Jagdflugzeug mit unbekannter Herkunft:NS-Raubgut im Deutschen Museum vermutet

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Galt als bestes Jagdflugzeug des Ersten Weltkriegs: Von der „Fokker D.VII“ wurden einst in Schwerin rund 1000 Stück produziert. Heute sind weltweit nur noch sieben Exemplare erhalten. (Foto: Deutsches Museum)

Ein Jagdflugzeug aus dem Ersten Weltkrieg könnte NS-Raubgut sein, das haben Untersuchungen des Deutschen Museums ergeben. Die Maschine sollte wohl Hermann Göring, den Oberbefehlshaber der NS-Luftwaffe, entzücken.

Welche Geschichte hat die Fokker D.VII, die in der Flugwerft Schleißheim des Deutschen Museums ausgestellt ist? Die Frage birgt Brisanz, denn bei dem Jagdflugzeug aus dem Ersten Weltkrieg könnte es sich um Raubgut aus der Zeit der Nationalsozialisten handeln.

Das Deutsche Museum hat nun mitgeteilt, dass die Maschine im September ins Militärmuseum in Soesterberg in die Niederlande gebracht wird – zunächst für fünf Jahre. Dieser Entscheidung war eine deutsch-niederländische Forschungs-Kooperation vorausgegangen, die sich wie ein Wissenschafts-Krimi liest.

Das Deutsche Museum schildert diesen so: Die Fokker war nach dem Zweiten Weltkrieg von einer Einheit der „Monuments, Fine Arts & Archives Section“ der US-Armee in einem Schuppen in Vilsbiburg entdeckt worden. 1948 wurde sie ans Deutsche Museum übergeben. 1958 bekam das Flugzeug einen dauerhaften Platz in der Flugtechnik-Ausstellung, auf einer Texttafel wurde es als „bestes deutsches Jagdflugzeug am Ende des Ersten Weltkriegs“ gerühmt. Hermann Göring, späterer Reichsluftfahrtminister und Oberbefehlshaber der NS-Luftwaffe, war ein solches Modell als Kampfpilot geflogen.

Allerdings war die Maschine in der Ausstellung des Deutschen Museums gar nicht „deutsch“. „Wir wissen, dass unsere Fokker D.VII aus Beständen der niederländischen Marineflieger stammt“, sagt Andreas Hempfer, Kurator für Historische Luftfahrt am Deutschen Museum. Das beweisen Lackreste, die bereits 1980 unter der „deutschen“ Tarnbemalung gefunden wurden. „Was wir nicht wissen, ist, ob das Flugzeug als Geschenk oder als Raubgut nach Deutschland kam“, so Hempfer.

Von der Kennung, die unter der Tarnfarbe freigelegt wurde, sind ein „D“ und der untere Teil einer „2“ erkennbar. Von einer zweiten Ziffer ist nur der untere Rest erhalten. Es könnte eine 0, eine 6 oder eine 8 sein. „Die Kennzeichnung belegt eindeutig, dass es sich um ein ehemaliges Flugzeug der niederländischen Marineflieger handelt“, sagt Bernhard Wörrle, Provenienzforscher am Deutschen Museum. Aber welches? „Das ist für eine dauerhafte Rückgabe eine entscheidende Frage“, so Wörrle.

Spurensuche unter der Tarnlackierung: Die niederländische Kennzeichnung erkennen Experten schnell. Das große Rätsel aber ist die zweite Ziffer hinter dem „D“ und der „2“: Handelt es sich um eine „0“, eine „6“ oder eine „8“. Die Antwort würde helfen, die Herkunft der Maschine zu klären. (Foto: Deutsches Museum)

Zusammen mit Kollegen aus den Niederlanden hat er herausgefunden, dass die Maschine mit der Kennung „D 28“ 1937 dem Königlich Niederländischen Luftfahrtverband als Exponat für ein geplantes Nationales Luftfahrtmuseum überlassen wurde. „Wäre unsere Fokker diese Maschine, könnte es sich um einen möglichen Restitutionsfall handeln“, sagt Bernhard Wörrle.

Bei Untersuchungen wurden auf drei Verkleidungsblechen Plaketten mit der Inschrift „D 28“ gefunden. „Allerdings lassen sich diese Abdeckbleche unter Umständen auch austauschen“, sagt Andreas Hempfer. Bernhard Wörrle hat außerdem in den Akten des Deutschen Museums Dokumente gefunden, die eher in Richtung „D 20“ weisen. „Und auch am Flugzeug selbst gibt es eine Plakette auf dem Tank, die besser zur ,D 20‘ als zur ,D 28‘ passt.“ Denkbar ist auch, dass die Museums-Fokker aus Teilen beider Flugzeuge zusammengebaut wurde.

Zudem wurde die Maschine nicht nur umlackiert, sondern nachträglich auch wieder auf eine Motorisierung aus der Zeit des Ersten Weltkriegs umgerüstet. „Das heißt, egal, ob es die ,D‘ 20 oder die ,D 28‘ ist – die komplette Vorderpartie ist nicht original und stammt von mindestens einem weiteren Flugzeug“, sagt Wörrle.

Warum die Maschine umgebaut wurde, dafür wurde bei den Recherchen in niederländischen Geheimdienstunterlagen eine mögliche Erklärung gefunden: „Das Flugzeug sollte ursprünglich wohl ein Geschenk für Hermann Göring werden.“ Und dafür sollte die Maschine wie eine deutsche D.VII aus der Zeit des Ersten Weltkriegs aussehen.

Später war das Flugzeug dann wohl für ein von Göring in Berlin geplantes NS-Luftwaffenmuseum vorgesehen. Doch wurde das Flugzeug von den deutschen Besatzern zuvor tatsächlich beschlagnahmt beziehungsweise geraubt?

„Falls es sich um die ,D 28‘ handelt, könnte es auch sein, dass die Spitzen der niederländischen Luftfahrt das Museumsflugzeug damals den Deutschen freiwillig überlassen haben, um sich mit den neuen Herren gut zu stellen“, sagt Wörrle. Wenn es die ,D 20‘ ist, wäre der Fall deutlich weniger brisant: Die war damals nämlich kein Museumsstück, sondern nur noch ausgemusterter Flugzeugschrott.

„Es ist auch fraglich, ob sich der Fall jemals ganz klären lässt“, sagt Bernhard Wörrle. „Trotzdem wollten wir nicht einfach nichts tun und die D.VII mit ihrer fragwürdigen Herkunft so in der Flugwerft stehen lassen.“ Darum haben sich Deutsches Museum und die Stichting Koniklijke Defensiemusea auf eine Übergangslösung geeinigt: Die D.VII wird ab September zunächst für fünf Jahre an das niederländische Militärmuseum in Soesterberg verliehen, wo mit dem Flugzeug auch dessen besondere Geschichte ausgestellt wird.

„Das ist ein ganz hervorragender Kompromiss“, findet Wolfgang M. Heckl, der Generaldirektor des Deutschen Museums. Die gemeinsame Detektivarbeit von niederländischen und deutschen Forschern soll unterdessen weitergehen.

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