Künstlerin aus München:"Warum soll alles so klingen, wie es eh schon klingt"

Künstlerin aus München: Sie macht einfach ihr Ding: die Soul-Sängerin Ami Warning.

Sie macht einfach ihr Ding: die Soul-Sängerin Ami Warning.

(Foto: Stef Zinsbacher)

Soul-Sängerin Ami Warning bedient in ihrem Kiosk gerade einen Lotto-Kunden - da erfährt sie vom Gewinn des "Deutschen Musikautorinnenpreises" in der Sparte Newcomer. Genau rechtzeitig zum vierten Album.

Von Michael Zirnstein

Während Ami Warning in ihrem Kiosk einen Lotto-Kunden bediente, erhielt sie selbst eine gewinnbringende Nachricht. Wie?, fragt da sicher der eine oder andere Musikkenner, der den Namen Ami Warning aus dem gehobenen Radioprogramm kennt: Hat die junge Sängerin mit der raureifen Stimme, Hoffnungsträgerin der hiesigen Pop-Welt, etwa auf Tante Emma umgesattelt? Nein, so weit würde nicht mal Corona sie bringen, aber sie ist nun dennoch stolze Betreiberin eines Eckladens in Laim, an der U-Bahn Friedenheimer Straße, Ausgang Camerloherstraße, zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Freund Matthew Austin.

Wie?, fragt da der Pop-Kenner weiter, jener aus Manchester stammende Songwriter Matthew, mit dem Ami schon Pärchen-Konzerte gab, aber nie ein Duo-Album zustande brachte, mit dem solle es beim Kippen- und Kaffee-Verkaufen klappen? Genau, so ist es, erklärt Ami, nur gemeinsam Musik machen sei kompliziert, sie liebe seine Sachen, er liebe ihre, aber zusammen ginge das "irgendwie" nicht. Ami Warnings Musik ist Seelensongwriting als One-Woman-Show, manchmal gerne mit Begleit-Band.

Und was ist denn nun mit dem Gewinn? Ja, genau, in ihrer "Papier Boutique" (so steht da noch von den Vorbesitzern) klingelte also das Telefon, und eine Stimme sagte, sie habe den "Deutschen Musikautor*innen-Preis" gewonnen. Und 10 000 Euro. Und "herzlichen Glückwunsch".

Warning war ziemlich erstaunt, weil sie von diesem Preis noch nie etwas gehört hatte, geschweige davon, nominiert worden zu sein. "Aber das klang schon echt." Und so ist es: Am 24. März wird sie nach Berlin fliegen, um im Hotel Ritz Carlton wohl im Beisein von Bundeskulturministerin Claudia Roth in einer Zeremonie, die von den Münchner Kollegen Fiva und Roger Reckless moderiert wird, Urkunde und Scheck anzunehmen.

Die Jury war mit hochgeschätzten Mitgliedern besetzt

Inzwischen weiß sie, dass dieser Preis der wie sie in München beheimateten Musikrechte-Gesellschaft Gema ein angesehener ist, und dass auch die Jury mit hochgeschätzten Mitgliedern besetzt war. Etwa mit der Songwriter-Kollegin Alin Coen, auf deren Tour im Mai Ami Warning das Vorprogramm spielen wird. Oder mit Ebow, jener ehemals Münchner Rapperin, die in Wien und jetzt in Berlin solo und mit den Gaddafi Girls eine Macht im klugen Hip-Hop geworden ist.

Ami und Ebow schätzen sich gegenseitig, und verfolgen ihre Karrieren. Ebow sagt, sie stehe "zu 1000 Prozent zu Ami und ihrer ganzen Arbeit" und freue sich sehr, dass die Jury sich für sie entschieden hat. "Sie ist eine der letzten von uns, die in München geblieben ist, und gehört voll supportet, auch als schwarze Künstlerin", und weil sie "ihre Message eingearbeitet" habe. Warning ist keine Rapperin, sondern ganz Soul-Sängerin, aber im Flow und und in den Beats tüftelt und fühlt sie doch sehr hip-hoppig.

Jedenfalls fühlt sie sich verstanden von der Jury, wenngleich die Kategorie "Newcomerin" nach acht Jahren und vier Alben ziemlich spät kommt für sie. Besser spät als nie, und tatsächlich erfindet sich die 26-Jährige mit jedem Projekt neu. "Der Preis ist eine Bestätigung dafür, dass man es total anders machen kann, und dass es gesehen wird", sagt sie. Denn gerade, als sie in ihren Versen von Englisch zu Deutsch wechselte, hätten sie viele Gute-Ratschlag-Geber bombardiert, sie solle es doch so machen, wie man eben deutschen Soul macht, und es mal in Songwriting-Workshops versuchen. "Aber ich verstehe gar nicht, warum alles so klingen soll, wie es eh schon klingt, und ich nicht einfach mein Ding machen kann."

