Süddeutsche Zeitung

Denkmalpreis:Vor dem Verfall bewahrt

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Wie rücksichtslos manche Besitzer mit alten Bauwerken umgehen, hat der Abriss des Uhrmacherhäusls gezeigt. Doch es gibt auch positive Beispiele: in Schwabing und in Moosach.

Von Alfred Dürr

Als vor drei Jahren die Baumaschinen vor dem kleinen und ziemlich heruntergekommen wirkenden Haus an der Seestraße in Alt-Schwabing auffuhren, weckte das bei Nachbarn, Passanten oder Lokalpolitikern keine angenehmen Erinnerungen. Im Jahr 2017 hatte der illegale Abriss des denkmalgeschützten Uhrmacherhäusls in der Obergiesinger Feldmüllersiedlung einen heftigen Bürgerprotest ausgelöst und weit über München hinaus für Aufsehen gesorgt. Der rücksichtslose Umgang mit dem Gebäude an der Oberen Grasstraße war zum Symbol für die Profitgier auf dem Münchner Immobilienmarkt geworden, die juristische Auseinandersetzung dauert bis heute an.

In Schwabing aber hat sich das Abriss-Drama nicht wiederholt, die Geschichte ist gut ausgegangen. Das um 1800 errichtete Häuschen, gleich beim Englischen Garten, das umgeben ist von prächtigen Gründerzeit-Bauten, dem Schloss Suresnes im Park der Katholischen Akademie oder dem Kulturzentrum Seidlvilla am Nikolaiplatz, ist fertig renoviert. Dahinter erhebt sich auf dem schmalen Grundstück ein schlanker, mehrgeschossiger Neubau mit dunkler Ziegelfassade. Ein herausragendes Beispiel, wie man halb verfallene bauliche Relikte aus Münchens Vergangenheit bewahren und ihnen eine architektonische Zukunft im Stadtbild geben kann.

Der Bezirk Oberbayern fördert die Denkmalpflege und hat nun erstmals einen Denkmalpreis vergeben. Das Kleinhaus in Schwabing und der Friedhof der Alten Pfarrkirche St. Martin in Moosach bekamen Anerkennungen für vorbildliche Sanierungen. "Es ist vor allem auch engagierten Bürgern zu verdanken, dass solche Denkmäler, die für die Identität einer Stadt wichtig sind und die zum kollektiven Gedächtnis der Stadt gehören, erhalten werden", sagt Norbert Göttler, Bezirksheimatpfleger von Oberbayern.

Natürlich lag auf dem Eckgrundstück an der Seestraße, das mehrmals den Besitzer gewechselt hatte, ein enormer Baudruck. Was an den einst dörflichen Charakter Schwabings und an die kleinbürgerlich-ländliche Vergangenheit des Viertels erinnert, sollte nach der Vorstellung von Investoren lukrativem Wohnungsbau weichen. Vom Kuhstall bis zum Milchhäusl - das kleine Bauwerk, das viele Nutzungen erlebt hat, wäre für immer verschwunden. "Mir hat es sofort gefallen, ich wollte es erhalten", sagt Cornelia Werdich, die jetzige Besitzerin des Grundstücks.

Viel Geld musste die gebürtige Allgäuerin für die aufwendige Renovierung ausgeben: "Das Häuschen ist für mich etwas Besonderes, so einen alten Schatz bekommt man nicht leicht wieder." Im Inneren entstand ein 43 Quadratmeter großer Wohnbereich, eine Treppe führt zur Schlafetage. Kastenfenster prägen das Bild nach außen. Die ursprünglichen Deckenbalken wurden erhalten. Der Boden und die Möbel sind aus altem Fichtenholz.

