Süddeutsche Zeitung

Ende der Osterferien:Wie gut sind Münchens Schulen auf Distanzunterricht vorbereitet?

Am Montag kehren viele Schüler in die Klassenräume zurück - zumindest vorläufig. Mit Blick auf die steigenden Corona-Zahlen stellt sich die Frage: Was passiert, wenn wieder alle vor die Computer müssen?

Von Kathrin Aldenhoff

Eine Kreidetafel gibt es im Gymnasium München-Nord nicht mehr. Es gibt Whiteboards, die sehen aus wie eine Tafel, nur sind sie eben weiß statt grün. Interaktiv sind sie, sagt Andreas Kolmeder, Lehrer und Administrator an der Schule. Man kann darauf Filme abspielen, kann über den Laptop ein Programm öffnen und mit dem Finger oder einem digitalen Stift auf der Tafel schreiben und am Ende der Stunde ein PDF vom Tafelbild speichern. Ein Kollege hat das Board zwei Tage vor den Osterferien allerdings ganz analog genutzt und hat eine Gleichung an der Tafel gelöst. Mit schwarzem Filzstift statt mit Kreide.

"Die ganze Technik unterstützt das Lernen nur, wenn man sie mit Leben füllt, und dafür braucht es ein engagiertes Kollegium, das sie entsprechend nutzt", sagt Petra Reinold, Leiterin des Gymnasiums München-Nord. "Die neue Ideen einbringen. Aber auch mal ein lockeres Kabel einstecken." Für lockere Kabel ist an ihrer Schule Andreas Kolmeder zuständig. Drei Kilometer weiter südlich, am Lion-Feuchtwanger-Gymnasium, kümmert sich IT-Lehrerin Daniela Ringleben um Kabel, iPads und den Instagram-Account der Schule. Schulleiter Wolfgang Fladerer nennt sie den "Motor der Entwicklung" an seiner Schule.

Auch Corona war ein Motor der Entwicklung, nämlich für die digitale Bildung. Die IT-Ausstattung der Schulen wird seitdem ausführlich diskutiert. Wenn am Montag die Schule wieder beginnt, werden die Münchner Schüler erst einmal so weitermachen, wie vor den Osterferien. Sie sind in zwei Gruppen eingeteilt und haben abwechselnd Unterricht im Klassenzimmer oder bearbeiten zuhause Aufgaben. Wechselunterricht heißt das. Ausnahme: die Schulen, die so große Klassenzimmer haben, dass dort der Mindestabstand von eineinhalb Meter gewahrt werden kann, auch wenn alle Schüler da sind.

Wie lange das so bleibt, weiß keiner. Denn steigt die Sieben-Tage-Inzidenz über 100, dann soll in Bayern wieder grundsätzlich Distanzunterricht stattfinden. Dann bleiben die meisten Schüler und die meisten Lehrer wieder zuhause und sehen sich, wenn überhaupt, nur auf ihren Bildschirmen. Wie gut dieser Distanzunterricht funktioniert, das ist unterschiedlich. Genauso wie die technische Ausstattung der Schulen sehr unterschiedlich ist.

Es gibt Schulen wie das Gymnasium Trudering oder das Gymnasium München Nord, 2013 und 2016 eröffnet; moderne Schulen, mit Wlan und Laptops in allen Klassenzimmern. Es gibt Schulen, die haben mehr Leih-iPads für Schüler als gebraucht werden. Es gibt Schulen, die zu wenige davon haben. Schulen, in denen erst neue Leitungen und Kabel verlegt werden müssen, ehe es dort Wlan geben kann. Und es gibt ein paar Schulen, die sind noch nicht einmal ans Glasfasernetz angeschlossen. Dazwischen ist so gut wie alles möglich.

100 Millionen Euro

Weit mehr als 100 Millionen Euro koste die IT für die Schulen im Jahr, sagt Martin Janke, der als Geschäftsführer LHM Services GmbH (LHM-S) für die IT-Ausstattung der Münchner Schulen zuständig ist. Die Stadt erhält aus dem Digitalpakt einmalig rund 60 Millionen Euro zugeteilt, dazu kommt das Geld aus den Sonderbudgets für Lehrerlaptops und Leihgeräte für Schüler.

Die LHM Services GmbH (LHM-S) ist für die IT-Ausstattung der Münchner Schulen zuständig und hat inzwischen 1000 der versprochenen 2000 Wlan-Router ausgegeben. Alle Schulen, die noch kein festes Wlan haben, sollen ab April mit den Routern arbeiten können, sagt Geschäftsführer Martin Janke. Außerdem sollen in 50 Schulen bis zu den Sommerferien die wichtigsten Bereiche mit Wlan abgedeckt werden. Bis 2025 sollen dann alle Wlan haben. Was Janke auch sagt: Es ist noch gar nicht so lange her, da wollten gar nicht alle Schulen Wlan.

