Süddeutsche Zeitung

München:Das selbst gepflanzte Paradies

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Johanna Maria Pfeiffer fand einst bei ihrem Umzug nach Allach einen kärglichen Garten vor, "eine Kiesfläche um den Brunnen", wie sie sagt. Die heute 70-Jährige hat daraus in geduldiger Arbeit eine blühende Oase gemacht, die am "Tag der offenen Gartentür" besichtigt werden kann

Von Ulrike Steinbacher

Natürlich hat der Hagelsturm am Pfingstmontag auch ihren Garten erwischt. Hat viel Wilden Wein abgerissen, sodass unter dem leuchtend grünen Wandschmuck der kleinen Doppelhaushälfte jetzt an manchen Stellen wieder weißes Mauerwerk zum Vorschein kommt. Hat von den großen orangen Mohnblumen nur die Kapseln übrig gelassen. Ist in den Schwarzdorn gefahren und hat die Beeren auf den Boden geschmettert, die Vögel werden diesen Herbst leer ausgehen. Aber an ihrem Häuschen an der Weidmannstraße 34 in Allach ist kein Schaden entstanden, und das, so vermutet Johanna Maria Pfeiffer, hat sie vor allem ihren Rankpflanzen zu verdanken. Bei den Nachbarn haben die Hagelkörner nämlich acht Platten der - ungeschützten - Fassadenverkleidung durchschlagen. Efeu und Wilder Wein und Pfeifenwinde und Geißblatt mögen zwar ein bisschen gelitten haben, Johanna Maria Pfeiffers verwunschener Garten aber ist auch nach dem Hagel noch eine grüner Traum. Davon können sich Besucher am Sonntag, 30. Juni, beim Tag der offenen Gartentür überzeugen.

Im Juni 1980 ist die Künstlerin von der Augustenstraße ins beschauliche Hartmannshofen gezogen. Ihren Freund, die Katzen, den Hund und zwei Wellensittiche hatte sie dabei. Und ein Buch: "Der Naturgarten" von Urs Schwarz mit einem Vorwort von Horst Stern. Schon damals muss die Rotbuchenallee an der stillen Weidmannstraße, 1923 gepflanzt, prachtvoll ausgesehen haben. Und das Häuschen, ebenfalls aus dem Jahr 1923, das habe ihr auch sofort gefallen, erzählt die 70-Jährige. Der Garten allerdings entsprach nicht ihren Vorstellungen: "Eine Kiesfläche um den Brunnen rum", berichtet sie, noch heute mit Empörung in der Stimme. "Ein schmales Rosenbeet. Vorne zwei Föhren, hinten drei Lärchen, kein Busch, keine begrünte Fassade, nichts."

Also machte sich Johanna Maria Pfeiffer mit Leidenschaft ans Werk und verwandelte das kahle Grundstück in eine Oase für die Seele. Was sie brauchte, fand sie zur Not am Straßenrand: Einen Rhododendron, der schon unterwegs zum Wertstoffhof war, schwatzte sie seinem Besitzer ab und brachte ihn wieder zum Blühen. Irgendwo bei Odelzhausen, wo sie damals als Werbetexterin arbeitete, grub sie Wildsträucher aus und pflanzte sie um. "Da sind die Vögel am liebsten", erzählt sie.

Eine grüne Oase hat Malerin Johanna Maria Pfeiffer ...

... in ihrem Naturgarten in Hartmannshofen geschaffen.

Kunstwerke verstecken sich zwischen den selbst gezogenen Pflanzen. Fotos: Florian Peljak

Findig ist die Malerin und Kulturmanagerin bei der Zweitverwertung bis heute: Die sieben riesigen Blumenschalen aus milchiggrünem Kunstharz, die überall im Garten verteilt sind, waren in ihrem ersten Leben Lampenschirme in einem Eiscafé. "Da wächst's besonders gut", stellt Johanna Maria Pfeiffer fest und zeigt auf kerngesunde Dahlien, Tagetes und Astern. Alle ihre Blumen zieht sie selber, Sonnenblumen, Zinnien, Lupinen. Um diese Jahreszeit sind in den beiden Tischgewächshäusern aber nur noch die "Verreckerl" übrig. "Ich bringe es nicht übers Herz, was auszusortieren", gesteht sie. Alles wird gepäppelt.

Mit kleine Nischen hat Pfeiffer den schmalen, langen Garten gestaltet, das Grün der Pflanzen mit Kunst kombiniert. Hier eine Sitzgruppe vor einem Kunstwerk aus Marmor, Gneis und Muschelkalkziegeln gefasst von Metallschienen, dort zwei Liegestühle, hinter denen ein schmiedeeisernes Gartentor steht. Gegenüber eine hoch aufragende Skulptur aus Ahornholz, flankiert von einer Deutzie, deren Blüten der Hagel nicht vollständig ruinieren konnte. Am Brunnen eine steinerne Bank mit zwei asiatisch anmutenden Köpfen. Molche wohnen im Wasser, und eine Erdkröte hat sie neulich beim Aufräumen auch entdeckt, erzählt Pfeiffer. Auf ihren alten Wurzelstöcken hat sich ebenfalls neues Grün angesiedelt. Die Totholzhecke am westlichen Grundstücksrand ist für Tiere gedacht. Angelegt hat Pfeiffer sie schon vor Jahrzehnten. Sie pflegt sie hingebungsvoll, steckt immer wieder frische Äste nach, sodass das Dickicht Schutz vor Räubern bietet. "Da kann kein Eichhörnchen hin, da kann kein Rabe Eier klauen, die Katze sowieso nicht", sagt sie stolz.

"Wenn mir in meinem Leben was gelungen ist, dann das", resümiert sie und zeigt auf ihr Paradies. Genau genommen ist der Garten Johanna Maria Pfeiffers Leben. Geduld habe sie dort gelernt, sagt sie. Und "eine ganz andere Wertschätzung" für all die Pflanzen, die man nur mit viel Liebe aufpäppeln könne, auch wenn sie im Discounter für 40 Cent verscherbelt würden. Einerseits folge im Garten alles seiner Bestimmung ("Wenn ich Sonnenblumenkerne in die Erde stecke, kommen keine Tulpen raus") und das gebe Sicherheit und Ruhe. Andererseits bleibe nie etwas unverändert, alles wachse und vergehe. "Da dokumentiert sich Zeit", sagt sie. "Und das mal nicht im Faltenzählen."

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SZ vom 27.06.2019
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