Auf dem RindermarktMünchner Juden wegen Demo-Plänen in Sorge

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In der Synagoge auf dem Jakobsplatz versammeln sich am Freitagabend jüdische Münchner zum Gottesdienst.
In der Synagoge auf dem Jakobsplatz versammeln sich am Freitagabend jüdische Münchner zum Gottesdienst. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Nur hundert Meter von der jüdischen Synagoge entfernt will das vom Verfassungsschutz beobachtete Netzwerk „Palästina spricht“ am Freitagabend eine Kundgebung abhalten. Damit ist die Israelitische Kultusgemeinde nicht einverstanden.

Von Martin Bernstein

Der Gang zum Schabbat-Gebet am Freitagabend – wird er zum Spießrutenlauf? Das befürchten manche Münchner Juden. Denn das vom Verfassungsschutz beobachtete Netzwerk „Palästina spricht München“ hat für den Abend zu einer Kundgebung aufgerufen. Beginn ist am Rindermarkt, also nur hundert Meter von der Synagoge entfernt.

Münchens Ehrenbürgerin Charlotte Knobloch, Präsidentin der vor 80 Jahren nach dem Holocaust wiedergegründeten Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), ist empört. Sowohl der Weg als auch der Zeitpunkt der angemeldeten „Marsch-Demonstration“ zielten „bewusst auf den Synagogenbereich“, sagt sie. „Warum sie genehmigt wurde, kann ich nicht nachvollziehen.“

Demonstrationen müssen nicht genehmigt, nur angemeldet werden. In sogenannten Kooperationsgesprächen kann das städtische Kreisverwaltungsreferat (KVR) aber mit den Anmeldern über mögliche Änderungen reden. Etwa, wenn Probleme zu erwarten sind. Das Polizeipräsidium habe jedoch keine Sicherheitsbedenken, so die Behörde. Zudem bestehe kein Sichtkontakt zwischen der Versammlung und der Synagoge.

Die propalästinensische Kundgebung mit dem Titel „Stop The Genocide. Free Palestine“ war laut KVR ursprünglich am Marienplatz geplant gewesen. Da dieser belegt sei, sei sie „einvernehmlich mit dem Veranstalter“ auf den Rindermarkt verlegt worden. Von dort will die Gruppierung, die in der Vergangenheit mehrmals das Existenzrecht Israels bestritten hat, durch das Rosental ins Gärtnerplatzviertel ziehen und durch die Reichenbachstraße – auch dort steht eine ehemalige Synagoge – zurück zum Rindermarkt. In der Prälat-Zistl-Straße trennen nur wenige Meter die Demonstranten von der Ohel-Jakob-Synagoge.

Man nehme „die berechtigten Interessen der IKG sehr ernst“, heißt es aus dem KVR. Direkt nach der Anzeige der Versammlung habe ein Austausch mit dem Antisemitismus-Beauftragten der bayerischen Justiz, Oberstaatsanwalt Andreas Franck, stattgefunden. Kreisverwaltungsreferentin Hanna Sammüller-Gradl habe außerdem persönlich mit Charlotte Knobloch telefoniert. „Es wurde sichergestellt, dass die Gläubigen die Synagoge ohne Einschränkungen über den üblichen Weg vom Sendlinger Tor erreichen“, teilt das KVR mit.

Die Omas gegen Rechts haben schon einmal im Februar eine Menschenkette um die Synagoge gebildet.
Die Omas gegen Rechts haben schon einmal im Februar eine Menschenkette um die Synagoge gebildet. (Foto: Catherina Hess)

Synagogenbesucher, die aus anderen Richtungen zum Gebet kommen wollen, könnten jedoch Probleme bekommen. Die Münchner Polizei will auf Nachfrage Einschränkungen im Umfeld der Synagoge „nicht gänzlich ausschließen“. Sie will jedoch „die erforderlichen Maßnahmen treffen, um einen sicheren Zugang zur Synagoge zu gewährleisten“.

Der 92-jährigen Shoah-Überlebenden Charlotte Knobloch genügt das nicht: „Nein, mit dieser Regelung sind wir ganz und gar nicht einverstanden“, teilt sie auf Nachfrage der SZ mit. Sie hält es für „sehr wahrscheinlich“, dass einige jüdische Münchnerinnen und Münchner aus Sorge vor Übergriffen am Freitagabend nicht zu der um 19.30 Uhr beginnenden Kabbalat Schabbat kommen werden. In München ist es in den vergangenen Jahren wiederholt zu Attacken auf die Synagoge und auf jüdische Kippaträger gekommen.

Die Verantwortlichen bei der IKG begrüßen es deshalb besonders, dass Gruppen aus der Münchner Zivilgesellschaft angekündigt haben, von 18.30 Uhr an mit einer Menschenkette auf dem Jakobsplatz die Synagoge und ihre Besucher schützen zu wollen. „Diese Menschenkette ist ein wichtiges Signal, nicht zuletzt an die Stadt“, sagt Charlotte Knobloch. Sie dankte dem Bündnis „München ist bunt“ und den „Omas gegen Rechts“ für diese Initiative. „Wieder einmal ist Verlass auf sie: Sie handeln, wenn es darauf ankommt.“

Knobloch selbst möchte zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Menschenkette sprechen. „Unsere jüdischen Freundinnen und Freunde sind nicht allein. Wir stehen an ihrer Seite“, schreiben die Omas gegen Rechts in ihrem Aufruf auf Instagram. „Wir sind friedlich, aber entschlossen, uns Anfeindungen entgegenzustellen.“

Die Gruppierung „Palästina spricht“ antwortete bis zum Donnerstagmittag nicht auf eine SZ-Anfrage zu dem geplanten Demonstrationszug in Synagogennähe. So blieb auch die Frage, ob man mit einer möglichen Verlegung der Demonstration den Ängsten jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger hätte begegnen können, unbeantwortet.

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