Süddeutsche Zeitung

München:Da fliegen sie drauf

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Taubenhäuser gehören neben Informationsplakaten und Fütterungsverboten zu der Strategie, mit der die Stadt die Zahl der Vögel in Grenzen halten will. Jetzt wird die Förderung auf 30 000 Euro verdoppelt

Von Stefan Mühleisen, München

Das Federkleid der Tiere mag in vielen Variationen in Erscheinung treten, weißgrau gemustert, einheitlich dunkelgrau oder auch rotgrau gescheckt - doch wenn es um die Haltung zu den Stadttauben geht, kennen die Münchner eigentlich nur Schwarz oder Weiß: Die einen hassen die Vögel von ganzem Herzen als "Ratten der Lüfte", hätten sie gerne samt und sonders verjagt. Andere sind ihnen sehr zugeneigt, versorgen die Tauben teils tütenweise mit Essensresten.

Eine solche Taubenfreundin wird zum Beispiel regelmäßig am Forum Münchner Freiheit gesichtet. Sie entleere schnell ihren Behälter und verschwinde dann, wurde zuletzt dem Bezirksausschuss Schwabing-Freimann gemeldet. Die Folge: jede Menge Taubenkot im Forum. Die Politiker schimpften über die "Taubenplage" und forderten, die Stadt möge per Plakat auf das geltende Fütterungsverbot hinweisen. Womöglich wird der Anschlag aufgehängt - sicher ist hingegen, dass die Stadt mehr Geld ausgibt, um die "unumgängliche Koexistenz von Mensch und Taube erträglich zu gestalten", wie es in einer Beschlussvorlage heißt, die den Stadtrat passiert hat.

Konkret wurde das Förderbudget für sogenannte Taubenhäuser verdoppelt, auf 30 000 Euro jährlich. Es ist dies ein Angebot an Wohnungseigentümergemeinschaften, Grundstückseigentümer, Mieter und Unternehmen, sich Errichtung und Unterhalt solcher Anlagen auf den Dächern ihrer Objekte teilfinanzieren zu lassen. "Anreize statt Verbote", nennt die Referentin für Gesundheit und Umwelt (RGU), Stephanie Jacobs, diese Strategie. "Taubenhäuser können die Taubenpopulation tierschutzfreundlich beeinflussen und sie sorgen zudem für hygienische Bedingungen im Umfeld." Es solle damit, so fügt ein Behördensprecher hinzu, sowohl auf die Bürgerinnen und Bürger eingegangen werden, die unter den Stadttauben leiden, als auch für Taubenfreunde eine Möglichkeit geschaffen werden, sich in die Betreuung einzubringen und auf das Füttern zu verzichten.

Eine Art Königsweg also, die Fronten zu versöhnen. Inzwischen gibt es 17 Taubenhäuser in der Stadt, gut die Hälfte davon auf Privat- und Betriebsgelände; es sind kleine Häuschen zumeist auf Dächern, etwa auf dem Karstadt-Gebäude an der Münchner Freiheit, am Hauptbahnhof, an der Großmarkthalle oder nahe dem Bahnhof Obermenzing. Der Vorteil: Die Population wird auf konstantem Niveau gehalten, indem die Taubeneier durch Attrappen ersetzt werden. Die Tiere erhalten kontrolliert Futter, wodurch hygienische Probleme minimiert werden, und die Tauben überdies hoffentlich die Lust verlieren, im öffentlichen Raum nach Nahrung zu suchen, sodass sie auch ihren Kot vor allem im Taubenhaus hinterlassen. "Eine Win-win-Lösung für Mensch und Tier", findet Behördenleiterin Jacobs. Laut Vorlage wurden in einem städtischen Taubenhaus pro Jahr 360 Kilo Kot entfernt und 530 Eier gegen Attrappen ausgetauscht.

Taubenhäuser sind nur ein Teil eines städtischen "Drei-Säulen-Modells" im Umgang mit den Stadttauben. Säule Nummer zwei ist eine Informationskampagne, etwa Plakate mit der Aufschrift "Bitte nicht füttern!", wie sie sich der Bezirksausschuss an der Münchner Freiheit wünscht, sowie Broschüren und eine Beratungs- und Auskunftsstelle im Referat für Gesundheit und Umwelt (Telefon 23 39 63 00). Es gilt aber auch, Säule Nummer drei, ein Taubenfütterungsverbot in der gesamten Stadt, das bis zu 1000 Euro Bußgeld vorsieht, "je nach Schwere und Wiederholungshäufigkeit", wie ein RGU-Sprecher sagt. Der Vollzug obliegt dem Kreisverwaltungsreferat, bei dem jedermann unter 233 00 oder per Mail an bussgeldstelle.kvr @muenchen.de Verstöße anzeigen kann.

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SZ vom 07.04.2020
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