Süddeutsche Zeitung

Deutsches Museum:Eine Frage der Kohle

Das legendäre Bergwerk im Deutschen Museum in München könnte zum Opfer der Sanierung werden. Zunächst wollte der Denkmalschutz die Gipskulissen retten, nun darf wohl doch viel weggeschmissen werden.

Von Thomas Becker

Ein düsterer Gang führt hinab zur vielleicht beliebtesten Ausstellung des Deutschen Museums. Das Bergwerk ist legendär, es gibt wohl nicht viele Münchner, die noch nie in ihrem Leben in diese Kunstwelt unter Tage eingetaucht sind. Als sie im Zuge des zweiten Abschnitts der Sanierung des Museums im vergangenen Frühjahr zugesperrt werden musste, war das Bedauern groß - und die Zukunft ungewiss. Denn ob das Bergwerk jemals wieder eröffnet werden kann, war unklar. Doch inzwischen lebt die Hoffnung wieder. Und die hängt - wie könnte es anders sein - an der Kohle.

Die Generalsanierung des Deutschen Museums ist hoffentlich keine unendliche Geschichte, aber eine langwierige und teure Angelegenheit ist sie allemal. Schon seit 2015 werden das Gebäude, der Brandschutz sowie die gesamte Technik modernisiert. Sämtliche Leitungen, der Innenputz bis runter auf den Rohbau müssten zurückgebaut werden, erklärt Uta Dietze, Vize-Generalbevollmächtigte Bau. 445 Millionen Euro sind schon in den ersten Bauabschnitt geflossen, der im Sommer des vergangenen Jahres abgeschlossenen wurde.

Wie teuer der zweite Abschnitt wird, daran hängt auch das mögliche Comeback des Publikumslieblings Bergwerk: Denn sollte der Ausbau der denkmalgeschützten Kulissen der Ausstellung günstiger kommen als erwartet, könnte man den eingesparten Betrag womöglich für die Konzeptionierung und den Wiederaufbau einer neuen Bergwerks-Ausstellung verwenden. Also doch noch nicht Schicht im Schacht?

Uta Dietze geht voran, vorbei am alten Eingang des Bergwerks, wo früher ein fünf Tonnen schwerer Bohrer hing. Heute wird der Schacht als Aufzug genutzt, irgendwie muss all das Material von unter Tage ja nach oben, um ins Depot oder auf den Müll transportiert zu werden. An genau diesem Punkt wird es spannend: Was darf man wegwerfen? Und was muss erhalten werden?

Das bayerische Landesamt für Denkmalpflege hatte zunächst große Teile des Bergwerks unter Denkmalschutz gestellt. Das aber macht die Arbeiten deutlich komplizierter und damit teurer. Was für den Museumsbesucher wie echtes Gestein aussieht, ist in Wahrheit zum Großteil kunstvoll gestalteter Gips. Etliche Probeschnitte waren nötig, um überhaupt eine Idee davon zu bekommen, ob und wie es möglich ist, diese 100 Jahre alten Kulissen unfallfrei abzutragen, einzulagern und womöglich wiederzuverwenden. Manche Konstruktionen lassen sich einigermaßen gut ablösen, andere lösen sich in Wohlgefallen, sprich: Brösel, auf.

Alles im Sinne des Denkmalschutzes zu bewahren, wäre also eine herkulische Herausforderung. Außerdem müsste die Ausstellung modernisiert werden, schließlich hat sich die Technik unter Tage stets weiterentwickelt. Eine neue Ausstellung müsste auch neue Methoden abbilden. Doch die Frage, wer das inhaltlich betreuen könnte, ist ebenfalls offen. Der bisherige Kurator Andreas Gundelwein hat das Haus zu Jahresbeginn verlassen, um in Mannheim die Direktion des Technoseums zu übernehmen. Die Suche nach seinem Nachfolger läuft gerade. Eine der letzten Amtshandlungen Gundelweins in München war die grobe Kostenschätzung für ein neues Bergwerk: zehn Millionen Euro - so teuer wie keine andere Ausstellung auf der Museumsinsel.

Zurück zum Gips. Nach vielen Treppenstufen steht Uta Dietze mitten im verlassenen Bergwerk und klopft gegen die Wand. Viele Exponate sind bereits verpackt und ins Depot geschafft worden, andere - wie zum Beispiel eine Lore voller Kohle oder zwei lebensgroße Kumpel - liegen abholbereit und mit Barcodes versehen auf Paletten und warten auf ihren Abtransport. Der Großteil der Gips-Kulissen aber ist noch an Ort und Stelle, weil noch immer nicht final beschlossen ist, was davon erhalten bleiben muss und was weg kann. Vereinfacht gesagt geht die Rechnung so: Je weniger denkmalgeschütztes Material zerstörungsfrei ausgebaut werden muss, desto mehr Geld bleibt für ein neues Bergwerk übrig.

Das Museum bemühte sich deswegen um einen Kompromiss mit der Denkmalschutzbehörde, der sich laut Dietze nun auch abzeichne. Inzwischen habe man sich darauf einigen können, dass nicht alles unter Denkmalschutz steht, dass sogar ein Großteil der Gesteinskulissen entsorgt werden dürfe. Die Rede ist von 85 Prozent, die auf dem Müll landen können. Das spart enorm viel Geld: Vier der eingeplanten sieben Millionen Euro für den Ausbau könnten so womöglich übrig bleiben, schätzt Uta Dietze. Das wäre zumindest ein finanzieller Anfang für den Aufbau einer neuen Ausstellung.

"Die Frage ist nicht ob, sondern wann."

Seit einem Jahr berät die Bamberger Pro Denkmal GmbH das Museum bei den diffizilen Verhandlungen mit dem Denkmalamt - und beim restauratorischen Ausbau der alten Kulissen. Die Arbeiten seien derart anspruchsvoll, dass man dafür hochqualifizierte Fachleute benötige, berichtet Dietze. Zunächst habe man mit Kirchenrestauratoren gearbeitet, mittlerweile seien vor allem Betonschneider-Fachleute mit ihren speziellen Gerätschaften gefragt.

Viele Exponate müssen auch einfach mal vermessen und gewogen werden, wie zum Beispiel der mehrere Zentner schwere Siemens-Stauschalter, an dem sich gerade drei Arbeiter zu schaffen machen. An der Wand: ein vergilbtes Merkblatt für die Bedienung elektrischer Blindschacht Förderhaspel sowie "Leitsätze zur Bekämpfung von Bränden in elektrischen Anlagen und in deren Nähe" aus dem Jahr 1932.

Noch eine Treppe weiter runter und man steht im sogenannten Salz-Raum auf der untersten Ebene des Bergwerks. Auch hier: Substanzschäden am Beton, mit verursacht durch das ein oder andere Isar-Hochwasser aus den Zeiten, als es noch keine Schutzmauer um das Gebäude gab. Neben dieser Ebene wird es künftig noch ein weiteres Untergeschoss geben müssen, erklärt Dietze, "für die Haustechnik".

Im Herbst 2028, zum 125-jährigen Bestehen des Deutschen Museums, soll der zweite Bauabschnitt fertiggestellt sein. Ob es dann auch wieder ein Bergwerk zu bestaunen gibt? "Das Museum will auf jeden Fall wieder ein Bergwerk haben", verspricht Uta Dietze. "Die Frage ist nicht ob, sondern wann."

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