Süddeutsche Zeitung

Wohnen in München:"Ausspekuliert"-Demo gegen unbezahlbare Mieten

Lesezeit: 2 min

Von Wolfgang Görl

Die Mieten steigen ins Unermessliche, Menschen werden aus ihrer Wohnung vertrieben, immer mehr Münchner können sich die Stadt nicht mehr leisten - und es ist, als wäre dies Schicksal, als wäre der Mietwahnsinn ein naturwüchsiger Prozess, gegen den man nichts ausrichten kann. Mit dieser Schicksalsergebenheit soll Schluss sein. Für den 15. September planen die Aktivisten des Münchner Mieterstammtischs eine Großdemonstration - und dabei haben sie ein Vorbild: Die Demo "#ausgehetzt", bei der am 22. Juli zwischen 25 000 (Polizei) und 50 000 (Veranstalter) Menschen gegen rechtspopulistische Hetze auf die Straße gegangen waren. Der Slogan des Mieterprotests knüpft daran an. Er lautet "#ausspekuliert".

Doch es ist nicht allein das sprachliche Band, das die Organisatoren des Mieterprotests mit den Aktivisten für eine humane Flüchtlingspolitik eint. Beim jüngsten Treffen des Mieterstammtischs im Feierwerk stellten die etwa 70 Teilnehmer die Weichen für ein Aktionsbündnis. Mit dabei war Thomas Lechner, der Initiator der Ausgehetzt-Demo. Und Lechner, so berichtet Janek Schmidt, einer der Organisatoren des Stammtischs, hat signalisiert, dass sein Bündnis sich dem Mieterprotest anschließen werde. Lechner wolle sich darum bemühen, dass all die rund 160 Organisationen, die die Ausgehetzt-Kundgebung unterstützt haben, auch zur Demonstration gegen die Mietmisere aufrufen.

"Die Kooperation mit Lechner läuft super", schwärmt Schmidt. "Seine Expertise ist auch wichtig, weil viele von uns Demo-Neulinge sind." Der Mieterstammtisch war Anfang Juni von drei Mietergemeinschaften gegründet worden, die nach dem Verkauf ihrer Häuser an Investoren einer unsicheren Zukunft entgegensehen. Mittlerweile sind viele Menschen hinzugestoßen, die in diverser Weise Opfer des Münchner Mietwahnsinns geworden sind. In diesem Kreis ist auch die Idee entstanden, sich mit einer Demonstration gegen Mietwucher, Gentrifizierung und Spekulantentum zu wehren.

Dem Motto "Ausspekuliert" hat die Initiative zwei erklärende Untertitel hinzugefügt, sagt Schmidt: "Der positiv formulierte heißt: für bezahlbares Wohnen und eine bunte Stadt." Wogegen sich der Protest richtet, ist auch klar: "Gegen Mietwucher und soziale Ausgrenzung." Bei der Demonstration soll es nicht nur um die vielen Einzelfälle gehen, die Mietern das Leben sauer machen, sondern auch um die Stadt als Ganzes: "Wir wollen die Stadt in ihrer Vielfalt und Buntheit erhalten", sagt Schmidt. Und dazu gehöre eben, dass Pflegekräfte, Müllmänner und die vielen anderen Menschen mit kleineren Einkommen nicht verdrängt werden.

Um das zu symbolisieren, wird die Demo zu einem besonderen Termin stattfinden: "Eine Woche vor dem Einzug der Wiesnwirte organisieren wir den Auszug der Münchner." Möglichst viele Menschen sollen dabei den Zug vom Mariahilfplatz übers Glockenbachviertel zur Ludwigstraße mitmachen, wenn möglich auch in Arbeitskleidung, um zu zeigen, wie grau die Stadt sein würde, könnten all diese "bunten und kreativen Leute" hier nicht mehr leben. Natürlich werden auch viele Künstler dabei sein, denn: "Die Leute sollen auch Lust haben, zur Demo zu kommen."

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Quelle:
SZ vom 07.08.2018
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