Für ein starkes Abschlussbild haben sich praktisch alle auf und an dem kleinen Podium versammelt, die in der Münchner CSU Rang und Namen haben. Stadtchef Georg Eisenreich ist dabei, Rathaus-Fraktionschef Manuel Pretzl und ganz vorn natürlich Clemens Baumgärtner. Scheinbar gespannt warten sie auf dessen Ergebnis bei der offiziellen Wahl zum CSU-Oberbürgermeister-Kandidaten. Dabei geht es nur darum, ob er als einziger Bewerber 93,3 oder 99 oder 100 Prozent der Stimmen erhalten wird. Als dann 97,8 Prozent verkündet werden, reckt Baumgärtner die Faust nach oben. „Mit aller Demut, mit aller Freude“ werde er kandidieren, sagt er. „Wir werden diese Wahl gewinnen.“
Den Parteifreunden sind das Ergebnis und die Ansage einen stehenden Applaus wert, mit rhythmischem Einklatschen auf den Wahlkampf. Die CSU hat oft genug gezeigt, dass sie Inszenierungen wie die Inthronisation eines OB-Kandidaten wohl auch im Schlaf könnte. Die Delegierten haben sich diesmal in einem lässig anmutenden Loft in Obersendling versammelt, in der ehemaligen Siemens-City. Luftiger Blick über die Dächer der Stadt, Fußboden aus Beton, der Bewerber nicht im Trachten-Janker, der klassischen CSU-Uniform, sondern im blauen Anzug mit offenem weißen Hemd.
Ein moderner Macher soll hier gezeigt werden. Eine Rolle, die dem früheren Wirtschaftsreferenten und Wiesnchef liegt. So präsentiert sich der 48 Jahre alte Jurist in seiner Vorstellungsrede. Er stehe dafür, „nicht nur Visionen zu haben, sondern diese Ideen auch umzusetzen“, sagt er. Immer wieder spricht er von harter Arbeit und den Chancen, die das Leben und die Politik bieten.
Baumgärtner verwebt dabei das Politische mit dem Privaten. Er erzählt von seiner Kindheit mit der alleinerziehenden Mutter. Urlaub habe bei ihm zu Hause nicht Mittelmeer bedeutet, sondern Ungererbad, sagt er. „Ich habe als Schüler gelernt, hart zu arbeiten.“ Aber er habe früh Chancen bekommen in der Stadt, auch mit dem Ferienpass und dessen Angeboten. „Ein Symbol für die soziale Stadt.“
Die Stadt sei nun aber an einem „Wendepunkt“, sagt er nicht als erster Politiker, der in ein Regierungsamt drängt. Beim ersten Beispiel freilich trifft das zu, nämlich der Finanzpolitik. Mehr als sechs Milliarden Euro Schulden hätten sich in der Regierungszeit der jetzigen Koalition aus Grünen und SPD angehäuft, sagt Baumgärtner. „Das geht nicht endlos.“ Die Finanzpolitik der jetzigen Regierungsmehrheit sei „verantwortungslos“.
Dass ein sehr dicker Batzen dieser sechs Milliarden Euro Schulden auf Neubauten von Schulen und Wohnungen zurückgeht, die die CSU selbst in ihrer Regierungszeit mit der SPD von 2014 bis 2020 auf den Weg gebracht hat, darüber sieht Baumgärtner großzügig hinweg. Für ihn sind diese sechs Jahre an der Regierung mit der SPD rückblickend der Beweis, dass „wir es können“. Im Gegensatz zu Grünen und SPD.
Ganz besonders denkt Baumgärtner dabei an sein „Lieblingsthema“, die Mobilität. Die CSU hat für die grün-rote Verkehrswende längst einen Standardspruch: „Stau, Stillstand, Schikane.“ Wenn Baumgärtner für die Zukunft des Verkehrs in München schon eine andere Vision hat, dann verrät er kaum etwas davon. Sehr allgemein bekennt er sich nur zum Ausbau der U-Bahn, zur Bewahrung aller Fahrspuren auf den Münchner Straßen und sogar zum Bau von Radwegen. Jedenfalls dort, wo es die CSU für sinnvoll hält.
Sehr in die Tiefe geht er bei seinen Vorstellungen zur Sozialpolitik
Wie es sich für einen CSU-Kandidaten gehört, wird ein Schwerpunkt von Baumgärtners Wahlprogramm auf der inneren Sicherheit liegen. Mehr Polizei will er in der Stadt, was er allerdings beim Freistaat erreichen müsste. Dafür könnte München selbst, wie von Baumgärtner gewünscht, den eigenen Kommunalen Außendienst mehr und breiter einsetzen. „Null Toleranz“ und „ohne Sicherheit keine Freiheit“ könnten Hauptschlagwörter der CSU bis zur Kommunalwahl am 8. März 2026 werden.
Sehr in die Tiefe geht Baumgärtner dagegen bei seinen Vorstellungen zur Sozialpolitik. Mehr städtische Kitas einrichten, mehr Erzieherinnen ausbilden und bezahlen, die Bewerbung für einen Platz vereinfachen, so will er die Betreuungsnot der Eltern lindern. Seniorenheime sollen keine mehr geschlossen werden, für Pflegepersonal will er Wohnungen bauen. Die München Klinik mit ihren fünf Häusern müssten erneut aus ihrer Finanznot gerettet werden. „Die brauchen wir, die darf nicht sterben.“
Für seine Ziele will er einen neuen Führungsstil etablieren und in der Verwaltung aufräumen. „Auch mal zubeißen zu können, ohne die Fairness zu verlieren“, sagt er. Die politische Konkurrenz ging er nach diesem Motto auch eher kontrolliert an, Hetzereien wie von der Landes-CSU insbesondere gegen die Grünen kommen von ihm nicht. Seine Konkurrenten nennt er Verwaltungsverwalter und etwas verklausuliert einen „Spaltpilz“ (Oberbürgermeister Dieter Reiter, SPD) oder einen „Chefideologen“ (Bürgermeister Dominik Krause, Grüne).
Mit dem einen oder dem anderen der beiden könnte er künftig im Rathaus an der Stadtspitze zusammenarbeiten müssen. Der Münchner CSU-Chef Georg Eisenreich zeigt sich davon überzeugt, dass Baumgärtner das schafft. Sein Auftrag: OB-Wahl gewinnen und die CSU als stärkste Kraft im Stadtrat positionieren. Dafür sei er „der richtige Mann zur richtigen Zeit“.