Ihr neues Album ist "ein eher nicht kommerzielles Zwischending"

Ihr Ding ist gerade "Kurz vorm Ende der Welt". Ein neuer Versuch, sich zu ergründen und auszudrücken, acht Stücke im Alleingang "aus dem Bauch heraus" im Wohnzimmer aufgenommen. Außer ihr ist nur Vater Wally Warning, selbst Reggae-Popstar, einmal an den Percussions zu hören, und einmal spielt ihr Freund E-Gitarre.

Sonst hat sie sich ganz allein in einen neuen Sound versenkt, "tanzbare Songs" sollten es werden. Sind es auch, vielleicht eher, wie wenn man sich bekifft hinter zugezogenen Vorhängen bewegt, zu schlurfig-schönen Dope-Beats und magisch-leierndem, verzaubertem, halluzinogenem Klingklang, wie in "Simsalabim", das ihren vor einer Weile erkrankten, sich veränderten Vater hochleben lässt. Es sei ihr persönlichstes Album. Sie nennt es "Mixtape", hat es beim Abmischen sehr roh gelassen und verkauft es auch nur über ihre Internetseite, auch als Musikkassette. Es sei "ein eher nicht kommerzielles Zwischending", sagt sie.

Es ist jeden Preis wert. Wobei es den Gema-Preis freilich nicht für ein Album, sondern für das Gesamtkunstwerk Ami Warning gibt. Und vor allem für ihre Textdichtkunst mit der deutschen Sprache. Die klingt salopp, scheinbar naiv. Sie streicht immer alles, was sich nicht so anfühle, als würde sie es genau so auch sagen.

"Hallo Kinder, seid ihr alle da? Die Antwort auf alle eure Fragen ist ja. Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt", singt sie im Song "Hallo Kinder". Ehrlicher findet man kaum andere deutsche Soulsongs. Das wirkt kindlich, aber im Sinne des Kindes, das in jedem steckt und träumt vom "Schlaraffenland" und Fragen in Gebete steckt: "Lieber Gott, bitte hilf mir zu verstehen, sind wir alle hier nur gekommen, um zu gehen?" ("Es ist wie es ist"). Sie träumt aber nicht nur, sie beobachtet auch, sie tut und lässt geschehen.

Jeder mag sie, der ihr zuhört

Ihre Texte bewegen. Von weither bekommt sie Mails, dass Menschen Deutsch mit ihren Liedern lernen. Das haben verschiedene Goethe-Institute bemerkt, die sie in ihre Länder eingeladen haben. Nach Oslo etwa, wohin sie wegen Corona nur ein Konzert live streamen konnte. Nach Frankreich reiste sie im Dezember persönlich. Sie traf Deutsch-Schüler zu Workshops im Unterricht, abends gab sie Konzerte für sie in Clubs. Sie spielte allein mit der Gitarre zu Beats aus der Loopstation, ihr Matthew fuhr den Wagen und machte die Lichtshow. 150 Schüler gingen mit, klatschten mit, sangen mit. "Ich hoffe, dass ich vermitteln kann, dass Deutsch schön ist." Man hat sofort den Eindruck, dass Ami Warning eine echte Botschafterin hiesiger Kultur ist.

Jeder mag sie, der ihr zuhört. Die Reggae-Popstars Jamaram baten sie, ihr Konzert zum 20. Band-Geburtstag im Backstage zu eröffnen (17. März). Tags darauf spielt sie in der Reihe "Brechtbühne unplugged" mit Musikern der Philharmoniker Augsburg im dortigen Gaswerk, wozu sie Girisha Fernando, Leiter des "Festivals der Kulturen", der selber E-Bass dabei spielen will, eingeladen hat. Nach dem Sommer will sie selbst auf Tour gehen. Mit den Gagen wären die Lebenskosten gedeckt. Die 10 000 Euro Preisgeld kommen aber gerade recht, "man muss ja immer produzieren, mastern, Videos machen", sagt sie, "ich habe sofort gesagt, ich will das in neue Songs stecken". Eine Win-win-Situation, für sie und ihre Fans.

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