Kritik:Sinn- und Sintflut

Rainald Grebe

Lüge oder Wahrheit? Rainald Grebe mit seinem Programm "Das Münchhausenkonzert".

(Foto: Jim Rakete)

Rainald Grebe kommt mit seinem "Münchhausenkonzert" nach München. Im Innenhof des Deutschen Museums zeigt er, wie düster er sein kann.

Von Oliver Hochkeppel, München

Nur lustig ging es bei Rainald Grebe noch nie zu. Stets schlichen sich nostalgische, düstere, mitunter tragische Untertöne in die Programme des Einmaligen, der mit seiner schillernden, nie eindeutigen Mischung aus Musik und Wort, aus dadaistischen Fantasien und knorrigen Alltagsanalysen, aus Bild-Collagen und Slapstick, aus intellektueller Hochkomik und zweckfreier Alberei fast schon ein eigenes Genre kreiert hat, das man vielleicht Greberett nennen könnte. So viel Düsternis freilich war nie wie bei der München-Premiere von "Das Münchhausenkonzert" im Innenhof des Deutschen Museums.

Acht Monate nicht mehr gespielt, dazu der Programm-Aufhänger - der 300. Geburtstag des "Lügenbarons" Freiherr von Münchhausen am 11. Mai 2020 - genauso vom Corona-Loch verschluckt wie sein eigener 50. Geburtstag im vergangenen Mai, und dann regnete es auch noch in Strömen. Das drückte schon auf den traditionellen Einstiegs-Dialog mit seinem Techniker Franz Schumacher und Grebes eigentlich heitere Posts seines "verbowlten" Lebens, in dem sich alles wohlgeordnet in Schüsseln wiederfindet. Auch der "Megageile Zeit"-Song klang noch ironischer als ohnehin. Beim von Münchhausen angeregten Leitthema Lüge und Wahrheit, eigentlich durchaus eine Vorlage für lustige Beiträge wie die Lieder vom Adel oder vom "Macher", schlug das Pendel schnell in Richtung Kant und den finalen Fakten aus.

Denn Grebe ist auch persönlich angefasst, hatte noch im Januar einen weiteren Schlaganfall aufgrund seiner Vaskulitis-Erkrankung. Und er verschweigt oder überspielt das nicht, sondern macht es unter anderem mit seinem ins Programm genommenen Lied "Der Tod" von der gerade erst erschienenen "Popmusik"-CD geradezu erschütternd zum Thema. Bis in die Zugabe mit einem Milli Vanilli-Cover zieht sich das, war dies doch nicht nur ein idealer Abgesang auf das Lüge-und-Wahrheit-Thema, sondern auch ein "Tribut an einen der beiden Tänzer, der unlängst an Covid gestorben ist". Dass Grebe freilich nicht ans Aufgeben denkt, demonstrierte die Schlussnummer "Die Tournee wird nie zu Ende gehen". Und wie befreiend Lachen gerade bei derart ernsten Angelegenheiten sein kann, bewies ganz am Ende seine zwerchfellerschütternde Schilder-Collage der "letzten Tourstationen von Milli Vanilli". Ein einzigartiger, emotionaler Abend, aus dem Grebe leicht den nächsten Programmtitel ableiten könnte: "Das Sintflutkonzert".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: