Inklusion:Deutsches Museum will barrierefrei für alle Menschen sein

Inklusion: In der Ausstellung zur Gesundheit informierte sich VdK-Präsidentin Verena Bentele über die unterschiedlichen Gelenke des Menschen.

In der Ausstellung zur Gesundheit informierte sich VdK-Präsidentin Verena Bentele über die unterschiedlichen Gelenke des Menschen.

(Foto: Lorenz Mehrlich)

Nicht nur die Zugänge zu den Ausstellungen sollen barrierefrei sein, sondern auch die Naturwissenschaft für alle erlebbar.

Von Sven Loerzer

Es sind beeindruckende Exponate, die da zu sehen sind, in der Ausstellung zur historischen Luftfahrt im Deutschen Museum. Doch der Junkers F13, einem Verkehrsflugzeug, das 1919 seinen Erstflug absolvierte, kehrt die Besucherin den Rücken zu. Zwei kleine Modelle im Maßstab 1:48 faszinieren die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele. Ihre Finger tasten das in einem Edelstahl-3D-Drucker gefertigte Modell des ersten Passagierflugzeugs in Ganzmetallbauweise ab. "Da war die Passagierkabine", sagt Bentele. Dann wechselt sie zu dem Modell der Dornier A/Libelle, einem Kleinflugboot, das 1921 seinen Erstflug hatte. Ihre Finger untersuchen die Maschine, sie fühlt die Stummelflügel unten am Rumpf. "Ein Wasserflugzeug habe ich mir nie vorstellen können."

Tastmodelle seien für blinde Menschen enorm wichtig, betont die ehemalige Biathletin und Skilangläuferin. Denn "es werden immer Details vergessen, wenn Sehende einem etwas erklären". Und darüber hinaus sei ja ein "haptischer Eindruck auch für andere Menschen schön".

Bei der Modernisierung des Museums "haben wir viel Wert darauf gelegt, dass wir ein Haus für alle sind", sagt Generaldirektor Wolfgang M. Heckl. Davon konnte sich jetzt Verena Bentele bei einem Rundgang überzeugen. So sind jetzt nicht nur sämtliche Ausstellungen auf der Museumsinsel per Rampe, Aufzug oder Hublift zugänglich. Bauliche Herausforderungen bei einem vor fast 100 Jahren eröffneten Haus, wie das Sandra Kittmann nennt, im Deutschen Museum für Barrierefreiheit zuständig. Noch kämpfe man mit Türen, an den Hubliften müsse man auf die Bedienung mit dem Schlüssel warten aus versicherungsrechtlichen Gründen. "Barrierefreiheit muss in den Köpfen ankommen", erklärt Kittmann. Es gehe nicht um "Sonderlösungen für Randgruppen", sondern "alle Menschen sollen lernen können". Ganz gleich welchen Alters, welcher Bildung, welcher seelischen und körperlichen Verfassung, das Museum wolle "alle Besucher von der Faszination der Naturwissenschaften überzeugen", sagt Heckl.

Bei Verena Bentele ist das schon gelungen. Während eines zweistündigen Rundgangs überzeugte sie sich davon, wie das Museum blinden und sehbehinderten Menschen die Ausstellungen in dem ersten, sanierten Teil des Hauses erschließt, der im vergangenen Jahr eröffnet wurde. Tastreliefs und Tastgrafiken, Braille- und Prismenschrift, Audioinformationen, Führungen in Gebärdensprache, Erklärungen in einfacher Sprache und eine kostenlose Museums-App erleichtern den Zugang.

Ein besonderes Erlebnis für Bentele sind die berühmten Sonnenblumen des Malers Vincent van Gogh als tastbares Bild - von einer Künstlerin in Bronzeguss übertragen. Selbst was da Vorder- und Hintergrund sei, "kann man ganz gut begreifen", sagt Bentele. Stark beeindruckt hat sie das für sehbehinderte Kinder vom Deutschen Museum entwickelte und im Kinderreich des Museums ausleihbare Tastbuch "Oh Schreck, Elise ist weg". Bentele, von Geburt an blind, hatte nur ein einziges Tastbuch. "Es gab nichts, als ich klein war, das war sehr schade. Ich hätte mir als Kind echt gewünscht, dass es so was gibt. Eine schöne Idee."

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