Autos, Züge und Schiffe, die autonom fahren, so der Wahlkämpfer und versprach 400 Millionen Euro in den nächsten Jahren. "Die Weltöffentlichkeit blickt auf Deutschland an diesem Tag", sagte Scheuer.

Doch die Weltöffentlichkeit hat bislang wenig von dem Projekt erfahren. Und das droht auch so zu bleiben. Denn die neue Ampel-Regierung stutzt die Finanzpläne für das umstrittene Vorhaben offenkundig massiv zurecht. Von den für das erste Jahr eingestellten 44,5 Millionen Euro könnten nur zehn Millionen Euro abfließen, heißt es aus dem Bundesverkehrsministerium. Auch mit den für dieses und die nächsten beiden Haushaltsjahre vorgesehenen 278 Millionen Euro kann das Prestigeprojekt offenbar so nicht mehr rechnen. Das Zentrum sei ja noch gar nicht gegründet.

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Obwohl die Idee bereits im März 2020 präsentiert wurde, tat sich bislang wenig rund um das Vorhaben Scheuers. Früheren Angaben zufolge sollten Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft mit dem Geld in München und an weiteren Standorten neue Mobilitätssysteme erforschen. Das Zentrum sollte mehrere Lehrstühle und einen Praxiscampus umfassen. Wie genau das in der Hochzeit des Wahlkampfs vorgestellte Millionenprojekt aussehen soll, wurde in den vergangenen Monaten allerdings nur äußerst langsam konkreter. Eingerichtet wurde zunächst ein Gründungsbeirat mit Professor Wolfgang Herrmann, dem ehemaligen Präsidenten der Technischen Universität, an der Spitze. Seit Oktober allerdings hat das Zentrum nach einigen Aktivitäten im September und Oktober selbst keine Pressemeldungen mehr veröffentlicht.

Grünen und FDP galt die Investition als CSU-Wahlgeschenk

Von Anfang an war Scheuers Plan politisch umstritten. Grüne und FDP warfen ihm Konzeptlosigkeit vor und sahen die Vergabe des kostspieligen Zentrums nach München als CSU-Wahlgeschenk. Dass Teile des Zentrums in anderen Bundesländern angesiedelt wurden, glättete die Wogen nicht.

Entsprechend empört reagiert die CSU nun auf die Pläne der Bundesregierung, die Mittel für das Projekt zu kürzen. Von einem "Schlag gegen Bayern" sprach der bayerische Bau- und Verkehrsminister Christian Bernreiter. Er bestehe darauf, dass "das versprochene Geld bereitgestellt wird". In einer gemeinsamen Mitteilung mit Bernreiter griff auch Wissenschaftsminister Markus Blume den Bund scharf an. "Es kann nicht sein, dass dort, wo es um Investitionen in Forschung und Innovationen geht, gekürzt wird", kritisierte Blume. Große Hoffnungen auf eine Umsetzung der Pläne hat man offenbar auch in München nicht mehr. "Mit der offensichtlich geplanten Kürzung steigt der Bund mitten in der Fahrt aus der Verkehrsplanung der Zukunft aus."

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Bauminister Bernreiter will die ursprünglich so teuren Pläne der CSU nicht kampflos aufgeben und hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nach eigener Aussage schon Mitte April darum gebeten, "sich zu den bisherigen Vereinbarungen zu bekennen und die Planungen für die nächsten Schritte verlässlich darauf abzustellen. Eine Antwort habe ich bisher nicht bekommen", sagte Bernreiter.

Der Münchner Stadtrat hat indes seine Unterstützung für das Projekt bekundet. Außer FDP und Linke/Die Partei sprachen sich alle Fraktionen für einen Dringlichkeitsantrag der CSU aus. "Die nun erfolgte Kürzung der Förderung ist ein enormer Fehler und ein schwerer Schlag für den hiesigen Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort mit bundesweiten Folgen", heißt es darin. Man fordere die Regierungsparteien auf, die Förderung in zugesagter Höhe beizubehalten; der Standort müsse München bleiben. Man sei "nicht geneigt, eine abgespeckte Version zu machen", sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). "Das verstehen wir nicht unter Innovation."

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