Demo gegen hohe Mieten:Sie kämpfen für einen ganz speziellen Lärmschutz

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"Lärm rauf, Mieten runter": Das ist der Schlachtruf bei der Krachparade am Samstag. (Foto: Florian Peljak)

In einer "Krachparade" ziehen Aktive aus der Subkultur und der Mieterszene tanzend durch die Stadt. Ihr Kalkül: Wo die Musik laut ist, bleiben die Mieten unten. Wie genau das funktionieren soll.

Von Bernd Kastner

Was kommt raus, wenn sich Menschen, die gewöhnlich über Mietspiegeln brüten, mit Ravern verbünden? Eine "Krachparade". Das ist eine offiziell angemeldete miet- und kulturpolitische Musikdemonstration. Sie dröhnt und stinkt. Nicht bis zum Himmel, aber doch riechbar, es brummen einige Dieselgeneratoren, die es braucht, um die vielen Musikanlagen und Boxen und Mischpulte auf den Anhängern am Laufen zu halten. Der Rave braucht Saft, die Bässe lassen den Brustkorb erzittern. "Lärm rauf - Mieten runter!" Das ist der Schlachtruf am Samstag, mehrere Tausend Aktivisten machen mit, das schätzen die Veranstalter, sie raven durch die halbe Stadt. Und siehe da, die trockene Münchner Mietenpolitik bekommt einen ganz neuen Drive.

Die Initiativen "Ausspekuliert" und "Mehr Lärm für München" haben diese Kombi-Demo organisiert. Beide eint der Wunsch nach bezahlbaren Flächen, fürs Wohnen und für die Subkultur. Beim "Soundspaziergang" profitieren beide Gruppen von dieser Symbiose. "In München gibt es kaum Platz für junge Künstler und Kreative", sagt Tilman Schaich von Ausspekuliert und wirft der Immobilienbrache vor: "Es geht nur ums Geld und nicht um die Menschen."

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Monika Schmid-Balzert vom Mieterbund Bayern ruft: "Es brennt!" Das gelte für den Mietmarkt in Ballungsräumen, inzwischen aber auch in mittelgroßen Städten. Deshalb kämpft ein Bündnis aus mehr als 160 Gruppen für einen bundesweiten Mietenstopp für sechs Jahre. Der soll Luft verschaffen.

Während die traditionellen Aktivisten einen Mietenstopp via Gesetz erreichen wollen, gehen die Krachmacher von der Parade neue Argumentationswege: Wo Luxuswohnungen entstehen, wollen die Käuferinnen oder Mieter ihre Ruhe haben. Ergo, sagen die Raver: je mehr Lärm, desto geringer die Gefahr von Gentrifizierung. "Dort, wo es durch einen Club oder einen Stadtteiltreff laut ist, errichtet kein Investor ein millionenschweres Penthouse", erklärt Julia Richter von "Mehr Lärm für München". Vor den Musikboxen stehend trägt sie ein Gedicht vor: "Vielleicht manch Investor denkt, hier ist es laut, hier ist mein Geld verschenkt. Das ist das Gute am sozialen Lärm, er hält die Mieterhöhung fern." Es sei vor allem der Autolärm, der krank mache, der aber werde hingenommen und nicht geahndet. Ist die Musik laut, komme schnell mal die Polizei.

Die Miet-Musik-Aktivisten kämpfen also für eine spezielle Art von "Lärmschutz". Den Schutz für die Tanzenden garantiert an diesem Tag die Polizei. Ihre Blaulichter passen zu den Disco-Lichtern auf manchem Demo-Gefährt. Ein Dutzend Wagen von ebenso vielen Musikkollektiven setzt sich um vier Uhr in Bewegung, zieht an Hotspots der Gentrifizierung vorbei, an der Thalkirchner und der Türkenstraße etwa, und kommt erst um 22 Uhr am Ziel in Schwabing an.

"Wagen" ist bei dieser Parade ein echter Oberbegriff. Mal kommt die Musik von der Ladefläche eines Pritschenwagens, mal von einem Lastenrad, mal ist das Gefährt muskelgetrieben, mal batterieunterstützt. "Mehr Luxus-Lärm", steht auf einem der Demoplakate, auf einem anderen wird nicht um die Ecke gedacht: "Miethaie fickt euch." Sechs Stunden lang ziehen sie tanzend und lachend und wummernd durch die Stadt, die Polizei registrierte einige Beschwerden von Anwohnern. Ob auch welche von Penthäusern darunter waren?

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