Am Mittwoch hat es Christian Ranft schon geahnt. Vor ihm auf dem Hockeyplatz schießen sich ein einsamer Spieler und ein Trainer ein paar Bälle zu, das Klackern der Schläger hallt traurig über den Platz, an Mannschaftstraining ist derzeit nicht zu denken. Aber hinter Ranft, in der Tennishalle des Hockey- und Tennisclubs Wacker München, läuft der Betrieb da noch so regulär, wie in diesen Zeiten eben geht. Einzelspiele sind erlaubt, Doppel nicht, aber immerhin. Doch dass sich das bald wieder ändern könnte, ist Ranft, dem Tennisvorstand des HC Wacker und Betreiber der dortigen Tennisschule, da schon klar. "Wenn die Maßnahmen wieder verschärft werden, sind wir wahrscheinlich die ersten, die wieder aufhören müssen", sagt er. Dass es nun so schnell ging, hat ihn dann aber doch überrascht.
Am Donnerstagabend hat die bayerische Staatsregierung verfügt, dass der gesamte Indoor-Sportbetrieb ab Freitag eingestellt wird, ausgenommen ist lediglich der Schul- und Profisport. Grund für die Entscheidung ist die Klage einer Fitnessstudio-Betreiberin, die mit Verweis auf das Gleichheitsprinzip erreichen wollte, dass sie ihr Studio wieder öffnen darf. Wenn Sport in der Halle anderswo erlaubt ist, warum dann nicht auch im Fitnessstudio, so die Argumentation. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gab ihr unter Einschränkungen recht und mahnte die Staatsregierung an, die Gleichberechtigung der Indoor-Sportbetriebe herzustellen. Was diese umgehend tat - mit einem umfassenden Verbot des Hallensports.
Bei denen, die damit ihr Geld verdienen, kommt das naturgemäß nicht gut an. Otto Miklos etwa ist seit 1982 Betreiber des Parkclubs Nymphenburg, acht Squash- und Badmintonplätze gibt es hier. Auch hier sind am Mittwoch noch die Sportler ein- aus ausgegangen, natürlich nicht so viele wie sonst und alle außer während des Spiels mit Maske, aber es durfte eben noch gespielt werden. Miklos hat viel dafür getan, ein Hygienekonzept entwickelt, Desinfektionsmittelspender aufgestellt, die Lüftungsanlagen in den Hallen laufen seit Corona 24 Stunden am Stück. Jetzt ist es damit erst mal wieder vorbei und Miklos fühlt sich ein bisschen als Opfer der großen Politik. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshof habe der Staatsregierung nicht gepasst, sagt er, deshalb habe man nun alles verboten, um die mit Auflagen verbundene Öffnung der Fitnessstudios zu verhindern. "Das war nicht richtig", sagt er.
Für Miklos kommt die Maßnahme zur Unzeit, gerade jetzt, wenn es draußen kalt und dunkel ist, sei in seiner Halle am meisten Betrieb. "Im Winter verdienen wir unser Geld", sagt er. Doch das Monetäre ist das eine: Auch dass die Leute nun den Sport nicht mehr ausüben können, den sie hier alle so lieben, beschäftigt Miklos. "Dauernd wird darüber geredet, was die Corona-Maßnahmen mit der Psyche der Menschen machen", sagt er, "genau dafür wäre Sport als Ausgleich wichtig." Eine Auffassung, die auch Stephan Schmidt teilt, den man am Mittwoch bei einer Partie Badminton trifft. Sechsmal die Woche komme er hierher, gerade jetzt, wenn man den ganzen Tag zu Hause sitzt und quasi nur noch zum Einkaufen rausgeht, sei Bewegung essenziell. "Natürlich fehlen gerade die sozialen Kontakte, das Bier nach dem Spielen in der Kneipe hier", sagt er, "aber wirklich wichtig ist der Sport."
Auch beim HC Wacker betonen sie die Bedeutung des Sports. Zu Beginn des Teil-Lockdowns haben sie gemerkt, welchen Stellenwert Bewegung für Menschen während Corona hat, im November war die Halle so gut wie durchgehend ausgebucht. Aber klar, sagt Ranft am Mittwoch, "jeder, der noch irgendwo einen Schläger liegen hat, packt den jetzt aus". 305 Kinder und Erwachsene spielen in der Halle in Sendling Tennis, gerade für die Jüngeren war das Training in den letzten Tagen eine der wenigen Gelegenheiten, sich auszutoben. "Viele Eltern waren deshalb heute Morgen in heller Aufregung", sagt Ranft am Freitag am Telefon. Mit der Einstellung des Indoor-Sports hätten nun viele Kinder noch weniger Möglichkeiten, sich zu bewegen.
"Hätte das Fitnessstudio nicht geklagt, hätten wir jetzt geöffnet"
Von der Entscheidung der Staatsregierung hat Ranft als Erstes aus den Medien und über Bekannte erfahren, am Freitagmorgen um sieben ist er zur Halle gefahren, hat die Platzbuchungen storniert und zugesperrt. Für das Verbot hat Ranft durchaus Verständnis, nur das Zustandekommen hat ihn genau wie Otto Miklos irritiert. Damit Fitnessstudios nicht öffnen dürfen, müssen sie zumachen, so kommt das bei ihnen an. "Da fühlt man sich ein bisschen über einen Kamm geschert", sagt Ranft. Und Miklos meint: "Hätte das Fitnessstudio nicht geklagt, hätten wir jetzt geöffnet."
Dass nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs die Fitnessstudios reihenweise wieder geöffnet hätten, wäre laut A. J. Green nicht zu erwarten gewesen. Er betreibt das Studio "A. J.s Fitness" im Münchner Norden. Als unter der Woche die Nachricht kam, dass die Studios unter Auflagen wieder öffnen dürfen, hat er sofort abgewunken. Wegen der geringen Zahl der Personen, die gleichzeitig an die Geräte gedurft hätten, hätte es sich nicht gelohnt aufzumachen. "Für kleine Studios vielleicht", sagt er, aber "für Größere wie uns hätte das keinen Sinn gemacht." Und da die meisten Studios mittlerweile von großen Ketten betrieben werden und die einzelnen Filialen tendenziell für viele Gäste ausgelegt sind, hätte sowieso nur eine kleine Zahl von Betrieben überhaupt von der Gerichtsentscheidung profitiert.
Christian Ranft sagt, langfristig könnten die Corona-Maßnahmen zur Gefahr fürs Vereinsleben werden. Der HC Wacker sei "ein relativ gesunder Verein", kein Mitgliederschwund wie anderswo, die Finanzen sind in Ordnung. Doch wenn die Halle ständig wiedereröffnet und geschlossen und die Saison dauernd ab- oder unterbrochen wird, gehe das auf die Motivation der Sportler, ganz abgesehen vom sowieso schon eingeschlafenen Vereinsleben abseits der Sportplätze. Der HC Wacker hat nicht das schönste Vereinshaus, die um die Jahrtausendwende gebaute Tennishalle ist nicht mehr die neueste. Was den Verein ausmacht, seien seine Mitglieder, sagt Ranft. Es wäre schade, wenn nun welche verloren gingen.