Süddeutsche Zeitung

Deutsches Museum:Durch die Welt des Kaffees

Das Deutsche Museum widmet dem Lieblingsgetränk der Deutschen eine Sonderausstellung, die alle Sinne anspricht, mit Mythen aufräumt - und die dunkle Seite des Erfolgs des Kaffees beleuchtet.

Von Martina Scherf

Der Weg durch die Welt des Kaffees beginnt in einer echten Plantage. Grüne Stauden, weiße Blüten, rote Früchte, ein Duft von Jasmin. Im Hintergrund zwitschern exotische Vögel, und wer den Blick hebt, sieht auf bewegten Bildern, wie ein leichter Wind durchs afrikanische Hochland weht. Die perfekte Einstimmung, um sich mit der Deutschen liebstem Getränk zu beschäftigen: 162 Liter Kaffee trinken sie pro Kopf im Jahr, mehr als Wasser oder Bier. Doch die grüne Bohne, die durch das Rösten bis zu 1000 verschiedene Aromen entfaltet, erzählt noch viel mehr Geschichten als jene von Genuss oder morgendlichem Doping. Dem "Treibstoff, ohne den kein Tag beginnt", wie Generaldirektor Wolfgang Heckl zugibt, widmet das Deutsche Museum seine neue, anregende Sonderausstellung "Kosmos Kaffee".

Sehen, hören, riechen, schmecken, die verschiedenen Stationen dieser interaktiven Schau sprechen alle Sinne an. Wie verändert die Bohne beim Rösten ihre Farbe? Warum knackt sie beim Erhitzen? Wie unterscheidet sich das Karamell- vom Schokoladen- oder Johannisbeer-Aroma? Natürlich geht es in einem Technikmuseum auch um Biologie, Chemie, Ingenieurskunst. Das Kaffeemolekül ist der menschlichen DNA ähnlich, erklärt Heckl, der Nano-Physiker, "kein Wunder".

Macht Kaffee impotent, wie es früher hieß? Leben Kaffeetrinker länger? Und wie wirkt das Genussmittel überhaupt auf Gehirn und Kreislauf? Mit solcherlei Wissen versorgt, lässt sich während bestimmter Vorführungen beobachten, wie die grünen Bohnen zu aromatischem Röstkaffee veredelt werden. Früher haben Hausfrauen den Kaffee zu Hause im Ofen geröstet. Heute rösten Industriebetriebe fünf Tonnen pro Stunde.

Die Kaffeepflanze ist ein empfindliches Gewächs, sie mag es nicht zu sonnig, aber auch nicht kalt. Der Klimawandel macht ihr zu schaffen, deswegen suchen Agrarwissenschaftler fieberhaft nach neuen Anbaumethoden und -regionen. Mit einem Tablet und Augmented Reality können Besucher selbst eine Staude pflanzen und beobachten, wie sie sich unter bestimmten Bedingungen entwickelt.

Weiter geht es nach Italien, wo noch immer die schönsten Kaffeemaschinen herstammen. Einige dieser Exemplare stehen in einem Designregal: von der ersten Bialetti aus dem Jahr 1933 bis zum 400 000 Euro teuren Luxusautomaten aus dem Hause La Pavoni. Als im Zweiten Weltkrieg das Aluminium für die Rüstungsindustrie gebraucht wurde, wäre Bialetti beinahe pleite gegangen, liest man. Doch in den Fünfzigerjahren ging es wieder bergauf, und Italiener kochen noch immer am liebsten mit der kleinen, achteckigen Kanne, die man auf den Herd stellt.

Es geht aber auch um Ökonomie und Welthandel. Angebaut wird der Kaffee im globalen Süden, konsumiert wird er vor allem im reichen Norden. Sein weltweiter Erfolg beruht auf dem grausamen Sklavenhandel, auch dies wird in der Ausstellung gezeigt. So ist das Genussmittel auch ein Symbol für die unfaire Weltwirtschaft, bis heute. Der Preis sinkt seit Jahren, große Konzerne bestimmen den Markt, Kaffee ist Objekt für Börsenspekulanten. An einer Börsenwand mit interaktivem Spiel kann jeder selbst mit Kaffee handeln. Die Leidtragenden sind die Kleinbauern: Die meisten können sich das Luxusgut selbst nicht leisten. "Eine durchschnittliche Familie verdient nur 80 Cent pro Kilo Kaffee, das sie erzeugt", erklärt Kuratorin Sara Marquart. "Sie bräuchte aber 1,40 Dollar, um in bessere Anbaumethoden investieren zu können." So gehen viele Kinder dieser Bauern mit aufs Feld anstatt in die Schule. Welche Labels für fairen oder ökologischen Anbau stehen, wird ebenfalls in der Ausstellung erklärt.

Und dann steht Kaffee ja auch noch für Gemeinschaft, Palaver und gesellschaftlichen Fortschritt. 1554 eröffnete das erste Kaffeehaus der Welt in Konstantinopel. In den Wiener Kaffeehäusern trafen sich die Revoluzzer, und was wäre die weibliche Emanzipation ohne das Kaffeekränzchen, unter Ausschluss der Herren?

Alle Tassen im Schrank, so könnte der Titel über der Schlussstation lauten, die verschiedenste Trinkgefäße versammelt. "Dort stehen auch Tassen, die wir mitsamt ihren persönlichen Geschichten von unseren Besuchern schon bekommen haben und hoffentlich noch bekommen werden", sagt Ko-Kuratorin Melanie Jahreis.

Fehlt nur noch der Genuss. Auch daran ist gedacht. Am Ende wartet eine Kaffeebar, betrieben von einer kleinen Münchner Privatrösterei, die verschiedene Sorten anbietet, gepresst, gebrüht oder gefiltert.

Kosmos Kaffee im Deutschen Museum, von Donnerstag, 4. Juli, an, täglich 9 bis 17 Uhr; zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erschienen

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SZ vom 03.07.2019/lfr
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