Um kurz nach ein Uhr am Samstagmittag ziehen sie los, am Siegestor nahe der Universität. Etwa 300 Menschen sind gekommen, sie laufen über die Ludwigstraße in Richtung Innenstadt. "Hey, hey, hey, die Mullahs müssen weg!", rufen sie. Sie skandieren: "Revolution!" Und immer wieder hört man einen Namen: "Mahsa Amini". Den Namen jener jungen Frau, deren gewaltsamer Tod in Iran die größte Protestbewegung seit Jahrzehnten ausgelöst hat. "Women's March", so nennt sich ein Bündnis, das sich zusammengeschlossen hat, um an diesem Tag zur gleichen Zeit in sechs deutschen Großstädten seine Solidarität zu bekunden: für iranische Frauen, aber auch für afghanische und kurdische Frauen. Es passt gut, dass an diesem Samstag der Tag der Menschenrechte begangen wird.
"Frauen, Leben, Freiheit" steht auf Schildern geschrieben, iranische Flaggen werden geschwenkt. Am Odeonsplatz werden die Demonstranten von rockigen Klängen der iranischen Musikerin Yasamin Saleki empfangen. Dann gibt es eine Gedenkminute für den jungen Mann Mohsen S., der vor wenigen Tagen in Iran hingerichtet worden war. Die iranische Justiz hatte ihm vorgeworfen, während der Proteste eine Straße blockiert und eine Einsatzkraft verletzt zu haben. Weitere Menschen sollen im Zuge der Proteste bereits zum Tode verurteilt worden sein.
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Neben der Bühne steht Maryam Giyahchi, bei der die Fäden für die Organisation der Protestaktion zusammenlaufen. Mehrere Gruppen haben sich angeschlossen, darunter der Verein "Parité in den Parlamenten" und die "Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit". Unterstützung kam auch vom Stadtbund Münchner Frauenverbände sowie vom städtischen Kulturreferat. Innerhalb von zwei Wochen habe sie mit ihren Mitstreiterinnen das Programm auf die Beine gestellt, sagt Giyahchi. Die Kundgebung solle auch ein Dank sein an alle Gruppen, die in Deutschland seit Wochen auf die Straße gehen.
Die amerikanisch-iranische Journalistin und Frauenrechtlerin Mahsi Alinejad hat eine Videobotschaft geschickt. Auch der als "Starvisagist" angekündigte Amin Nia, bekannt unter anderem aus der TV-Show "Germany's Next Topmodel", unterstützt den Protest. Und Münchens Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) ist gekommen, um ein Grußwort zu sprechen. Welche Kraft der Drang nach Freiheit entfalten kann, sagt sie, zeige sich in besonderen Momenten der Geschichte. Nichts fürchteten Diktaturen mehr als die Sehnsucht der Menschen nach einem Leben in Freiheit. "Es braucht eine Mischung aus einem unfassbaren Mut, aber eben auch der Verzweiflung, um so weit zu gehen, dass man die Angst vor dem eigenen Tod überwinden kann." Dass man handele, auch wenn es schlimmste Konsequenzen für einen selbst, für die eigene Familie haben könne. "Die Protestierenden in Iran haben genau diese Schwelle überschritten", sagt Habenschaden.
Dass Menschen auch in Deutschland, auch in München sich solidarisierten, könne ein wichtiges Zeichen senden. Maryam Giyahchi jedenfalls, die Organisatorin der Demo, will weitermachen. Die Aktion am Samstag ist eher klein geblieben, von bis zu 400 Teilnehmern sprach hinterher die Polizei. Es sei aber, so Giyahchi, erst der Auftakt des Bündnisses gewesen.