Ganz am Ende seiner Amtszeit als Münchner CSU-Chef hat Ludwig Spaenle noch einmal einen rausgehauen, wie er es so gerne macht. Diesmal war es kein Spruch über die "nordkoreanische Schneise", wie er die Fraunhoferstraße mit dem neuen Radweg gerne nennt. Auch keiner über die Grünen, die "die moralische Überlegenheit mit dem Schöpflöffel gesoffen" haben. Diesmal ging es um ihn selbst. In der Runde der Kreisvorsitzenden erklärte Spaenle am Sonntagabend überraschend, dass er sein Amt auf dem nächsten Parteitag vorzeitig zur Verfügung stelle. Schon am 12. Oktober soll die Münchner CSU, sofern es das Coronavirus zulässt, seinen Nachfolger wählen, den er gleich noch selbst vorgeschlagen hat. Der Münchner Parteivize, Justizminister Georg Eisenreich, soll übernehmen. Der Posten des Stellvertreters soll an den Rathaus-Fraktionschef Manuel Pretzl gehen.
"Ich habe mir das über den langen Sommer sehr gründlich überlegt", sagte Spaenle am Montag. Dass er im Juli 2021 nicht für eine weitere Amtszeit antreten würde, sei ein unausgesprochener Fakt gewesen. Doch für sich und die CSU entschied Spaenle, dass der jetzige Zeitpunkt der richtige sei. "Ich habe die Kommunalwahl noch gestalten und verantworten wollen", sagt er. Nun liefen aber die Vorbereitungen für die Bundestagswahl 2021 an. Ein neuer Vorsitzender könne das "jetzt ganz anders angehen" als im kommenden Sommer. Sein Rückzug als CSU-Chef läute aber keineswegs seinen Abschied aus der Politik ein, betonte Spaenle. "Ich bin noch da und werde, so es meine Parteifreunde wollen, wieder für den Landtag kandidieren."
Vorgezogene Wahl:Neue Doppelspitze für die Münchner Grünen
Ursula Harper und Joel Keilhauer wollen die Erfolgsserie ihrer Partei in der Stadt nicht abreißen lassen. Die Bundestagswahl werde "kein Spiel auf Platz".
Spaenle folgte an der CSU-Bezirksspitze 2011 Otmar Bernhard nach. In dessen Sinne setzte er die Konsolidierung des Verbands fort, der in den 2000er Jahren von Skandalen durchgeschüttelt worden war. In der ersten Hälfte seiner Amtszeit stellte er zusammen mit dem späteren Bürgermeister Josef Schmid die CSU deutlich breiter auf und etablierte den Begriff der liberalen Großstadtpartei. Mit Erfolg: Schmid unterlag bei der OB-Stichwahl nur knapp Dieter Reiter (SPD) und bildete als Kopf der CSU im Rathaus mit den Sozialdemokraten von 2014 an die Stadtregierung.
Doch mit den Wahlerfolgen war es nach der Bundestagswahl 2017 vorbei. Damals brachte Spaenles Münchner CSU alle vier Direktkandidaten durch. Schon im Jahr 2018 folgte aber die desaströse Landtagswahl: Die CSU verlor die Mehrheit in der Stadt an die Grünen, und Spaenle selbst den Kampf um das Direktmandat und damit seinen Sitz im Landtag. Schon vorher hatte er hinnehmen müssen, dass ihn sein einstiger enger Vertrauter, Ministerpräsident Markus Söder, aus dem Kabinett geworfen hatte. Die Europawahl und die Kommunalwahl festigten einen massiven Umbruch in der Münchner Politik. Die Grünen und die CSU kämpfen auf Augenhöhe um die Vormacht in der Stadt.
Doch Spaenle stand all diese Jahre durch und blieb Münchner Parteichef. Mittlerweile sitzt er als Nachrücker wieder im Landtag, dazu hat er das Amt des Antisemitismusbeauftragten der Staatsregierung inne. Der Ludwig, heißt es in der CSU, der schüttelt sich nach einem Tiefschlag ein paar Mal, dann macht er mit Volldampf weiter. Doch nach der Kommunalwahl, bei der die CSU wieder aus dem Rathaus flog, und vor der Bundestagswahl, bei der die CSU den Trend der Grünen brechen und wieder stärkste Kraft in der Stadt werden will, sagt er nun selbst: Es ist Schluss.
Dass Georg Eisenreich an die Spitze der Münchner CSU rücken wird, gilt als ausgemacht. Die mächtigen Kreisvorsitzenden haben sich deutlich für ihn ausgesprochen, wie zum Beispiel Hans Theiss, Vorsitzender des Kreisverbands Mitte. "Georg Eisenreich ist ein exzellenter Kandidat", sagt er, und auch Spaenle wird noch gewürdigt. Die CSU sei ihm für seine Leistungen "großen Dank schuldig". Am Sonntag wird es nochmals eine große Gesprächsrunde mit wichtigen Amts- und Mandatsträgern sowie den Arbeitsgemeinschaften in der CSU geben. Kann sein, dass sich jemand findet, der gegen Eisenreich antritt, die Chancen dürften aber gering sein. "Ich bin zur Kandidatur für den Bezirksvorsitz der Münchner CSU bereit, wenn die Mandats- und Funktionsträger der Münchner CSU das nächsten Sonntag mehrheitlich unterstützen", sagt der Justizminister. Spaenle würdigte er als "Freund und Ratgeber", für dessen Leistungen er Respekt empfinde.
Wenn nun der 59 Jahre alte Spaenle an seinen 49 Jahre alten Stellvertreter Eisenreich übergibt, ist das eher ein Zeichen der Verjüngung und des Aufbruchs denn ein Signal für einen Kurswechsel in der Münchner CSU. Eisenreich hatte in den vergangenen Jahren bereits sehr viel Einfluss, nun wird er den Bezirksverband alleine steuern. Als München-Chef und Justizminister wird er der starke Mann sein, der den Kampf um die Stadthoheit mit den Grünen führen soll. Die SPD wird nach Meinung der CSU-Strategen dieses Duell nur mehr als Zuschauer am Rande verfolgen.
Für Eisenreich kommt der Wechsel zur rechten Zeit. Das Coronavirus hat den bundesweiten Lauf der Grünen, dem sich Spaenle und seine CSU auch in München nicht entziehen konnten, gebremst. Die Chancen auf ein vernünftiges Bundestagswahlergebnis zum Einstand stehen gut, weil die CSU-Werte auch allgemein wieder gestiegen sind. Eisenreich mag sich als designierter Vorsitzender vor seiner Wahl zu strategischen Plänen nicht äußern. Parteivize Josef Schmid formuliert aber ganz klar, wo er Potenzial sieht: in der Mitte. Nach Rechts habe man gut die Flanke geschlossen, sagt er, nun müsse die CSU in München wieder "sexy" werden für ein Klientel, das sich zwischen Schwarz und Grün entscheidet. "Nachhaltig, weltoffen, liberal", mit diesen Attributen werde man dort punkten können, gibt er die Linie vor. Man wird sehen, ob ihr auch der neue CSU-Chef in München dann folgen wird.