Süddeutsche Zeitung

Radfahren:Das Horrorszenario der CSU

Die CSU fürchtet, dass durch den Ausbau von Radwegen andere Verkehrswege beeinträchtigt werden könnten. Die Sorgen sind nicht unbegründet, jedoch übertrieben.

Kommentar von Thomas Anlauf

Die CSU hat schon Recht: Einen Radschnellweg zu bauen, wenn damit Busse und Trambahnen ausgebremst werden, weil Radler auf so einem Highway nicht an roten Ampeln stehen sollen, wäre Unfug. Aus diesem Grund - und weil die Münchner Christsozialen befürchten, dass wegen der Radtrasse Parkplätze wegfallen und sich die Autofahrer anstatt in der Leopoldstraße in kleinen Seitenstraßen Stellplätze suchen - hat die CSU die geplante Radtrasse rundweg abgelehnt. Doch damit hat sie Unrecht.

Denn es geht nicht darum, das umweltfreundliche Verkehrsmittel Fahrrad gegenüber dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu bevorzugen. Im Gegenteil: Die Verkehrswende in München kann nur gelingen, wenn Rad- und Fußgängerverkehr sowie Bus und Bahn gleichermaßen ausgebaut werden und Vorrang gegenüber dem Auto bekommen. Darin ist sich sogar der Stadtrat einig. Doch die CSU malt nun ein Horrorszenario an die Wand, dass Autofahrer keine Parkplätze mehr finden und sogar die Busse für Radler bremsen müssen. Das ist Unfug, denn bislang gibt es bei der Münchner Verkehrsgesellschaft noch gar keine Berechnungen, ob überhaupt Busse langsamer ans Ziel kämen, wenn es für die Radler in der Leopoldstraße eine grüne Welle gäbe.

Die MVG gibt sich sogar ziemlich optimistisch, dass es pragmatische Lösungen für das Problem geben könnte. Allerdings hätte die MVG dies schon längst signalisieren müssen, damit wäre der Grundsatzstreit über Radschnellwege erst gar nicht entbrannt.

Und für den Stadtrat sollte gelten: Pragmatische Lösungen sind besser als ideologische. Das gilt für die autofahrerfreundliche CSU ebenso wie für die Grünen. Ein Radschnellweg hat zwar das Ziel, dass Radler möglichst schnell vorankommen können. Doch in der dichten Innenstadt ist das eben nicht so leicht möglich, dort müssen alle aufeinander Rücksicht nehmen.

Wie wäre es damit: Die Ludwig- und Leopoldstraße wird deutlich zugunsten des Rad- und Fußgängerverkehrs ausgebaut, Parkplätze werden gestrichen, aber keine Bäume gefällt. Man braucht den kurzen Abschnitt vom Siegestor bis zur Münchner Freiheit auch nicht gleich Radschnellweg nennen, er muss aber dem ständig wachsenden Radverkehr gewachsen sein und den Radlern Komfort und Sicherheit bieten - auch den Fußgängern übrigens. Von der Münchner Freiheit bis zum Stadtrand könnten die Radler dann auf einer Schnelltrasse kräftig in die Pedale treten - das wäre auch im übertragenen Sinn eine grüne Welle.

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SZ vom 19.07.2019/lfr
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