SZ-Serie: Auf dem Sockel:Der König und sein Lehrer

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Denkmäler für Philosophen sind in München rar: das Standbild von Friedrich Wilhelm Joseph Schelling vor dem Museum Fünf Kontinente. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Maximilian II. hat dem Philosophen Friedrich Wilhelm Joseph Schelling im Jahr 1861 ein Denkmal gesetzt. Ein Vorgang, der in München nicht gerade üblich ist.

Von Wolfgang Görl

Wer dem Herrn, dessen Bronze-Standbild eine antike Toga über dem zeitgenössischen Gewand trägt, ein Denkmal gesetzt hat und warum das geschah, ist rückseitig auf dem Podest zu lesen: "Errichtet von seinem dankbaren Schüler Maximilian II., König von Bayern." Auf der Vorderseite wird die Identität des Lehrers seiner Majestät gelüftet: "Schelling der große Philosoph."

Voilà, ein Denkmal für einen Philosophen: Nicht gerade üblich in München, einer Stadt, die - man muss das leider sagen - ebenso wie das Land Bayern unverdächtig ist, der philosophische Olymp zu sein. Schon eher ist das Schwaben, wo in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein Genie nach dem anderen hervortrat, so als hätte man die Schule von Athen ins Herzogtum Württemberg verpflanzt: Schiller, Hegel, Hölderlin und eben auch Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, geboren 1775 in Leonberg. Allesamt Schwaben. Ende des 19. Jahrhunderts reimt der schwäbische Poet Eduard Paulus: "Wir sind das Volk der Dichter,/Ein jeder dichten kann,/Man seh' nur die Gesichter/Von unser einem an./Der Schelling und der Hegel,/der Schiller und der Hauff,/das ist bei uns die Regel,/das fällt hier gar nicht auf."

Im Tübinger Stift teilt sich der junge Schelling ein Zimmer mit Hölderlin und Hegel, die wohl geistreichste Wohngemeinschaft der deutschen Geschichte. Ein vermutlich gemeinsam formuliertes Manuskript aus dem Jahr 1797 gilt als erstes Systemprogramm des deutschen Idealismus. Bereits mit 23 Jahren erlangt Schelling eine außerordentliche Professur in Jena, der damaligen Gelehrtenhauptstadt, wo er neben Fichte lehrt und mit Hegel das Kritische Journal der Philosophie herausgibt. Und er verfasst sein "System des transzendentalen Idealismus", eines der wichtigsten Werke der idealistischen Philosophie.

Nach einem Zwischenspiel in Würzburg zieht Schelling 1806 nach München, wo er maßgeblich an der Gründung der Akademie der Bildenden Künste beteiligt ist. Zudem ist er Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, und als er dort seine viel beachtete Rede "Über das Verhältnis der Bildenden Künste zur Natur" hält, ist auch der damalige Kronprinz und spätere König Ludwig I. schwer beeindruckt und nimmt ihn unter seine Fittiche. Von 1820 an lehrt Schelling sieben Jahre in Erlangen, dann kehrt er zurück nach München. Ludwig I. beruft ihn als Professor an die neue Münchner Universität und ernennt ihn zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften. Und noch eine Aufgabe hat der König für den Gelehrten: Er soll Thronfolger Maximilian philosophischen Unterricht erteilen. So einen Auftrag kann der Philosoph natürlich nicht ablehnen.

Nachdem der an Kunst und Wissenschaft interessierte Max auf den Thron gekommen ist, setzt er alles daran, prominente Gelehrte nach München zu locken, darunter auch protestantische aus dem Norden, die bei den Münchnern nicht sonderlich beliebten "Nordlichter". Und er will eine Prachtstraße anlegen, so wie es sein Vater Ludwig I. getan hat. Mit der Gesamtplanung beauftragt er den Architekten Friedrich Bürklein, der unter anderem ein Forum nach antikem Vorbild entwirft. Eine Grünanlage soll entstehen, der ein Bildungskonzept zugrunde liegt: Acht Statuen und 32 Büsten bedeutender Männer sind vorgesehen, um den Münchner Spaziergängern als gutes Beispiel zu dienen.

Am Ende reicht es gerade mal für vier Standbilder. Als Erstes wird 1856 die Bronzestatue des bayerischen Generals Bernhard Erasmus Graf von Deroy enthüllt, der in Napoleons Russland-Feldzug gefallen ist. Schelling, der 1854 in der Schweiz gestorben ist, kommt als Zweiter an die Reihe. Sein Denkmal, das vor dem heutigen Museum Fünf Kontinente steht, wird im Oktober 1861 eingeweiht. Der Münchner Bildhauer Friedrich Brugger, ein Schüler Schwanthalers, hat die Figur modelliert, die unter Ferdinand von Millers Regie in der Königlichen Erzgießerei in Bronze gegossen wurde. In den folgenden Jahren kommen noch zwei Männer hinzu, deren Statuen das Maximiliansforum zieren: der Offizier, Sozialreformer und Minister Benjamin Thompson Graf von Rumford (1867) und der Optiker Joseph von Fraunhofer (1868). Aber diese Denkmal-Enthüllungen erlebt Maximilian II. nicht mehr. Er stirbt im März 1864.

© SZ vom 20.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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