Demo in München:"Die Miete raubt uns den Schlaf"

Mieterdemo

Weil das Geld oft nur noch zum Wohnen, aber nicht mehr zum Leben reicht, gehen die Menschen auf die Straße. In München waren es diesmal nur 70 bis 80 Demonstrantinnen und Demonstranten.

(Foto: Catherina Hess)

Betroffene demonstrieren am Leonrodplatz für bezahlbaren Wohnraum und gegen die aus ihrer Sicht zu kurz gegriffenen Pläne der Berliner Ampel-Koalition. Viele haben Sorge, letztlich aus ihren Wohnungen verdrängt zu werden.

Von Anna Hoben

Wenn es um das Mietenproblem in München geht, könnte man ja meinen, dass Tausende demonstrieren gehen, wann immer es Gelegenheit dazu gibt. Doch es sind nur etwa 70 bis 80 Menschen am Samstagmittag zum Leonrodplatz gekommen, um ihrem Protest Ausdruck zu verleihen: gegen die aus ihrer Sicht viel zu kurz gegriffenen Maßnahmen für bezahlbaren Wohnraum im Koalitionsvertrag der Ampel, gegen Verdrängung und für ein rechtssicheres Vorkaufsrecht. "Die Miete raubt uns den Schlaf", steht auf einem Plakat. "Miete frisst Dauerkarte", heißt es auf jenem einer mutmaßlich Fußballbegeisterten.

Es geht bei dieser Demonstration aber auch um das ganz konkrete Geschehen in einer ganz konkreten Wohnanlage. Sie steht in Schwabing, vor drei Jahren kaufte die luxemburgische Fondsgesellschaft Jargonnant Partners (JP) das Karree. Seitdem sind die Bewohnerinnen und Bewohner in Sorge, ob sie sich künftig die Miete noch leisten können.

Auch Susanne Klatten, BMW-Großaktionärin und wohl reichste Frau Deutschlands, hält Anteile an dem Bau. Zugleich hat sie das im Sommer eröffnete Gründerzentrum Munich Urban Colab finanziert, das Ideen für gute und nachhaltige Stadtentwicklung fördern soll. Überteuerten Wohnraum bezeichnete sie in ihrer Rede bei der Eröffnung des Zentrums als eines der großen Probleme in München. Zu diesem möglichen Widerspruch ließ Klatten der SZ im Oktober über ihren Sprecher ausrichten: "Wir sehen die Problematik und haben entschieden, in Deutschland zukünftig nicht mehr in Projekte mit Wohnimmobilien zu investieren." Die Zusammenarbeit mit JP sei bereits seit 2019 beendet.

Das Instrument der Erhaltungssatzung steht auf der Kippe

An ihrer Beteiligung an der Schwabinger Wohnanlage ändert das zumindest vorerst nichts. Denn Investmentverträge haben lange Laufzeiten, aus denen man nicht einfach vorzeitig aussteigen kann. Der Demonstrationszug zieht deshalb nun vom Leonrodplatz ein paar Hundert Meter die Dachauer Straße entlang, bis zum Munich Urban Colab an der Freddie-Mercury-Straße. "Munich Urban Collapse" hatten die Initiatoren auf ihre Einladung zur Demo geschrieben.

So sehen sie das: Für viele Menschen kollabiert gerade etwas in München, der Stadt mit den teuersten Mieten in ganz Deutschland. Es spricht nun Thomas Klühspies, Sprecher der Mietergemeinschaft des Schwabinger Karrees. Er hat einen Button an seine Mütze geheftet, "Mieter machen Dampf", steht darauf, ein Münchner Kindl ist zu sehen. Den habe er vom Flohmarkt, sagt er, er stamme von einer Mieterdemo 1981 auf dem Marienplatz. Der Kollaps, er hält schon eine Weile an.

Auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorkaufsrecht wird thematisiert. Seit ein paar Tagen liegt die Urteilsbegründung vor, sie bestätigt alle Befürchtungen: Eine Ausübung des städtischen Vorkaufsrechts in Gebieten mit Erhaltungssatzung kommt demnach künftig bei überwiegend vermieteten Wohngebäuden nicht mehr in Betracht. Eine Ausnahme bilden Gebäude mit starker Sanierungsbedürftigkeit, sogenannte Schrottimmobilien.

Die Ausübung des Vorkaufsrechts war bisher ein Baustein im Kampf der Stadt für bezahlbare Mieten. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat sich bereits an die Ampel-Koalitionsparteien gewandt und eine schnelle Änderung im Baugesetzbuch gefordert. "Wir brauchen schnell eine bundesweite Regelung, sonst werden wir in den nächsten Monaten unsere Vorkaufsrechte nicht mehr ausüben können", sagt auch Linken-Stadtrat Stefan Jagel, der zu der Demonstration gekommen ist. Das Instrument der Erhaltungssatzung werde sonst ad absurdum geführt.

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