Bildung im Museum:Forscher sprechen über Moleküle und Gefühle

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Laura Verbeek in der Sonderausstellung „Gefühlssache“ im Deutschen Museum, die noch bis Ende September läuft. (Foto: Stephan Rumpf)

Laura Verbeek probiert im Deutschen Museum neue Wege der Wissensvermittlung aus. In einer aktuellen Sonderausstellung geht es um mentale Gesundheit.

Von Martina Scherf

Welche Emotion überwiegt bei dir in diesem Moment? Glücklich, traurig, verliebt, wütend, ängstlich, überrascht? Welches Gefühl überwog in den vergangenen drei Tagen? Welches möchtest du mehr erleben?

Fragen, die man in einem Technikmuseum nicht erwarten würde. Doch sie sind Teil der kleinen Sonderausstellung „Gefühlssache – ich bin dann mal bei mir“ im Deutschen Museum. An mehreren Stationen sind Besucherinnen und Besucher aufgefordert, sich mit dem eigenen Erleben auseinanderzusetzen. In einer Kabine sitzt man mit Kopfhörer und lauscht den Worten eines Mentalcoaches. Man soll die Augen schließen und sich an ein starkes Gefühl erinnern, sagt er. Dann geht es darum, Intensität und Wirkung dieser Erinnerung immer näher gedanklich zu umkreisen. An einer Videowand daneben sieht man verschiedene bewegte Bilder. Was löst der Anblick eines Sonnenblumenfeldes aus? „Schön – glücklich – sonnig“ schreibt ein Mädchen unter das Video auf dem Bildschirm. Zu einem Regenvideo fällt anderen ein: „allein“, „kalt“, „frozen morgen“, „Geigerzähler“.

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Laura Verbeek steht ein wenig abseits und beobachtet, wie sich klein und groß diesem Experiment aussetzen. Nicht alle nehmen sich so viel Zeit, wie nötig wäre, um tatsächlich mit den eigenen Gefühlen in Kontakt zu treten. Aber alle sind neugierig. „Und das ist schön zu sehen“, sagt die 37-Jährige.

Sie leitet das Team der Science Communication im Deutschen Museum und hat diese Ausstellung bei einer Konferenz in Heilbronn entdeckt, an der sie mit Lorenz Kampschulte, dem Leiter der Bildungsabteilung des Deutschen Museums, teilnahm. Das wäre doch einen Versuch wert, dachte sie. Der Platz ist beschränkt, nur 60 Quadratmeter stehen in München zur Verfügung, im Original ist die Ausstellung fast siebenmal so groß. Konzipiert wurde sie von der gemeinnützigen Gesellschaft „Gedankenkraftwerk“, die damit auch einen Beitrag zur mentalen Gesundheit leisten will. Laura Verbeek dachte sich: Und warum nicht die Besucher eines Technikmuseums dafür interessieren?

Gewohnte Pfade verlassen bei der Vermittlung von Wissenschaft, das ist der Auftrag, dem sich das kleine Team der Science Communication im Deutschen Museum verschrieben hat. Mal laden sie Forscherinnen und Forscher ein, vier Tage lang über Epigenetik zu diskutieren, mal ziehen sie eine Ausstellung an Land, mal gehen sie raus in die Stadt und werben bei Veranstaltungen wie dem Superball im Olympiapark fürs Museum und die Wissenschaft. Bei Aktionen im Haus geht es um Quantenphysik, um Licht und Materie oder den stärksten Klebstoff der Weltund manchmal eben auch um Gefühle.

