Deutsches Museum:Letzte Vorführung im Faradayschen Käfig

Deutsches Museum: Frank Dittmann im Faradayschen Käfig: Für den Versuch wird der Metallkörper geschlossen und zur Decke hoch gezogen, dann werden fast 300 000 Volt angelegt.

Frank Dittmann im Faradayschen Käfig: Für den Versuch wird der Metallkörper geschlossen und zur Decke hoch gezogen, dann werden fast 300 000 Volt angelegt.

(Foto: Catherina Hess)

An diesem Dienstag endet vorerst die beliebte Attraktion im Deutschen Museum. Dann werden Starkstrom-Experimente und Bergwerk für Jahre geschlossen. Kurator Frank Dittmann über die geplante Neuauflage - und ob es eigentlich schon mal eine Panne im Faradayschen Käfig gab.

Interview von Martina Scherf

An diesem Dienstag schlägt im Deutschen Museum zum letzten Mal der Blitz ein. Gewollt. Denn einmal noch finden Vorführungen in der Abteilung Starkstrom statt, bevor diese für Jahre geschlossen wird - zusammen mit einem Dutzend anderer Ausstellungen, die jetzt mit der Sanierung dran sind. Auch das beliebte Bergwerk muss ausgebaut werden. Letzte Gelegenheit also, diese Highlights des Museums noch einmal zu besuchen. Frank Dittmann ist Kurator für Energietechnik, Starkstromtechnik und Automation. Er hat Elektrotechnik studiert und an der TU Dresden in Technikgeschichte promoviert. Er ist im Museum der Mann für Strom, Blitze und Roboter.

SZ: Herr Dittmann, Sie lassen es jetzt zum Abschied nochmal richtig krachen. Wie oft saßen Sie selbst schon im Faradayschen Käfig?

Dittmann: Ich bin jetzt seit 2005 am Deutschen Museum und da hab ich mich natürlich schon ein paar Mal reingesetzt. Davor hatte ich diese Möglichkeit nie.

Als Elektroingenieur lassen Sie 300 000 Volt vermutlich kalt?

Na, der Effekt ist mir natürlich bekannt. Aber es ist trotzdem spannend, weil die Wirkung ganz anders ist, als man sich das vorstellt. Man setzt sich rein, dann werden fast 300 000 Volt angelegt. Aber da knistert oder kribbelt nichts, die Haare stehen einem nicht zu Berge, es ist nicht mal besonders laut. Man muss nur schwindelfrei sein. Wir hängen die Kugel unter die Decke. Rund 400 000 Leute haben sich das jedes Jahr im Deutschen Museum angeschaut. Die Faszination, Elektrizität und Wissenschaft so hautnah zu erleben, ist ihnen immer an den Gesichtern abzulesen.

Stimmt es, dass Michael Faraday, der Entdecker des Effekts, im Jahr 1836 den Versuch erst an seinen Haustieren, dann an seinem Diener testete, bevor er sich selbst in den Käfig setzte?

So geht die Legende, und sie ist naheliegend, denn Wissenschaft war damals ja noch eine sehr elitäre Angelegenheit. Das würde heute natürlich nicht mehr so funktionieren (lacht).

Gab es jemals eine Panne bei dem Versuch im Deutschen Museum?

Nein! Das darf auch nicht passieren. Unsere Mitarbeiter werden sorgfältig ausgewählt und geschult, sie müssen eine elektrotechnische Ausbildung haben, damit sie ein Gespür für die Gefahr mitbringen, und jeden Tag eine Checkliste ausfüllen. Es geht hier schließlich um Leben und Tod.

Hatten Sie gelegentlich besondere Vorführungen?

Wir hatten mal die Anfrage einer Psychotherapeutin. Sie hatte einen Angstpatienten, der durch einen Blitzschlag traumatisiert worden war. Ihre Idee war, dass er sich in den Käfig setzt und damit seine Angst überwindet. Hat geklappt.

Sie lassen auch Blitze sich auf einer Glasplatte entladen und in ein Modellbau-Dorf einschlagen. Gab es Filmaufnahmen, einen Tatort?

Künstler wollten mal die Schmauchspuren des Blitzes auf einer Leinwand festhalten. Das hat nicht funktioniert, denn unser Blitz ist ja mit einer Million Volt ein Mini-Blitzchen im Vergleich zur Natur, wo sie 100 Millionen Volt haben.

Eine Million Volt klingt trotzdem bedrohlich ...

Ja, es ist viel, aber wenn Sie mit elektrisch aufgeladener Kleidung über einen Teppich laufen oder an eine Türklinke fassen und es knistert, dann entladen sich da auch schon 50 000 Volt. Der Faktor Zeit ist entscheidend. Unser Strom ist extrem kurz und entwickelt deshalb wenig Energie, trotz der hohen Spannung. Unsere Blitze haben also geringe Energiekosten.

Man dürfte trotzdem nicht die Hand reinhalten.

Auf keinen Fall! Ein Fernsehteam wollte mal dokumentieren, was passiert, wenn ein Blitz einen menschlichen Körper trifft. Sie wollten ein Schnitzel in unsere Anlage legen. Das haben wir abgelehnt. Mal abgesehen davon, dass man den Geruch von verschmortem Fleisch ja nicht filmen kann, fanden wir das unethisch.

Bekommen Sie gelegentlich auch Anrufe von besonders interessierten Bürgern?

