CybermobbingHass im Handy

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Der Online-Krisenexperte Christian Scherg erklärt Schülerinnen, wie Cybermobbing entsteht.
Der Online-Krisenexperte Christian Scherg erklärt Schülerinnen, wie Cybermobbing entsteht. (Foto: Catherina Hess)

Ein Schulprojekt zum Thema Cybermobbing zeigt, wie schnell ein Chat über das Ziel einer Klassenfahrt eskalieren kann - und dass Handyverbote keine Lösung sind.

Von Judith Hobmaier

"Es war krass, wie schnell eine Diskussion über das Ziel einer Klassenfahrt eskalieren kann", berichten Zara Yazgi und Yasmina Bekkaye. Die beiden Schülerinnen der Mittelschule Simmernstraße haben gerade an einem Anti-Cybermobbing Workshop teilgenommen und Christian Scherg, ein Online-Krisenexperte, versuchte dabei, die Jugendlichen für das Thema zu sensibilisieren. 30 Schülerinnen und Schüler aus drei neunten Klassen haben mitgemacht und sollten eine sachliche Chat-Diskussion über eine Klassenfahrt führen. Dafür waren sie in zwei Gruppen aufgeteilt: Team Poing und Team Berlin. Der Ärger ließ nicht lange auf sich warten.

Yasmina Bekkaye war im Team Berlin. "Innerhalb weniger Minuten fing meine Gruppe an, nicht mehr sachlich für Berlin zu argumentieren, sondern die anderen zu beleidigen", berichtet die Schülerin. Sie selbst habe die Gruppendynamik erschreckend gefunden. "Selbst wenn einer nicht mehr mitmacht, gibt es genug andere, die weiterbeleidigen." Zara Yazgis Gruppe, die die Klassenfahrt nach Poing als Ziel hatte, verhielt sich hingegen passiv und wurde so automatisch in die Rolle des Mobbing-Opfers gedrängt. "Wir gingen nicht mehr auf die Beleidigungen ein, schrieben als Antwort irgendwann nur noch das Wort Poing in den Chat." So lange, bis Team Berlin aufhörte.

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Was hier nur eine kontrollierte Übung war, passiere im Alltag leider sehr schnell, erklärt Nadine Berneis vom Verein "Deutschland sicher im Netz". Das Schul-Experiment fand im Rahmen eines europäischen Aktionsmonats für Cybersicherheit statt. So ein Chat schaukele sich schnell hoch, sagt Berneis, vor allem, wenn die entsprechende Gruppendynamik vorhanden sei. Das bestätigt auch Yasmina Bekkaye, schließlich wolle man "in einer Gruppe niemanden enttäuschen". Auch wenn die Angriffe im Internet, in Chats stattfinden, kennen sich die Mobber und ihre Opfer in der Regel. "Je nachdem, ob du cool bist oder schüchtern, wirst du schneller zur Zielscheibe", sagt Zara Yazgi.

Cybermobbing sei eine "Erweiterung zum bisherigen Mobbing, eine zusätzliche Plattform", sagt Birgit Dittmer-Glaubig, die Konrektorin der Mittelschule. Es unterscheide sich in erster Linie dadurch, dass man sich den Attacken kaum noch entziehen könne. Es reicht nicht mehr, einfach die Tür hinter sich zu schließen oder notfalls die Schule zu wechseln - das Internet ist überall. Und gemobbt werden kann rund um die Uhr. "Schüler zeigen uns Chats, die um drei Uhr nachts stattgefunden haben", berichtet die Lehrerin Isabel Franz. "Um diese Uhrzeit sollten 14-Jährige überhaupt kein Handy mehr in der Hand halten."

Doch was tun, wenn man zum Opfer wird? Das Cybersicherheit-Unternehmen Kaspersky hat deutschlandweit mehr als 500 Eltern dazu befragt. Laut der Studie wisse jedes vierte Elternteil nicht, was man dem eigenen Kind raten sollte, wenn es zum Ziel solcher Angriffe wird. Jeder dritte würde dem eigenen Nachwuchs als Konsequenz die Nutzung der sogenannten sozialen Medien verbieten. Dabei sei "der Zug von Verboten längst abgefahren", meint Konrektorin Dittmer-Glaubig. Und auch Yasmina Bekkaye findet, "Verbote bringen nichts". Die Expertin Berneis rät hingegen dazu, das Selbstbewusstsein der Jugendlichen zu stärken, einen achtsamen Umgang mit sozialen Medien zu fördern und - ganz wichtig - den Wert der persönlichen Daten zu erkennen und diese zu schützen.

An wen sich die beiden Schülerinnen im Ernstfall denn wenden würden? Da sind sie sich nicht ganz einig. Zara Yazgi würde auf jeden Fall mit ihren Eltern sprechen, sagt sie, denn die kennen sie besser als die "Lehrer, die dich nur sechs Stunden am Tag sehen". Das würde Yasmina Bekkaye wohl auch, sagt aber, die Lehrer seien ebenfalls gute Ansprechpartner. Denn nur sie haben einen Überblick über alle Schüler - und kennen somit auch die meisten Mobber.

© SZ vom 28.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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