Schlechte Haushaltslage:Deutsches Patentamt spart sich die Aufarbeitung seiner NS-Geschichte

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Schreibkräfte im früheren Reichspatentamt: Was in der Behörde während der NS-Zeit passierte, wird nun doch nicht erforscht. (Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo)

Nach mehr als 70 Jahren wollte die in München ansässige Behörde die Rolle des Reichspatentamts während des Nationalsozialismus untersuchen lassen. Nun wurde der Auftrag wieder gestoppt – weil das Geld fehlt.

Von Barbara Galaktionow

Der Präsident des früheren Reichspatentamts wurde von den Nationalsozialisten nach deren „Machtergreifung“ zügig ausgetauscht. Gegen jüdische Patentanwälte soll die Behörde rigoroser vorgegangen sein als gesetzlich vorgeschrieben. So viel ist bekannt. Doch wie positionierte sich das Amt generell in der NS-Zeit, und welche Handlungsspielräume hatte es? In welcher Weise trug es zur Enteignung jüdischer Patente-Inhaber bei? Wie ging es mit jüdischen Mitarbeitern um oder solchen, die als Gegner des Regimes galten? Und welche Rolle spielte das nationalsozialistische Erbe der Behörde in der Bundesrepublik? All diesen Fragen wollte die Nachfolgebehörde des früher in Berlin angesiedelten Reichspatentamts, das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) in München, mehr als siebzig Jahre nach Ende des Deutschen Reiches nachgehen.

Im August 2023 vergab das Patentamt ein entsprechendes Forschungsprojekt. Bis 2026 sollte es fertiggestellt sein. Doch über eine Vorstudie wird das Projekt nun erst einmal nicht hinauskommen. Wenig mehr als ein Jahr nach der Vergabe hat die Behörde das Forschungsvorhaben gestoppt. Der Vertrag mit dem Auftragnehmer sei zum 8. Oktober 2024 ordentlich gekündigt worden, teilt das DPMA auf SZ-Anfrage mit.

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Als Grund nennt die Behörde die „derzeitige Haushaltslage“ des Bundes. Das Patentamt habe vom Bundesjustizministerium für 2024 die Vorgabe erhalten, „nur das auszugeben, was zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs und zur Erfüllung unserer Kernaufgaben zwingend erforderlich“ sei. Man sei der Ansicht gewesen, dass das Projekt diese Vorgabe nicht erfülle. „Aus unserer Sicht konnten wir also nicht anders entscheiden“, sagt Pressesprecher Til Huber. Es habe Aufgaben gegeben, die sehr viel näher am laufenden Betrieb und trotzdem auch verschoben worden seien, unter anderem IT-Projekte. Zudem seien eigentlich vorgesehene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr eingestellt worden.

Die Entscheidung, das Forschungsvorhaben zu stoppen, sei „schwergefallen, weil uns das Projekt sehr wichtig ist“, betont man im Patentamt. Sobald es die Haushaltslage zulasse, wolle man es daher wieder aufnehmen. Auch das Bundesjustizministerium, dem das deutsche Patentamt unterstellt ist, teilt mit, dass die Einstellung des Projekts aus seiner Sicht „sehr bedauerlich, jedoch aufgrund der derzeitigen Haushaltslage unumgänglich“ sei.

Jeweils 150 000 Euro waren in den Planungen für die Jahre 2023 und 2024 bereitgestellt. Wie viel für Ausschreibung und Vorstudie bislang tatsächlich ausgegeben wurde, bevor das Projekt gestoppt wurde, dazu macht das Patentamt keine Angaben. Das zugrundeliegende Vertragsverhältnis enthalte eine Vertraulichkeitserklärung, weshalb man dazu sowie zur Person des Auftragnehmers keine Angaben machen dürfe. Bedeckt hält sich die Behörde auch bei der Frage, was die Vorstudie, die am 25. Januar 2024 abgenommen wurde, inhaltlich erbracht hat. „Im Kern kommt sie zu dem Schluss, dass ausreichend Quellenmaterial vorhanden ist, um eine umfassende historische Analyse im Sinne der Ausschreibung fortzuführen“, heißt es. Darüber hinaus liefere die Vorstudie „wertvolle Impulse für lohnende historische Fragestellungen sowie vertiefende weitere Forschungen“. Konkreter wird das Amt nicht.

Für 2026 hat das Patentamt nach eigenen Angaben bereits wieder Mittel für das Forschungsprojekt angemeldet. Es bleibe allerdings abzuwarten, welche Mittel der Haushaltsgesetzgeber der Behörde zuweise. Das Projekt soll dann noch einmal neu ausgeschrieben werden. Ob der bisherige Auftragnehmer, der sich ja bereits in die Materie eingearbeitet hatte, die Forschungen fortsetzen wird, ist keineswegs sicher. „Dem Auftragnehmer steht es frei, sich auf etwaige künftige Ausschreibungen zu bewerben“, teilt das Patentamt etwas lapidar mit. Weitere Angaben dazu könne man wegen der vereinbarten Vertraulichkeit nicht machen.

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