Kundgebung für Demokratie:250 000 Menschen bei Großdemonstration in München gegen Rechtsextremismus

Es sind Zehntausende gekommen: Sie demonstrieren für Demokratie und gegen Rechtsextremismus. (Foto: Lorenz Mehrlich)

Die Menge der Teilnehmenden ist deutlich größer als erwartet. Die Veranstalter sprechen sogar von 320 000 Menschen auf der Theresienwiese. Der Demo-Tag in der Nachlese.

Von Kathrin Aldenhoff, Martin Bernstein, Poul Heintzenberg, Ekaterina Kel, Ana Maria März, Martin Moser, Lisa Sonnabend und Jana Wejkum

Für unseren Liveblog verwenden wir neben eigenen Recherchen Material der Nachrichtenagentur dpa.

Wichtige Updates

Ein Fest für die Demokratie

Fast alle Plakate richten sich gegen die AfD

Demo startet mit 100 000 Teilnehmenden

In mehreren bayerischen Städten wird gegen Rechtsextremismus demonstriert

Die wichtigsten Infos zur Demo

Ana Maria März
Ana Maria März

Polizei spricht von 250 000 Teilnehmern

Die Demonstration auf der Theresienwiese hat für spektakuläre Bilder gesorgt. Unter dem Motto "Demokratie braucht dich" haben sich am Samstagnachmittag 250 000 Menschen in München versammelt. So viele Teilnehmer hat die Polizei auf der Kundgebung gezählt, wie sie nach der Demo auf der Theresienwiese mitteilte. Die Veranstaltung sei friedlich verlaufen und ohne besondere Vorkommnisse. 
Ana Maria März
Ana Maria März

Ein Fest für die Demokratie

Die Sonne wärmte die Demonstrierenden an diesem Samstag auf der Theresienwiese. Das Wetter stand im Kontrast zu dem, was auf der Bühne thematisiert wurde. Meine Kollegen und Kolleginnen Martin Bernstein, Poul Heintzenberg, Bernd Kastner, Ekaterina Kel und Jana Weijkum haben für Sie zusammengetragen, was die Themen der Rednerinnen und Redner auf der Kundgebung waren. Sie erzählen unter anderem von einer jungen Frau, die die Menschen von der Bühne aus daran erinnerte, dass sie die Wahl haben (SZ Plus).
 
Ana Maria März
Ana Maria März

Eindrückliches Zeichen gegen den Rechtsruck

Mehr und mehr Menschen, die auf die Theresienwiese strömen, sich vor der Bavaria versammeln: Diese Bilder zeigt ein Video auf Instagram, das ein Drohnenpilot bei der Demonstration aufgenommen hat. Aus der Luft wirken die Teilnehmenden ein wenig wie lauter Ameisen. Klein war das Zeichen, das sie an diesem Samstag gesetzt haben, allerdings nicht. 250 000 Menschen kamen nach Polizeiangaben an diesem Nachmittag auf die Theresienwiese, um sich in München für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus einzusetzen.
Kathrin Aldenhoff
Kathrin Aldenhoff

Warum sich Zahlenangaben bei Demonstrationen oft unterscheiden

Es gehört eigentlich schon dazu zur Berichterstattung über Demonstrationen und Kundgebungen, dass die Teilnehmerzahlen, die Polizei und Veranstalter nennen, oftmals weit auseinander liegen. Bei der Großdemo auf der Theresienwiese am heutigen Samstag unterscheiden sich die Angaben um 70 000 Personen - bei der Demo vor dem Siegestor vor etwas mehr als einem Jahr war der Unterschied noch deutlich größer. Einige SZ-Kollegen haben damals aufgeschrieben, warum es so schwierig ist, die Zahl der Teilnehmenden genau zu benennen - und haben am Beispiel der Demo vor dem Siegestor nachgerechnet.
Ekaterina Kel

Harter Kern ist weiterhin stark motiviert

Der Stadtbund der Münchner Frauenverbände heizt die Stimmung auf der Theresienwiese weiter an. "Gegen den Faschismus!“ Der Sprechchor vor der Bühne ist laut. "Nazis raus!“, tönt es außerdem. Ein harter Kern aus einigen Hundert Menschen steht entschlossen weiterhin davor und hält die Plakate und Fahnen weiter hoch. Sie müssen auch der heranziehenden Kälte des Abends trotzen.

Die 19-jährige Maren Mitterer, eine Fridays-for-Future-Aktivistin, gibt den Menschen von der Bühne aus am Ende Mut mit: Es sei so verlockend, die Hoffnung aufzugeben. Aber gerade jetzt sei es so wichtig, weiter zu hoffen. Gerade jetzt, wo es immer dunkler werde, die Welt immer brauner werde. "Ob die Brandmauer fällt, das entscheidet doch nicht Friedrich Merz. Das entscheiden wir!"
Martin Bernstein
Martin Bernstein

Aufwärmen nach der Demo

In den Gaststätten und Cafés auf der Schwanthalerhöhe in München ist kaum noch ein Platz zu bekommen. Viele Demo-Teilnehmer wärmen sich dort auf, treffen Freunde, die sie in der Menge verloren hatten. Das Gehörte und Erlebte wird besprochen.

