Wenn es um das Unterlaufen der Infektionsschutzregeln geht, haben die selbsternannten "Querdenker" schon viel Fantasie bewiesen: Anfang November haben sie eine Veranstaltung auf der Theresienwiese kurzfristig in einen Gottesdienst umgewidmet, um damit eine Beschränkung der Teilnehmerzahl zu umgehen. Am Sonntag haben sie absichtlich eine Kundgebung auf die Zeit nach Eintritt der Sperrstunde ausgedehnt. Ihre Triumph darüber erinnert ein bisschen an den Triumph, wenn man Mama überredet hat, noch eine Stunde länger wach bleiben zu dürfen: Man kann sich ein bisschen groß fühlen, aber gewonnen ist damit eigentlich nichts.
Denn welchen Sinn hat schon eine Demonstration, die ihrem Wesen nach die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregen soll, wenn sie dann stattfindet, wenn alle zu Hause sein müssen? Sie ist nicht mehr als das Privatvergnügen einiger weniger, über die die große Mehrheit in dieser Stadt ohnehin nur den Kopf schüttelt. Wenn die Verschwörungsjünger unbedingt nachts ihrem Glauben huldigen möchten - umso besser, dann kommen sie wenigstens niemanden in die Quere, der sich und seine Mitmenschen vor Ansteckung schützen möchte.
Hat der Rechtsstaat versagt, weil er solchen Winkelzügen keinen Riegel vorschieben kann? Im Gegenteil: Die Versammlungsfreiheit steht als hohes Gut im Grundgesetz. Sie gilt sogar für Bürger, die offensichtlich Kokolores verbreiten. Wer in Deutschland dafür demonstrieren möchte, dass die Zahnfee auch für die dritten Zähne zuständig sein sollte, darf das tun. Es ist nicht Aufgabe das Staates, die Sinnhaftigkeit solcher Unterfangen zu beurteilen.
Indem die Richter den Demonstranten zudem erlaubt haben, sich vor den Toren des Verwaltungsgerichtshofs zu versammeln, haben sie zusätzlich Souveränität bewiesen. Ziel der Veranstalter war es ja angeblich, Unterschriften zu sammeln, um das Verwaltungsgericht vor dem Internationalen Strafgerichtshof zu verklagen. Wahrscheinlich nach einem alten Klabautergesetz.