Im deutlichen Kontrast zu dem Häuschen steht der schmale, moderne Anbau an die Brandwand des Nachbarhauses an der Werneckstraße. Entworfen hat ihn Werdichs Ehemann, der Architekt Manfred Ehrle. Bedrohlich nahe rückt der Neubau, der über insgesamt 230 Quadratmeter Wohnfläche verfügt, der historischen Bausubstanz allerdings nicht. Durch Vor- und Rücksprünge sowie durch das Spiel mit den Geschosshöhen wirkt der flächige Kubus aufgelockert. Die dunklen Ziegel geben der Fassade eine spezielle Struktur. Die Zusammenarbeit mit den Denkmalschutzbehörden sei gut und hilfreich gewesen, berichtet die Eigentümerin.

Das bäuerliche Kleinhaus hat bauliche Eingriffe und Kriege überstanden. Auch Versuche, den "Fremdkörper" zu beseitigen. Selbstverständlich ist es nicht, dass die Ecke Seestraße/Werneckstraße, auf dem Weg zum Englischen Garten und zum Kleinhesseloher See nun in neuem Glanz erstrahlt.

Verfall und Untergang - dieses Schicksal hätte auch den Friedhof an der Alten Pfarrkirche St. Martin in Moosach ereilen können, wenn sich niemand für ihn engagiert hätte. Die Kirche sei erstmals 815 in einer Urkunde erwähnt, heißt es in einer Beschreibung der Friedhofsgeschichte. Grabsteine und Inschriften weisen darauf hin, dass seit 1315 dort Menschen bestattet werden. "Die Kirche und der Friedhof bilden ein wunderbares und einzigartiges dörfliches Ensemble", sagt Cornelia Scheuerer von der Katholischen Kirchenstiftung St. Martin-Moosach. Sie hat zusammen mit anderen Moosachern wesentlich dazu beigetragen, den Friedhof zu erhalten.

Vor Jahrzehnten schon baute man eine neue Mauer um das Areal, weil die alte einzustürzen drohte. Pflanzen wucherten über die Grabmäler, viele der Steine und Kreuze mussten saniert werden. Von 2011 an wurden zusammen mit dem Landesamt für Denkmalpflege diese Grabmäler dokumentiert und nach und nach wieder hergerichtet. Der Bezirk Oberbayern, viele andere Institutionen sowie Bürger beteiligten sich finanziell.

Manche Moosacher hätten den "Dschungel" gern behalten

Die letzte Beerdigung fand Ende 1909 statt. Für die Moosacher waren von diesem Datum an auf dem Westfriedhof Gräber vorgesehen. Viele Jahrzehnte lang gab es der Alten St.-Martins-Kirche also keine Beerdigungen mehr. Dies war erst wieder von 2016 an der Fall. Die Initiative um Cornelia Scheuerer sorgte dafür, dass der Friedhof nicht in Vergessenheit geriet. Das bezog sich nicht nur auf die Sanierung der Grabmäler. Die Wege um die Kirche wurden teilweise verbreitert und so angelegt, dass ein barrierefreier Zugang möglich war. Neue Kunstwerke sollten besondere Zeichen setzen. Dazu gehört das sphärische Kreuz von Susanne Hlawaczek, das in alle Himmelsrichtungen weist. Oder die aus heimischen Steinen errichtete, etwa vier Meter hohe Stele von Michael Schoenholtz mit dem immer brennenden Totenlicht.

Wie das ehemalige Milchhäusl in Schwabing ist der Friedhof in Moosach ein Zeugnis Münchner Geschichte. Abriss und Neubebauung spielten in Moosach zwar keine Rolle, aber auch hier waren Gestaltungsfragen ein Thema. Wäre ein "verwilderter Garten" statt geordneter Wege eine Möglichkeit gewesen? Manche Moosacher hätten den "Dschungel" gern behalten, heißt es in der Geschichte des Friedhofs. Aber nur wenn man die Grabinschriften lesen könne und die Gräber in einem ordentlichen Zustand seien, sei ein bewusstes Gedenken an die Verstorbenen möglich. "Wir wünschen uns einen einfachen und schönen Dorffriedhof", sagt Cornelia Scheuerer: "Er ist für Besucher ein einmaliger Ort der Ruhe, der Geschichte und der Erinnerung."

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Quelle:
SZ vom 07.07.2021
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