München:Da sein in der Leere

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Es wird immer einsamer in den Einkaufszentren, ganz verwaist sind sie aber nicht. Betreiber versichern, sich um Lösungen für Geschäfte zu bemühen. Manche haben ihr Konzept schon angepasst - und ziemlich viel zu tun

Wichtig ist nur, dass es weitergeht", sagt Josef Blattner, der Manager des Mira-Einkaufszentrums an der Nordheide. Die Geschäfte in der Ladenmeile haben nun schon die zweite Woche geschlossen. Und es vergeht kein Tag, an dem von Blattner nicht erwartet wird, dass er die große Frage beantwortet: Wie geht es weiter? Der Damen- und Herrenfriseur im Mira hat erst vor Kurzem expandiert. Der Eigentümer, die Union Investment, überlege derzeit, wie die kleinen Geschäfte im Mira unterstützt werden können, erklärt Blattner. "Wir versuchen, menschliche, individuelle Lösungen zu finden." Es gibt aber auch schöne Nachrichten: Die Eisdiele "Gelatissimo" hat wieder geöffnet. Es ist Sonnenwetter!

Auf dem Platz zwischen den beiden Gebäudekomplexen der Pasing Arcaden hat sich ein Mann auf einer der Bänke in der Sonne hingestreckt. Andere nehmen es genauer mit den Auflagen. Viele tragen Masken. Was wohl ein seltsamer Anblick für die Schaufensterpuppen bei H&M im Erdgeschoss ist, die seit dem Lockdown ihre Klamotten nicht mehr gewechselt haben. Sie stehen in ihren luftigen Sommerkleidern da, verfolgen mit leeren Augen, was sich jenseits der Glasscheibe abspielt. Und das ist nicht viel. Vis-à-vis bei Gelatissimo ist geschlossen, im Café nebenan stehen die Stühle auf den Tischen. Bei Eilles, die von 9.30 bis 15 Uhr geöffnet haben, gibt es Rabatt auf Osterwaren. Die Mitarbeiterinnen tragen Mundschutz und Handschuhe. In einigen der Schuh- und Bekleidungsgeschäfte gibt es noch Leben im Stillstand. Mitarbeiter sortieren Waren, räumen auf. Aber wie lange werden sie das verkraften? Julian Kalcher, Sprecher der Unibail-Rodamco-Westfield Group, die auch die Riem Arcaden betreiben, teilt mit: "Wir stehen im fortlaufenden Dialog mit all unseren Miet- und Geschäftspartnern und versuchen, gemeinsam tragfähige Lösungen zu erarbeiten." Zudem strebt das Unternehmen eine strategische Kooperation mit der Online-Fashion-Plattform Zalando an, um den Einzelhändlern einen neuen Vertriebskanal zu eröffnen.

Nur ein Paar zu sehen: Impression aus dem fast menschenleeren Einkaufszentrum Meile Moosach am Bunzlauer Platz. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Im "Leckerwerk" im Evers am Oertelplatz sind Péter Staszkiv und seine Frau Katalin am Mittwoch guter Dinge. Landsleute decken sich mit ungarischen Spezialitäten für Ostern ein, die junge Familie will auch nach Ostern durchhalten. Nur "Systemrelevantes" wie der Lebensmittelmarkt, die Apotheke, das Tabak- und Lottogeschäft hat im Evers wie auch im Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) und der Meile Moosach geöffnet.

Für Vera Kahl, Inhaberin der Buchhandlung "Blattgold" im Einkaufszentrum Meile Moosach, läuft es besser als gedacht. Seit sie schließen musste, bietet sie einen kostenlosen Lieferservice an. "Wir werden geradezu überschüttet, aber es ist anstrengend." Sie hat das Personal deutlich aufgestockt, sie selbst habe einen bis zu 14-Stunden-Tag. Beim jeweiligen Center-Management heißt es unisono, man sei mit Vermietern und Mietern im Gespräch. OEZ-Center-Manager Serge Micarelli sagt, man habe sich darauf verständigt, dass man coronabedingt ausfallende Mietzahlungen zunächst nicht durchsetzen werde. Auch Karmen Kießling, Leiterin der Meile Moosach, äußert sich zuversichtlich, mit Mietern eine Lösung zu finden.

In den Riem Arcaden war schon vor Wochen wenig los, aber nun ist es noch stiller im Einkaufszentrum. Nur die kaum genutzten Rolltreppen hört man surren. Die Schnellrestaurants sind dicht, nur Bäckereien und Metzger versorgen noch mit Essen auf die Hand. Daneben sind der Drogeriemarkt, ein Lebensmittelgeschäft, ein Delikatessladen und natürlich die Apotheke geöffnet. Diesmal jedoch kontrolliert niemand vor dem Eingang das Einhalten von Hygienevorschriften. Das liegt wohl daran, dass der Andrang geringer ist, die Menschen stehen jetzt vor der Poststelle Schlange, beladen mit kleinen und großen Päckchen.

Entvölkert: Seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen hat der Andrang im Neuperlacher Pep nochmals nachgelassen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Verglichen mit der Situation zu Beginn der Ausgangsbeschränkungen vor gut zwei Wochen hat der Andrang der Kunden auch im Neuperlacher Pep noch einmal deutlich nachgelassen. Was kaum verwundert, haben doch inzwischen im ersten Stock fast alle Geschäfte geschlossen. Dort zieht allerdings der Drogeriemarkt noch immer ziemlich viele Käufer an - Seife, Desinfektionsmittel und Klopapier gehen halt immer. Das Gegenstück dazu findet sich im Untergeschoss mit den Supermärkten von Edeka und Kaufland. Die bevorstehenden Osterfeiertage treiben ganz offensichtlich mehr Menschen in die Lebensmittelgeschäfte. Was besonders ins Auge sticht: Einige Kunden, wenngleich immer noch eine kleine Minderheit, sind jetzt mit Mundschutz unterwegs.

Andere Kunden streben mit der Zielstrebigkeit von Panzerkommandanten ihrem Ziel entgegen - oft zum Leidwesen derer, die ihnen im Weg stehen. Vorbildlich hingegen harren die Menschen vor der Apotheke aus, bis die nächsten eingelassen werden. Noch schöner wäre es, hätte das Anstehen bald ein Ende.

Für jene, die am Gründonnerstag gegen Mittag zu "Lukullus" kommen, ist der Weg in die Heimat fast 100 Meter lang. Die Frühaufsteher haben es fast geschafft, gleich öffnen sich ihnen die Türen des polnischen Spezialitätenladens an der Guardinistraße. Viele Münchner Polen werden zu Ostern wohl nicht in die Heimat reisen, sie müssten dort zwei Wochen in Quarantäne. Also feiern sie Wielkanoc, wie Ostern auf Polnisch heißt, hier. Und kaufen noch schnell alles, was es für die österliche Sauerteigsuppe żurek halt so braucht.

© SZ vom 11.04.2020 / anna, bn, czg, gru, ilgd, ole - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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