Polizeieinsatz bei Gedenkveranstaltung:Knüppel gegen links

Polizeieinsatz bei Gedenkveranstaltung: Aus München gibt es nun - wieder einmal - Bilder, die das Narrativ bedienen, die Ordnungshüter greifen gerne besonders beherzt zu, wenn sie es mit Unzufriedenen zu tun bekommen, die aus dem politisch eher linken Spektrum stammen.

Aus München gibt es nun - wieder einmal - Bilder, die das Narrativ bedienen, die Ordnungshüter greifen gerne besonders beherzt zu, wenn sie es mit Unzufriedenen zu tun bekommen, die aus dem politisch eher linken Spektrum stammen.

(Foto: Florian Peljak)

Mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen Teilnehmer einer Gedenkveranstaltung zum rassistischen Anschlag in Hanau: Die Bilder vom Polizeieinsatz in München sind verstörend und bedienen ein bekanntes Narrativ.

Kommentar von René Hofmann

Die Sicherheitskonferenz, kurz Siko, bedeutet Ausnahmezustand. Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die innerhalb von wenigen Stunden versuchen, in eng getakteten Gesprächen diplomatisch haltbare Netze zu knüpfen. Für die Münchnerinnen und Münchner, die sich wegen der Veranstaltung im Bayerischen Hof und den Protesten gegen diese nicht auf den gewohnten Wegen durch die Innenstadt bewegen können. Und für die Polizei, die für die Sicherheit aller Beteiligten bürgt, dabei aber nie so genau weiß, mit wie vielen Gegnern sie es zu tun bekommt und wozu diese womöglich entschlossen sind.

In dieser Stresssituation ist es an diesem Wochenende zu verstörenden Szenen gekommen - bei einer Veranstaltung, die zwar in keinem direkten Konnex zur Siko stand, an einem anderen Wochenende aber wohl anders verlaufen wäre. Mit Schlagstöcken und Pfefferspray ging die Polizei gegen Teilnehmer eines Zuges vor, mit dem an den Anschlag erinnert werden sollte, bei dem vor zwei Jahren in Hanau ein 43-Jähriger aus rassistischen Motiven neun Menschen getötet hatte. Dem Zücken der Knüppel seien gezielte Provokationen vorausgegangen, so die Polizei. Stimmt nicht, entgegnen Antifa-Aktivisten. Was in den Turbulenzen Aktion war und was Reaktion, lässt sich nur schwer ergründen. Eines aber steht fest: Aus München gibt es nun - wieder einmal - Bilder, die das Narrativ bedienen, die Ordnungshüter hier greifen gerne besonders beherzt zu, wenn sie es mit Unzufriedenen zu tun bekommen, die aus dem politisch eher linken Spektrum stammen.

Einige Einsätze gegen die Proteste anlässlich der Internationalen Automobilausstellung im vergangenen Jahr hatten diese These ebenso gestützt wie das zunächst zurückhaltende Vorgehen der Polizei gegen Umzüge, die aus Widerstand gegen die Covid-Schutzmaßnahmen im Windschatten rechter Kräfte initiiert wurden und bei denen die Ordnungshüter ihre laxe Linie erst aufgaben, als sie auf der Ludwigstraße überrannt wurden. Ist es besser, Entschlossenheit zu zeigen oder Zurückhaltung?

Diese Grundsatzfrage stellt sich immer wieder neu, und die Antwort ist jedes Mal sorgfältig abzuwägen. Stress hilft dabei nicht, und in der Rückschau lässt sich konstatieren: Denjenigen, die an die schreckliche Tat in Hanau erinnern wollten, demonstrativ ein solch großes Aufgebot der Staatsmacht entgegenzustellen, zeugt von wenig Fingerspitzengefühl - gerade weil es bei deren Aufarbeitung auch um Versäumnisse von Sicherheitsbehörden geht. Mit Fingerspitzengefühl aber lässt sich so mancher Schlagstockeinsatz verhindern.

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