München:Der Nerv der Jury

Lesezeit: 3 min

"Eine Art Theaterkommentar" sagt die Jury über Klaudia Schmidts Projekt "best of ungefördert". (Foto: privat)

Im vergangenen Jahr hat Klaudia Schmidt mit ihrem Format "best of ungefördert" Theaterprojekte vorgestellt, die bei der städtischen Zuschussvergabe leer ausgingen. Für eine Neuauflage gibt es heuer Geld aus dem Kulturreferat

Von Jutta Czeguhn

Gerne wäre man dabei gewesen, als die Jury diesen Antrag auf den Tisch bekam. Da ist also diese Schauspielerin, Regisseurin und Theatermacherin Klaudia Schmidt, die eine Zuwendung in Höhe von exakt 8610 Euro bekommen möchte für ihr Einzelprojekt mit dem Titel "Verpasste Kunstprojekte - best of ungefördert 2019". Die Damen und Herren - fünf Mitglieder des ehrenamtlichen Stadtrats und sechs Fachjurierende aus dem Bereich Darstellende Kunst - müssen geahnt haben, dass sie in der Falle sitzen. Denn nicht anders kann man die Begründung interpretieren, mit der sie erläutern, warum "best of ungefördert" in diesem Jahr einen Förderzuschlag bekommen hat. Das Projekt sei "eine Art Theaterkommentar" zur städtischen Praxis der Kulturförderung, der den "Nerv der Szene trifft".

Klaudia Schmidt freut es, dass ihr Antrag zu jenen zehn gehört, die heuer in der Kategorie "Einzelprojekt-/Optionsförderung" durchgekommen sind. 70 waren in diesem Bereich beim Kulturreferat eingegangen. Insgesamt fördert die Stadt die Freie Theaterszene heuer mit 821 500 Euro. Die Begründung der Juroren zum positiven Bescheid liest Schmidt mit leicht hochgezogenen Augenbrauen: Da wird ihre Idee, Projekten eine Bühne zu schaffen, die keinen Zuschlag bekommen haben, gelobt als eine "ästhetische Reaktion an Stelle der häufig zu hörenden Rede im ,Jammerton'". Dass mit dem Antrag zugleich "über Bande das Selbstverständnis der Jury aufs Spiel gesetzt wird, eine Bestenauslese nach bestem Gewissen zu treffen", sei Gegenstand der Entscheidung gewesen. Es zähle zur Qualität von Schmidts Projekts, ein Dilemma aufzuzeigen: Würde die Jury den Antrag ablehnen, wäre dies laut Juroren "Wasser auf die Mühlen" der nicht förderungswürdigen Antragsteller, und die beiden Abendvorstellungen, die Schmidt plane, würden etwas länger werden. "Nimmt man ihn an, wird der Abend kürzer, aber es stellt sich die Frage nach den Kriterien der Projektförderung. Dieser Fragehaltung will die Jury Vorschub leisten, weshalb das Projekt zur Förderung in Höhe von 8610 Euro empfohlen wird."

Warum werden die einen ausgewählt, die anderen nicht? Klaudia Schmidt beschäftigt diese Frage seit Jahren, nicht nur weil sie selbst bislang meist zu jenen gehörte, die mit ihren Projekten das Nachsehen hatten. Mit dem Format "best of ungefördert", das sie im September 2018 im Theater "Blaue Maus" bereits - ohne städtischen Zuschuss - durchzog, will sie die öffentliche Wahrnehmung auf kreative Äußerungen lenken, die sonst womöglich ungesehen und ungehört blieben. Damals bei der gut besuchten Erstauflage war das Kindertheater im Fraunhofer dabei. Die Theatermacher sagen heute über den Abend: "Da wir alle Gruppen der Freien Szene Münchens sind, ist eine Begegnung in einer Art Arbeitsprozess für das gegenseitige Kennenlernen und den gemeinsamen Austausch wichtig." Ein weiterer Premieren-Teilnehmer war das Theater "fisch & plastik". Die Erfahrung des Ensembles: "Uns war klar, hier geht es nicht um eine Talentshow, um keine Kahlschlagkritik an der Jury. Es galt, der Öffentlichkeit zu zeigen: Schaut her, hier gibt es immens großes Potenzial an kreativer Arbeit, größer als es die Auswahl der geförderten Projekte vorstellen kann." Für die Mitglieder von "Binario 11", einem deutsch-italienischen Kulturladen, bedeutet best of ungefördert: "Sich kennenlernen und praktisch-solide etwas auf die Beine zu stellen unter der Fahne: Ungerechtigkeiten, Fragen und Begeisterung, mit denen unsere Leben als Freie Theaterschaffende in München geprägt sind, aussprechen zu können, darin gegenseitige Kompetenz, Vertrauen und Solidarität zu erfahren." Schmidts Projekt sei "Therapie, Wagnis und Ansporn für so manchen Ausgebrannten".

Mit der Fördersumme kann Klaudia Schmidt zwei Abende in der Blauen Maus finanzieren, Termine sind voraussichtlich der 28. Juni und der 27. September. Pro Abend werden sich sechs ungeförderte Gruppen vorstellen, dazu haben sie nicht mehr als 15 Minuten Zeit. Jeweils 500 Euro werden die Ungeförderten für ihren Auftritt bekommen. Ein Improvisationsmusiker, den sie für beide Termine verpflichtet hat, erhält insgesamt 500 Euro. "Keine fairen Honorare, ich weiß", sagt Schmidt. Auch sich selbst hat sie auf die Honorarübersicht gesetzt, die sie mit dem Antrag beim Kulturreferat abgeben musste. Sie billigt sich Aufwandsentschädigung von 500 Euro zu. Zur Projektkalkulation gehören auch Werbungskosten (1000 Euro), Theatermiete für Proben und Aufführungen (540 Euro), Ausstattung (500 Euro), Werbungskosten (1000 Euro), Technik (120 Euro) und Büromaterial (50 Euro). Klaudia Schmidt sieht ihr Projekt als "Impuls", eine Idee, die nicht personalisiert sein sollte. Sie hofft, dass sich in der Freien Szene Leute finden, die best of ungefördert weitertragen, weiterspinnen, womöglich in anderer Form. Sie habe ja nur ein "Minimalkonzept" vorgelegt.

Was sie wirklich freut: An diesem Freitag, 21. März, und zwei weiteren Terminen sind erstmals Ungeförderte ins Kulturreferat eingeladen. Zwei Jurymitglieder geben ihnen Feedback, warum es diesmal mit ihrem Antrag nicht geklappt hat. Bislang, sagt Klaudia Schmidt, habe man da lediglich eine standardisierte Absage bekommen. "Das war extrem unbefriedigend". Mit dem Feedback aber zeige das Referat Respekt für die Arbeit der Freien Szene.

© SZ vom 22.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: