Manchmal reicht schon ein schiefer Blick, ein kaum merkliches Augenrollen, um in einem Menschen etwas auszulösen. Bei Max Schnotale war es das abfällige Fixieren durch einen Taxifahrer, der ihn vor zwei Jahren auf dem Weg zur Christopher-Street-Day-Parade in der Münchner Innenstadt durch den Rückspiegel angeschaut hat. „Ich war, wie es beim CSD so ist, etwas schriller angezogen, regenbogenmäßig“, sagt Schnotale bei einem Treffen in einem Biergarten. „Das war sehr urteilend und abwertend.“ Eine Situation, in die er nicht mehr kommen und die er auch niemand anderem zumuten will – und gegen die er ankämpft. Schnotale ist nämlich selbst Taxifahrer.
Auf seinem Taxi, einem Kleinbus, prangt weithin sichtbar die Regenbogenfahne, passend zu den Pride Weeks, die am kommenden Samstag, 28. Juni, mit der CSD-Polit-Parade ihren Höhepunkt in München finden sollen. Tausende Menschen aus der queeren Community und darüber hinaus werden dann auch auf dem Straßenfest auf dem Marienplatz unter dem Motto „Liberté, Diversité, Queerité“ feiern und für queere Rechte demonstrieren.
Ein fröhliches Fest der Vielfalt, das mancher aber mit einem mulmigen Gefühl und der Angst, es könnte etwas auf dem Heimweg passieren, verlassen wird. Denn auch in Bayern steigt die Zahl queerfeindlicher Übergriffe kontinuierlich an. Insgesamt 289 Vorfälle waren es laut der Fachstelle gegen Diskriminierung und Gewalt „Strong“ im Jahr 2024, 59 mehr als noch im Jahr zuvor.
Max Schnotale geht mit seiner eigenen Homosexualität offen um. Er habe wegen seines Schwulseins aber noch nie einen körperlichen Übergriff erlebt. Dennoch bezeichnet er den schiefen Blick, den er von einem Berufskollegen abbekommen hat, als „Schlüsselmoment“. Denn Schnotale, privat in Berg am Starnberger See zu Hause, beruflich als Einzelunternehmer aber größtenteils in der Landeshauptstadt unterwegs, hat eine Initiative gestartet, auf die auch die Organisatoren des CSD sehnsüchtig gewartet haben: Gemeinsam mit mehreren Kollegen verwandeln sie ihre Taxis in „Safe Spaces“, sichere Fahrzeuge also, mit denen Menschen unbeschadet von der Pride nach Hause gelangen können.
„Wir sind für diese Aktion und die Kooperation absolut dankbar“, sagt Conrad Breyer, Pressereferent des Münchner CSD. „Denn es gab in der Vergangenheit immer wieder Übergriffe am Rande des CSD – und wir haben in Gesprächen mit der Community deutlich herausgehört, dass so etwas gewünscht wird.“

Bereits im vergangenen Jahr hat Schnotale einen zaghaften Versuch gestartet, die „Safe Spaces“ zum CSD buchstäblich ins Rollen zu bringen. „Aber das war zu kurzfristig und ich wurde auch etwas belächelt“, erinnert er sich. In diesem Jahr aber hätten zwei Kolleginnen aus der Zentrale der Taxi-München eG, der mit weit mehr als tausend Mitgliedern größten Berufsgenossenschaft der Taxifahrer in Deutschland, Wind von der Sache bekommen, so der 36-Jährige. „Sie waren mein Sprachrohr in die Genossenschaft rein. Ich bin dann selbst auf die Veranstalter des CSD zugegangen.“ Mittlerweile haben sich sechs Kollegen bereit erklärt, an der Initiative „Safe Spaces“ teilzunehmen und auch der Vorstand der Taxi-München eG unterstützt die Aktion offiziell.
Bei reinen Willenserklärungen aber soll es nicht bleiben. Schnotale plant, dass die Kollegen intern für den Umgang mit der queeren Community sensibilisiert werden – auch über den CSD hinaus. Rechtzeitig zum Wochenende soll die Funktion, bei der Buchung per Telefon oder App ein Safe-Space-Taxi anfordern zu können, implementiert werden. „Mein Ziel ist es, die Safe Spaces nicht nur beim CSD anbieten zu können“, sagt Schnotale. „Es gibt das ganze Jahr über so viele, auch kleinere Veranstaltungen wie Straßenfeste oder Auftritte von Dragqueens.“ All diesen Menschen wolle er eine sichere Heimfahrt ermöglichen – auch direkt vom Taxistand aus.
Schnotale fährt seit fünf Jahren Taxi, hat vor drei Jahren den Betrieb von seinem Stiefvater übernommen. Von körperlichen Übergriffen von Taxifahrern auf Fahrgäste in München habe er noch nichts gehört. „Das schließt aber nicht aus, dass Menschen mit Kollegen schon schlechte Erfahrungen gemacht haben und aus anderen Städten ist so etwas auch bekannt“, sagt er.
Grundsätzlich aber sei das Taxi, das ja Teil des öffentlichen Personennahverkehrs ist und Taxifahrer dementsprechend einer Beförderungspflicht unterliegen, eines der sichersten Verkehrsmittel überhaupt. „Die Sicherheitsanforderungen sind im Laufe der Zeit immer weiter gestiegen. Und das Wichtigste für die Fahrgäste ist die kleine schwarze Nummer in dem gelben Feld auf der Heckscheibe des Taxis“, sagt Schnotale. Mit dieser Nummer könnten bei Behörden, der Polizei und Taxizentralen alle Informationen über das Auto, den Unternehmer, den Fahrer oder die Fahrerin abgerufen werden; es sei auch möglich, alle Fahrten und Standorte nachzuvollziehen.
Das Taxi ist aber auch dann ein Safe Space, wenn sich ein Mensch in einer akuten Bedrohungslage befindet. „Darin können Menschen Zuflucht finden, und wir haben die Möglichkeit, über verschiedene Notrufsysteme die Polizei zu informieren“, sagt Schnotale. „Tür zu, wir sind weg und der Fahrgast ist erst einmal sicher.“
Am Abend des Straßenfestes wird sich Max Schnotale hinters Steuer seines Kleinbusses setzen. „Dann freue ich mich, queere Menschen sicher nach Hause zu bringen“, sagt er. Vielleicht könne er auch Taxizentralen und -unternehmen in anderen Städten dazu bewegen, seinem Beispiel zu folgen. Wünschenswert, sagt er, wäre es aber, wenn die Safe Spaces gar nicht benötigt würden. „Aber so weit sind wir leider noch nicht.“