Süddeutsche Zeitung

CSD-Parade:Ein großes Miteinander

Bereits zum 40. Mal wurde in München der Christopher Street Day gefeiert. Mit dabei war auch der Truck des Sportvereins "Team München", der zeigt, worum es bei der Parade geht.

Von Johanna Feckl

Es ist Samstagmittag kurz nach elf Uhr, in einer halben Stunde startet die Politparade des diesjährigen Christopher Street Day (CSD). Marco Buchner ist schon seit den frühen Morgenstunden hier. Jetzt steht er auf einem Truck und wühlt in einer Kiste mit Regenbogenfahnen. Er trägt kurze Hosen, auf der linken strammen Wade - typisch Fußballer - prangt ein Tattoo mit dem Schriftzug "Dahoam is dahoam". Mit einem geübten Griff fährt sich der 35-Jährige durch die braunen Haare und wühlt weiter auf dem Wagen des Sportvereins "Team München". Der Verein richtet sich mit einem Angebot hauptsächlich an Menschen aus der Gay- und Transgender-Community. Buchner ist keines von beiden, er ist heterosexuell. Und trotzdem ist er der Vorsitzende der Fußballabteilung.

Bereits zum 40. Mal findet die Parade zum CSD in München statt. Drei Stunden lang vom Marienplatz über den Max-Joseph-Platz zum Lenbachplatz, über die Sonnenstraße hinein ins Glockenbachviertel und zurück zum Ausgangspunkt. Der ursprüngliche Anlass der weltweiten Umzüge liegt in diesem Jahr genau ein halbes Jahrhundert zurück: Im Juni 1969 wehrten sich schwule Männer nach einer Polizeirazzia in der New Yorker Bar "Stonewall" gegen die Willkür der Beamten. Tagelang kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Deshalb stand der Münchner CSD heuer auch unter dem Motto "50 Jahre Stonewall - Celebrate diversity! Fight for equality!"

Nicht nur der CSD feiert Jubiläum, sondern auch das Team München. In den 20 Jahren seines Bestehens ist der Sportverein von 19 auf mittlerweile 850 Mitglieder angewachsen und ist damit der größte Verein seiner Art in der Landeshauptstadt. Marco Buchner ist seit zehn Jahren dabei. Ein damaliger Arbeitskollege nahm ihn mit zu einem Fußballtraining dort. Weil er doch früher immer so viel Sport gemacht habe und es bei den "Streetboys", so der Name des Fußballteams, ziemlich lustig sei. "Und dann bin ich dort eben hängen geblieben!" Habe sich halt so ergeben. Warum auch nicht? Buchner zuckt mit Schultern. Keine große Sache für ihn.

Das erste Bier ist gezapft, Regenbogenfähnchen zum Verteilen sind bereit, die Konfettikanonen gefüllt, und aus den Boxen des Trucks brüllt der Rapper Macklemore ungeduldig "Can't Hold Us", als sich um 12.30 Uhr der 40-Tonner vom Team München langsam in Bewegung setzt. Der Wagen trägt die Startnummer 50 und fährt damit grob in der Mitte der Parade. Es ist das erste Mal, dass der Verein mit einem Sattelschlepper an den Start geht. Zum 20. Geburtstag war klar, dass es etwas Besonderes geben sollte. Die vergangenen Jahre war es ein kleiner Lastwagen, davor gab es nur Fußgruppen. Die sind auch in diesem Jahr dabei. Direkt hinter dem Wagen laufen die Rugby-Männer, und auch Vertreter aus einigen der anderen Sportsparten haben sich eingereiht.

"Das ist Liebe"

Je weiter der Truck von Team München seinen Weg auf der Parade zurückgelegt, desto ausgelassener wird die Stimmung in seinem Inneren. Unterhaltungen sind kaum möglich. Zu laut hämmert die Musik aus den Boxen. Aber hieran scheint sich niemand zu stören. Da wird sich umarmt, zugeprostet, mitgesungen, getanzt, Konfettikanonen aufgefüllt - und Marco Buchner ist mittendrin. Wie alle anderen auch.

"Das ist Liebe", sagt Chris Seifert. Der 30-Jährige zeigt mit einem Kopfnicken auf seine Kollegen im Truck. Als der DJ wenig später für ein paar Minuten sein Pult verlässt - er muss mal schnell ums Eck gehen - und die Boxen verstummen, übernehmen Seiferts Kollegen kurzerhand den musikalischen Part. "Und lauter! Und lauter!", schreit Marco Buchner seinen Fußballern entgegen und animiert sie mit wild wedelnden Armen zu wahren Stimmungskanonaden. Jetzt singen auch die Menschen vor dem Truck immer lauter mit.

Seifert ist erst im vergangenen Herbst zu den Streetboys gestoßen. Jahrelang hat er ungeoutet Vereinsfußball gespielt. Er ist sich sicher, dass alles andere zu Gerede geführt hätte. Guck mal, der da, schon gehört? Es war ein kleiner Verein in einem kleinen Ort. Im Team München sei das anders. "Hier gehts um Fußball", sagt er. "Einfach nur um Fußball." Und darum, dass man vor und nach dem Training miteinander Gaudi machen kann.

Bereitet es schon Freude, das Treiben von Seifert und seinen Mannschaftskollegen zu beobachten, so lohnt sich erst recht der Blick in die Menge, die der Truck im Schritttempo passiert. Dragqueens, Männer in Leder und Masken, Jugendliche und Freundesgruppen, Familien mit Kindern, Paare mittleren Alters und auch ältere Herrschaften wie diese Frau, die am Gärtnerplatz ihren Rollator vor sich aufgebaut hat, unentwegt lacht und mit großen Augen den Truck verfolgt. Kurz: Bunt, alles ist bunt. Ganz München sieht der Parade zu, so scheint es aus dem Wagen heraus.

Die Menschen stehen auf Straßen und Stromkästen, hocken in Fensterrahmen und auf Balkonen. Selbst Mitarbeiter vieler Läden stellen sich vor die Türen, winken der Parade zu und beginnen zu lachen, wenn Männer vom Team-München-Wagen auf einzelne von ihnen mit dem Finger zeigen und ihre Blicke auffangen. Die Sicht vom Wagen herunter spiegelt das wider, was sich auf dem Truck abspielt. Ein großes Miteinander. Nichts anderes zählt.

"Team München" feiert sein Jubiläum am Samstag, 20. Juli, von 14 Uhr an in der Hans-Sachs-Straße.

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Quelle:
SZ vom 15.07.2019/amm
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