Ja, manche wollen dann zum Beispiel wissen, was passiert, wenn ein Blitz in ihr Segelboot einschlägt, wenn sie auf See sind. Da braucht es eine Erdung, in dem Fall vom Mast bis ins Wasser. Oder sie streiten mit der Versicherung, weil bei einem Blitzeinschlag ihr Fernseher kaputt ging. Aber ich bin doch kein Gutachter! Da kann ich nicht helfen.

Die Anlage wird jetzt abgebaut, kommt sie im gleichen Umfang wieder?

Ja. Sie ist nicht nur ein Publikumsmagnet, sondern auch ein wichtiges Stück Technikgeschichte und in dieser Form die einzige ihrer Art, weltweit. Als Hans Prinz - er war Professor für Hochspannungs- und Anlagentechnik an der Technischen Hochschule München - sie 1953 im Deutschen Museum eröffnete, gab es eine solche Anlage an der Hochschule noch nicht, deren Hochspannungshalle wurde erst 1963 fertig. Prinz hatte die geniale Idee, Strom sichtbar zu machen. Die Anlage wird in der künftigen Ausstellung einen eigenen Raum bekommen, mit Zuschauerrängen und einer Hochgeschwindigkeitskamera, damit man den Blitz in Zeitlupe noch besser sehen kann.

Sie sind ja für den gesamten Bereich Energie zuständig. Das ist ein großes Thema: Wo kriegen wir unsere Energie her, wenn wir von Kohle, Öl und Gas wegwollen, aber Erneuerbare noch nicht genug ausgebaut sind und die Speicherfrage nicht gelöst ist. Wird sich die Ausstellung in Zukunft sehr verändern?

Wir werden auch in Zukunft die Grundlagen unserer Energieversorgung erklären: Woher kommt der Strom, wie hat sich die Technik entwickelt. Aber natürlich müssen wir auch in die Zukunft schauen, auch wenn niemand genau sagen kann, wie die Situation in zehn Jahren aussieht. Bei Energiespeichern reden wir heute von Akkus, aber in ein paar Jahren gibt es vielleicht viel mehr Wasserstoff-Speicher. Die Smart-Grid-Technologie schreitet voran, also die intelligente Vernetzung von stromverbrauchenden Geräten, oder das Energy-Harvesting. Das liefert Strom für die vielen Sensoren, die wir in einer digitalisierten Welt haben werden. Energy-Harvesting verhindert auch, dass man etwa bei einem Herzschrittmacher oder einer implantierten Insulinpumpe alle paar Jahre die Batterie wechseln muss. Um flexibel zu bleiben, müssen wir Exponate leicht austauschen können, ohne das Gesamtkonzept zu stören. Vor allem muss man die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen im Blick haben: Was setzt sich durch? Was wird akzeptiert? Denn die Energiewende wird ja nicht vorrangig durch die Technik bestimmt. Sonst wären wir längst weiter. Da spielen politische, juristische, wirtschaftliche Aspekte die Hauptrolle.

Wenn Sie jetzt die Abteilung räumen müssen, dann werden Sie alle Exponate neu bewerten. Was bleibt, was kommt weg?

Richtig, und es steht ja nur ein Bruchteil der Objekte in den Ausstellungen, ein Vielfaches lagert in unseren Depots. Die platzen aus allen Nähten und kosten sehr viel Geld. Trotzdem müssen wir in jedem einzelnen Fall entscheiden: Was sollten wir neu aufnehmen? Von was können wir uns vielleicht trennen, "entsammeln" heißt das bei uns? Was muss restauriert werden? Das sind keine einfachen Entscheidungen. Manches, wie Messgeräte, haben wir gleich im Dutzend, anderes hätten wir vielleicht noch gerne wie zum Beispiel die elektronischen Stromzähler.

Sie sind auch für die Robotik zuständig, die in Kürze neu eröffnet wird. Da hatten Sie vermutlich das gleiche Problem: Die Entwicklung schreitet rasant voran.

Genau, das hat uns bei der Planung ein paar Mal eingeholt. Die Drohnen hatten wir zum Beispiel anfangs nicht so im Fokus. Heute lässt fast jeder so ein Ding fliegen, und das mit Kamera. Wir zeigen jetzt eine militärische Drohne in der Ausstellung. Denn wie so oft, wurde die Entwicklung vor allem vom Militär unterstützt. Von dort kommt ein Großteil der Forschungsgelder. Es war mir wichtig, auch dies zu zeigen.

Was ist das Highlight in der neuen Robotik?

Ich will noch nicht alles verraten. Aber wir stellen eine humanoide Roboter-Dame von 2009 vor, wir haben einen Gitarre spielenden Roboter - und noch viel mehr!

Am Dienstag, 28. Juni, ist der alte Gebäudeteil des Deutschen Museums - mitsamt der Hochspannungsanlage, dem Bergwerk, der Schifffahrt und einem Teil der Luftfahrt - zum letzten Mal vor der Sanierung zugänglich. An diesem Tag wird die Hochspannungsanlage fast durchgängig bespielt, von 10 bis 16.30 Uhr. Für Besucherinnen und Besucher, die an dem Tag im Faraday'schen Käfig sitzen wollen, sind bereits Plätze verlost worden. Alle anderen dürfen zuschauen, wenn es blitzt und kracht. Am 8. Juli werden dann 19 neue Dauerausstellungen im schon sanierten Teil der Museumsinsel präsentiert, von Atomphysik und Gesundheit bis zu Landwirtschaft und Robotik. Öffnungszeiten des Museums: täglich 9 bis 17 Uhr.

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