"Wofür habt ihr eigentlich demonstriert?", fragt die Frau hinterm Tresen, überrascht vom unerwarteten Ansturm am Samstagnachmittag. "Für die Demokratie", antworten zwei Schülerinnen gleichzeitig. Es klingt stolz.
Poul Heintzenberg

Sie wünschen sich Fakten

Auch aus Pfaffenhofen ist eine Gruppe nach München gereist, um gemeinsam ein Zeichen zu setzen. Es sei ihnen wichtig zu zeigen, dass eine Mehrheit der Gesellschaft bereit sei, die Demokratie zu verteidigen. Besonders die Normalisierung der AfD und ihrer Positionen bereitet Maria aus Pfaffenhofen Sorgen. "Dass so viele Menschen das Grundrecht auf Asyl abschaffen wollen, finde ich bedenklich."

Auch die zunehmende Emotionalisierung der Politik wird kritisiert. Das Thema Migration werde genutzt, um Menschen Angst zu machen, dabei sei Deutschland ein Zuwanderungsland, meint Jan. Von der Demonstration erhoffen sie sich Sichtbarkeit für ihre Anliegen, nicht nur auf der Theresienwiese, sondern überall in der Stadt und in umliegenden Gemeinden.
Matthias, Magdalena, Felix, Maria, Jan (von links)
Matthias, Magdalena, Felix, Maria, Jan (von links). Poul Heintzenberg
Ana Maria März
Ana Maria März

Mehrere Wege führen nach Hause

Die Demonstration geht zu Ende, viele Teilnehmer gehen Richtung U-Bahn. Die Polizei weist darauf hin, dass es mehrere Optionen für den Heimweg gibt. Neben dem U-Bahnhof Theresienwiese könne man auch über die U-Bahnhöfe Schwanthalerhöhe, Goetheplatz, Poccistraße oder auch über den S-Bahnhof Hackerbrücke nach Hause fahren. Um den Heimweg sicherer zu machen, sperrt die Polizei den Bavariaring stellenweise für den Fahrzeugverkehr.
Florian Peljak
Ekaterina Kel

Demo geht allmählich zu Ende

Die Sonne ist inzwischen fast vollständig hinter der Bavaria verschwunden. Auf der Bühne kritisiert noch jemand den umstrittenen Fünf-Punkte-Plan der Union. Immer wieder haben Ordner am Rande der Veranstaltung auf technische Probleme hingewiesen, weshalb das Bühnengeschehen nicht ausreichend laut zu hören gewesen sei. Möglicherweise machen sich deshalb mittlerweile wieder so viele auf den Heimweg. Kurz vorher wurde noch ein Chorgesang von der Bühne angeleitet: „Wehrt euch! Leistet Widerstand. Gegen den Faschismus hier im Land. Auf die Barrikaden, auf die Barrikaden.“
Ana Maria März
Ana Maria März

"Wenn unsere Demokratie uns braucht, dann sind wir da!" 

Der Verein "München ist bunt" hatte, unterstützt von zahlreichen Organisationen, zu der Demonstration auf der Theresienwiese aufgerufen.  
“Wenn die Demokratie durch Rechtsextreme unter Beschuss gerät, dann braucht die Demokratie uns alle, um sie zu verteidigen”, sagte die Versammlungsleiterin Micky Wenngatz von "München ist bunt" zu Beginn der Demo. "Und wenn ich dann hier so in die Menge sehe, dann stimmt mich das hoffnungsvoll. Ihr alle zeigt ganz deutlich: wenn unsere Demokratie uns braucht, dann sind wir da!" Nach Angaben der Veranstalter kamen am Samstag 320 000 Menschen auf die Theresienwiese, die Polizei sprach zunächst von 200 000 Teilnehmenden.
Viele hatten selbstgemalte Plakate mitgebracht.
Viele hatten selbstgemalte Plakate mitgebracht. dpa
Martin Bernstein
Martin Bernstein

Tanzender Widerstand

"Wir stehen zum Grundrecht auf politisches Asyl", ruft IG-Metall-Chefin Christiane Benner unter dem tosenden Beifall Hunderttausender auf der Theresienwiese. Sie kritisiert Merz' Politik mit scharfen Worten und kündigt den Widerstand der zwei Millionen Mitglieder ihrer Gewerkschaft gegen Ausgrenzung von Migranten und gegen einen Rückfall in Nationalismus an.

