Proteste von Impfgegnern:München verbietet unangemeldete Corona-Demonstrationen

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Auch an diesem Mittwoch wollten Impfgegner und Pandemie-Leugner wieder in der Münchner Innenstadt demonstrieren. Die Stadt hat das nun untersagt. (Foto: Thomas Vonier/imago)

Am Mittwochabend sollen zudem 1000 Beamte im Einsatz sein, um unangemeldete Aufmärsche wie vor einer Woche zu verhindern. Etliche Demonstranten kündigten vorab an, ihre Kinder mitzunehmen - auch mit dem Ziel, der Polizei den Einsatz von Pfefferspray zu erschweren.

Von Martin Bernstein

Die Stadt München hat alle als "Spaziergänge" angekündigten Versuche von Impfgegnern und Pandemieleugnern, ohne Anmeldung durch die Stadt zu ziehen, verboten. Die am Dienstag erlassene Allgemeinverfügung gilt zunächst für Mittwoch und Donnerstag. Betroffen davon sind auch die Anhänger der Gruppierung "München steht auf", die am Mittwochabend wieder zu Tausenden auf die Straße gehen wollten. Die Auflagen des städtischen Kreisverwaltungsreferats für eine stationäre Kundgebung auf der Theresienwiese wollten sie nicht akzeptieren.

Die Stadt will mit dem Schritt "einem Wildwuchs an in keiner Weise vertretbaren Demos mit zum Teil gewaltbereiten Teilnehmenden" vorbeugen, bei denen weder Mindestabstände eingehalten noch Mund-Nasen-Bedeckungen getragen würden. Wer an nicht im Vorfeld angemeldeten und nicht auflagenkonformen Demos gegen die Pandemiebekämpfung teilnimmt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die von der Polizei verfolgt wird. Gegen jeden einzelnen Teilnehmer kann laut Stadt ein Bußgeld bis zu 3000 Euro verhängt werden.

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Der Einsatz für die Münchner Polizei, die bereits vor Erlass der Allgemeinverfügung angekündigt hatte, am Mittwoch mehr als 1000 Beamte aufzubieten, ist durchaus heikel: Nach Angaben von Polizeisprecher Andreas Franken ist inzwischen mindestens ein Aufruf bekannt geworden, sich mit Messern zu bewaffnen. Am Dienstag vor Weihnachten wurde zudem in München ein radikaler Corona-Leugner festgenommen, der in einer rund 1000 Teilnehmer umfassenden Telegram-Gruppe dazu aufgefordert hatte, Brandanschläge auf staatliche Einrichtungen zu verüben. Der 30-Jährige wurde wegen der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten angezeigt. Etliche Demonstranten kündigten an, am Mittwoch ihre Kinder mitzunehmen - auch mit dem Ziel, der Polizei den Einsatz von Pfefferspray zu erschweren.

Als "beeindruckend" und "eine Manifestation des Willens zu laufen" bezeichneten die Organisatoren von "München steht auf" die Szenen vom vergangenen Mittwoch, als untergehakte Demonstranten die Polizeisperren auf der Ludwigstraße überrannten. Acht Polizisten wurden verletzt, elf Demonstranten festgenommen, 14 weitere wegen zum Teil schwerer Straftaten angezeigt. Melchior Ibing, einer der Sprecher der Gruppe, betont indes, es sei "ratsam", den eigenen Willen "anders zum Ausdruck zu bringen". Eine Kundgebung auf der Theresienwiese nannte er in einem am Dienstagmorgen veröffentlichten Video "inakzeptabel", ebenso eine Beschränkung auf 2000 Teilnehmer. "Wenn wir die Versammlung absagen müssen, werden sich die Menschen auch ohne Organisation dennoch versammeln", hieß es in einem offenen Brief an die Stadt.

Ob und in welcher Zahl sie das tun werden, ist nach dem Schritt der Stadt jedoch völlig offen. Oberbürgermeister Dieter Reiter betonte, nun habe die Polizei die Möglichkeit, "Verstöße gegen die Allgemeinverfügung zu verfolgen und Zuwiderhandlungen umgehend zu ahnden." Laut Gefahrenprognose des Polizeipräsidiums München lehnte bei bisherigen "Coronaspaziergängen" ein Großteil der Anwesenden die Einhaltung von Auflagen bewusst ab.

Demonstrationen seien teilweise kurzfristig vom Veranstalter abgesagt und im Anschluss unkontrolliert als Ersatzveranstaltungen durchgeführt worden, "bei denen die Teilnehmenden sich vermeintlich unorganisiert durch das Stadtgebiet bewegten", so die Begründung der Stadt. "Es kam zu einer Vielzahl von Verstößen." Natürlich könne weiterhin gegen die Pandemiebekämpfung demonstriert werden, stellte die Stadt am Nachmittag klar. Allerdings müsste dies mindestens 48 Stunden vorher angemeldet und gemäß der dort erlassenen Auflagen durchgeführt werden, "soweit keine unmittelbaren Gefahren für die öffentliche Sicherheit bestehen".

Zuvor hatten Demonstranten offen angekündigt, am Mittwoch neben der Ludwigstraße Sonnenstraße und Stachus zu Schwerpunkten ihrer Aktionen zu machen. Dort könne man von der Polizei nicht so leicht eingekesselt werden und zudem den Verkehr lahmlegen. Offen diskutiert wird von den "eigenverantwortlichen Menschen", wie Ibing sie nennt, das staatliche Gewaltmonopol. "Die Regierenden setzen offenbar auf Eskalation", warnen die einen. "Sie brauchen sie für ihr Narrativ von der gefährlichen radikalen Minderheit." Frieden sei deshalb der Weg, "auch taktisch". Unerwartet müsse man "auf friedliche Symbolik" umschalten.

Das "System" sei "fertig", schrieb dagegen ein anderer Anhänger der Gruppe auf Telegram: "Warum sich auf ihre Stufe herab begeben und ,verhandeln' wollen..." Die Zeit sei gekommen, heißt es in derselben Gruppe, den friedlichen Widerstand zu beenden: "Häuser von Politikern wären in Zukunft ein besseres Ziel. Es soll ihnen ja Angst und Bange werden."

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