Eine der Schulen, die bis zu den Sommerferien Wlan bekommen soll, ist das Thomas-Mann-Gymnasium in Forstenried. Sie hofft, dass das zeitnah klappt, sagt Schulleiterin Bärbel Ebner. "Ein stabiles Netz im Schulgebäude ist das Entscheidende für uns. Wenn wir zu jeder Zeit aus jedem Klassenzimmer digital arbeiten könnten, wäre das ideal." Im Moment arbeiten ihre Kollegen und sie mit zehn mobilen Routern. Was nicht klappt: Livestreams aus dem Klassenzimmer. Nicht, dass sie die immer nutzen würde, sagt Bärbel Ebner. Aber praktisch wäre es zum Beispiel für Schüler, die krank sind. Oder die 14 Tage in Quarantäne müssen. "Manches wäre leichter, wenn man einfach streamen könnte. Und zwar so, dass es allen etwas bringt." So, also, dass man alles verstehen kann, was im Klassenzimmer gesprochen wird.

Distanzunterricht als Livestream aus dem Klassenzimmer? Das wäre an seiner Schule nicht möglich, sagt auch Markus Schättler, Rektor der Grundschule am Gärtnerplatz. An den Klassenzimmerlaptops könne man die Kamera nicht nutzen, es gebe keine Mikrofone in den Räumen und kein flächendeckendes Wlan. Er sagt aber auch: Selbst wenn streamen möglich wäre, würden das nicht alle Lehrer nutzen.

Abgesehen davon wäre seine Schule für einen erneuten Distanzunterricht inzwischen ausreichend ausgestattet, sagt Schättler. Sie haben zwar kein festes Wlan im Schulgebäude, aber vor einem Monat drei mobile Wlan-Router bekommen. Damit könnten auch die Schüler in der Notbetreuung an der Morgenkonferenz teilnehmen. Vorher war das nicht möglich. Inzwischen haben sie auch genug Leih-iPads für die Schüler. Anfangs waren es 36 - die reichten bei Weitem nicht aus, sagt Schättler. Jetzt seien es doppelt so viele.

Im zweiten Lockdown lief der Distanzunterricht bereits viel besser als im ersten, da sind sich Schulleiter und Eltern einig. Aus Sicht der Eltern ist die Kommunikation zwischen Schulen, Eltern und Kindern besser geworden, ebenso der Umgang mit digitalen Medien, sowohl bei Schülern als auch bei Lehrern. Das hat eine Online-Umfrage der Gemeinsamen Elternbeiräte (GEB) von Grund- und Mittelschulen verschiedener bayerischer Städte ergeben. Sie haben im Januar und Februar Eltern unter anderem in Fürstenfeldbruck, Fürth und Bamberg zum Distanzunterricht befragt, in München nahmen mehr als 4700 Eltern von Grundschulkindern an der Umfrage teil.

Und obwohl es inzwischen schon deutlich besser läuft mit dem Distanzunterricht, gibt es Ergebnisse, die Anita Störmann vom GEB der Grundschulen München wütend machen. Furchtbar findet sie es, dass die Hälfte der Kinder in der Notbetreuung nicht am Distanzunterricht der eigenen Klasse teilnehmen können. Dass immer noch nicht alle Kinder, die ein Endgerät brauchen, auch eines haben. Drei Prozent der Münchner Eltern sagten, sie hätten eines angefragt, aber keines erhalten. Zwölf Prozent gaben an, sie bräuchten eines, hätten aber nicht gewusst, dass die Möglichkeit besteht, eines zu bekommen. Hinzu komme, befürchtet Störmann, dass die Daten der Umfrage vermutlich zu positiv seien. Denn wer zu wenig Endgeräte habe, nehme vielleicht seltener an einer Onlineumfrage teil. Auch die Lehrer haben noch nicht ihre versprochenen persönlichen Laptops bekommen, 10 000 Geräte sollen verteilt werden. Die Hälfte, 5000 Stück, sind bestellt, sagt LHM-S-Chef Janke. Er rechnet im Mai oder Juni mit den ersten Lieferungen. Ein Problem sei der schwierige Weltmarkt, jeder brauche gerade Laptops.

Wenn also bald wieder der Distanzunterricht beginnen sollte, dann noch ohne Lehrerlaptops, aber mit deutlich mehr Wlan und mehr Leihgeräten. "Wir werden es hinkriegen", sagt Schulleiterin Bärbel Ebner. Man müsse aber darauf achten, keinen Schüler zu verlieren. Schulleiter Wolfgang Fladerer sagt, es gebe leider Kinder, die im Distanzunterricht "hinten runter fallen". Zwei bis drei Kinder pro Klasse, schätzt er. Denen man drei Mal hinterherrufe, weil sie verschlafen haben.

Daniela Ringleben erzählt dann noch von der TikTok-Challenge. Wie ein Augsburger Youtuber Schüler dazu anstiftete, Kurslinks zu veröffentlichen und die Onlinekurse so zu stören. Ein paar Attacken hatten sie, seit einigen Wochen ist aber Ruhe. "Mit so etwas haben wir Älteren ja gar nicht gerechnet", sagt Wolfgang Fladerer, der das Lion-Feuchtwanger-Gymnasium seit 17 Jahren leitet. Und es ist ihm anzusehen, wie froh er ist, dass sich seine IT-Betreuerin um so etwas kümmert.

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SZ vom 10.04.2021/syn
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