Während der Corona-Pandemie wuchs das Interesse an Wissenschaft

Verbeek, im Rheinland aufgewachsen, kam nach dem Biologiestudium nach München. Das war im Jahr 2020, in der Hochphase der Corona-Pandemie, als plötzlich jeder über Viren, RNA-Impfstoffe und Übertragungswege redete. „Da wuchs das Interesse an Wissenschaft enorm, aber gleichzeitig traten auch viele Zweifler auf Plan“, sagt sie. Für Laien ist es tatsächlich nicht leicht nachzuvollziehen, wie Wissenschaft funktioniert, was etwa ein Peer Review ist (ein Verfahren, um die Qualität von neuen Studien zu begutachten), welche Unsicherheiten und Widersprüche es dabei möglicherweise gibt. „Das ist eine komplexe Sache“, sagt die Biologin, „und nicht leicht zu vermitteln. Aber wir versuchen, dafür neue Wege zu finden.“

Das kleine Team soll sich auch um die ständigen Ausstellungen im Museum kümmern und neue Forschungsergebnisse integrieren. Mit einer Handvoll Mitarbeiter und derzeit 20 großen Abteilungen ein eher aussichtsloses Unterfangen. So ist denn auch die Gesundheitsausstellung eröffnet worden, ohne dass die Erfahrungen der Pandemie umfassend thematisiert werden konnten. Lediglich eine RNA-Impf-Ampulle von Biontech fand Eingang in eine Vitrine. Und die Schautafeln der neuen Landwirtschaftsausstellung sind zwei Jahre nach der Eröffnung teilweise schon wieder überholt. Prognosen, die im Jahr 2022 enden, nützen Besuchern nicht viel.

Trotzdem ist Verbeek mit Engagement und vielen Ideen bei der Sache. Ihre Angebote richten sich nicht nur an Besucher und Schulklassen, sie veranstaltet auch Workshops für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Die mögen an wichtigen Themen arbeiten – aber wenn sie das den eigenen Eltern oder Freunden erklären sollen, fällt ihnen das oft schwer. Auch bei der Kommunikation untereinander hapert es gelegentlich. „Ein Softwareingenieur und ein Mediziner sprechen ganz verschiedene Sprachen“, sagt Verbeek, „sie müssen aber in der Praxis immer öfter zusammenarbeiten. Und wenn Forscher von Steuergeld bezahlt werden, sollten sie auch ihr Fach für Laien verständlich erklären können.“

Das Zukunftsthema Robotik wird im Deutschen Museum aus verschiedenen Blickwinkeln erklärt. (Foto: Catherina Hess)

Die Welt wird immer komplexer – künstliche Intelligenz, Klimawandel, Massentierhaltung, Bienensterben, Blockchain –, all diese Themen prasseln täglich auf die Mediennutzer ein. „Ich möchte da als Bürgerin einigermaßen informiert mitreden können“, sagt Verbeek. Das Museum sollte Menschen dazu in die Lage versetzen.

Verbeeks Kollege Moritz Schmid schreibt seine Doktorarbeit über Wissenschaftskommunikation. Er möchte herausfinden: Wann vertrauen Menschen einem Museum? Einige Befragungen hat er dafür unternommen. Die Ergebnisse sind noch nicht veröffentlicht, aber so viel kann man über die Besucher des Deutschen Museums schon mal sagen: Fast 80 Prozent von ihnen haben Abitur. Und als wichtigen Grund, warum sie wieder kommen, nennen sie: weil sie schon als Kind dort waren. Ein Fakt, der viele Studien über die Bedeutung frühkindlicher Bildung bestätigt.

Die Museumskommunikatorin sieht ihre Arbeit in einem größeren Kontext. „Die Gesellschaft driftet auseinander“, sagt Verbeek, „was da hilft, sind nicht nur Fakten, Fakten, Fakten, sondern vor allem auch Gemeinschaftserlebnisse.“ Etwas selbst ausprobieren dürfen, basteln, forschen, im Chemielabor experimentieren, sich einen ganzen Nachmittag lang Zeit nehmen und anschließend in der Gruppe darüber reden, das könne solch ein nachhaltiges Erlebnis sein. Besucher bestätigten das jedenfalls in Umfragen immer wieder. Und eine Ausstellung, in der man über Gefühle spricht, gehört da sicherlich dazu (bis Ende September).

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