Die Stimmung auf der Theresienwiese ist friedlich und trotz des ernsten Themas gelöst. Beim Auftritt von Hans Well und seiner Wellbappn wird gelacht und sogar getanzt - obwohl es in einem Lied um die "braune Raupe Nimmersatt" geht.

"Wir sind die Brandmauer" - immer wieder wird dieser Satz beschworen, in Reden, Liedern und auf Plakaten. "Wehrt euch, leistet Widerstand", singen die Menschen, "gegen den Faschismus hier im Land". Es ist eine fröhliche Entschlossenheit, auch wenn es allmählich kalt wird auf der Theresienwiese. Die Sonne verschwindet langsam hinter der Bavaria.
Allmählich wird es kühl auf der Theresienwiese.
Allmählich wird es kühl auf der Theresienwiese. Martin Bernstein
Lisa Sonnabend
Lisa Sonnabend

Viele gehen wieder, einige kommen erst jetzt

Inzwischen ist der Strom der Menschen, die die Theresienwiese verlassen, deutlich größer als der derjenigen, die erst jetzt zur Demo kommen. Es sind an diesem Nachmittag so viele Menschen da, dass das Geschehen auf der Bühne an den Rändern kaum oder gar nicht zu verstehen ist. Sich zu verabreden, ist unmöglich: Das Handynetz ist überlastet, Nachrichten gehen meist erst mit Verzögerung durch.

Poul Heintzenberg

"Es muss wieder mehr über Inhalte geredet werden"

Die Freundinnen Nike und Henriette haben das Gefühl, dass sich der Wahlkampf und die aktuelle politische Debatte nur um Personen und Parteien drehen. "Die Politik soll wieder über relevante Themen reden", sagt Henriette. Vor allem Bildung und Care-Arbeit sind ihr dabei wichtig. Sie und Nike wollen mit ihrem Demobesuch den Fokus wieder auf Inhalte lenken. Politik müsse es wieder schaffen zusammenzukommen und Kompromisse zu schließen. Das sei Demokratie. 
Ekaterina Kel

Mit Haube gegen den Rechtsruck

Eine Gruppe älterer Frauen fällt in der großen Menschengruppe auf. Nonnen mit selbstgemalten Protestplakaten. Sie hätten sich bereits 2018 nach einer großen Demo gegen rechts organisiert, erzählt eine von ihnen, Schwester Ulla Mariam.

Es sei jetzt wichtig, Farbe zu bekennen. Denn der Rechtsruck stelle Menschenrechte infrage. „Am Schluss geht es aber immer um Menschen.“ Deshalb helfe es laut der Ordensschwester nicht, Sündenböcke zu suchen für Dinge, die im Land nicht gut liefen.
Die Nonnen demonstrieren für Demokratie.
Die Nonnen demonstrieren für Demokratie. Ekaterina Kel
Jana Wejkum

"Es ist wichtig, nicht leise zu sein"

Die Demo-Teilnehmer kommen nicht nur aus München: Yvonne Barth ist mit Magdalena (11) und Paula (13) aus Landshut angereist. "Es macht mir sehr viel Sorge, was gerade passiert", sagt Barth. "Wir hatten schon mal rechts, das ist nicht das, was ich für meine Kinder will." 
 
Provokant ist eine Gruppe von Oberstufenschülern unterwegs. "Rechts? Am Arsch" verkündet ihr passend bebildertes Plakat. Es ist Ergebnis eines Kunstprojekts zum Thema Provokation. Ganze 15 Punkte hätten Maxim und Jolan dafür abgestaubt, sagen sie - Bestnote. 
 
Maxim ist aus ganz persönlichen Gründen gekommen. "Ich hatte Vorfahren, die in Auschwitz ermordet wurden. Wir wollen nicht, dass es wieder passiert. Wir finden, dass nicht mit Rechten Politik gemacht werden sollte", erklärt er. "Es ist wichtig, nicht leise zu sein", fügt Jolan hinzu. 
 
Weiter vorn im Gemenge ragt ein Tierkopf aus der Menge: ein orangefarbener Dinosaurier ist zur Demo erschienen. "Die AfD sagt, sie sei das Volk, aber das stimmt nicht", meint die Stimme aus dem Inneren des Dinos. Seinen Namen verraten will er nicht, aber er sei Münchner. Was der Dino mit dem Protest zu tun hat? "Nichts! Das ist einfach so, zum Spaß!" 
Der Münchner Dino, daneben Yvonne Barth, Tochter Magdalena und Paula (r.).
Der Münchner Dino, daneben Yvonne Barth, Tochter Magdalena und Paula (r.). . Jana Wejkum
Oberstufenschüler präsentieren ihre selbst gestalteten Plakate.
Oberstufenschüler präsentieren ihre selbst gestalteten Plakate. . Jana Wejkum
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