Bewerbung als Modellkommune:"München steht bereit"

Coronavirus - München

München bewirbt sich für das geplante Modellprojekt des Freistaats, in dem von 12. April an acht Kommunen für zwei Wochen bestimmte Bereiche des öffentlichen Lebens öffnen dürfen - bei einer Inzidenz von mehr als 100.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Bei einem Inzidenzwert von mehr als 100 könnte München für ein Modellprojekt, das Lockerungen vorsieht, in Frage kommen. OB Dieter Reiter wirbt vehement dafür.

Von Heiner Effern

Den Oberbürgermeister stört schon eine Weile, dass bei der Bekämpfung der Coronakrise den vielen kräftigen Worten in Bund und Land zu wenige kräftige Taten folgten. Um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, selbst zu dieser Spezies von Politikern zu gehören, hat er gleich nach der letzten Vollversammlung einen Brief abgeschickt. Darin bewirbt sich München wie beschlossen für das geplante Modellprojekt des Freistaats, in dem von 12. April an acht Kommunen für zwei Wochen bestimmte Bereiche des öffentlichen Lebens öffnen dürfen - bei einer Inzidenz von mehr als 100. Der Wert liegt in München derzeit bei 97,3, doch bis die Staatsregierung sich in diesen Tagen wie angekündigt festlegt, wird zumindest dieses Kriterium wohl erfüllt sein.

Nun wartet die Stadt also auf Nachricht, wie die weiteren 80 Landkreise und kreisfreien Städte, die sich bis Sonntag beworben hatten. Dass Großstädte keine guten Chancen haben sollen, schreckt in München niemanden ab. Ein Modellprojekt zeichne sich dadurch aus, dass es kleine, mittlere und große Kommunen abbilde, heißt es aus dem OB-Büro. Die Stadt sei breit aufgestellt für die nötigen Tests, mit denen die Münchner nach dem Vorbild von Tübingen am gelockerten öffentlichen Leben teilnehmen könnten. Gerade die Theater, aber auch die Gastronomen könnten zum Beispiel umgehend fertige Hygiene-Konzepte vorlegen und umsetzen. "München steht bereit", sagte OB Reiter.

Wenn München als Gesamtstadt für Lockerungen im Modellprojekt zu groß sei, könne man in Teilbereichen wie der Kultur oder in der Wirtschaft lockern, sagte Anna Hanusch, Fraktionschefin der Grünen. Man müsse die Kontakte streng nachverfolgen und vor allem das Ergebnis auch wissenschaftlich untersuchen. "Da haben wir in der Pandemie eine Schwachstelle." Grundsätzlich müsse man wegen der stark steigenden Ansteckungszahlen prüfen, ob man am 12. April "schon an dem Punkt ist", um zu starten. Auch die SPD will trotz der Unwägbarkeiten "an der Bewerbung festhalten", sagte Fraktionssprecherin Anne Hübner. Köln solle wohl in Nordrhein-Westfalen Modellkommune nach gleichem Muster werden. Das zeige, dass sich Großstädte dafür sehr wohl eigneten.

Die Fraktionen in der Opposition finden die Bewerbung München als Modellkommune auch richtig, die einen wollen mehr wagen, die anderen es lieber vorsichtig angehen. Dazu gehört Stefan Jagel von der Linken, der als Voraussetzung dafür lieber sinkende Ansteckungszahlen hätte. ÖDP-Stadtrat Tobias Ruff findet, dass positive Effekte aus Tübingen nicht in einem weiteren Versuch getestet, sondern gerne "gleich flächendeckend" übernommen werden sollten.

Die Fraktion FDP-Bayernpartei hätte ein solches Modellprojekt am liebsten schon erlebt statt es nun zu begrüßen. "Wir teilen die Haltung von Kanzlerin Merkel nicht, dass man nun alle Modellprojekte stoppen sollte", sagte Fraktionssprecher Jörg Hoffmann. Diese Meinung teilt die CSU, die Münchens Bewerbung mit einem Antrag im Stadtrat forciert hat. Gerade jetzt bei den Inzidenzzahlen müsse man das Projekt umsetzen, sagt Fraktionschef Manuel Pretzl. Und München als Großstadt müsse "unbedingt" dabei sein.

Da die Stadt während der Pandemie ohnehin kaum etwas selbst entscheiden kann, hat OB Reiter gleich noch einen Brief an den Freistaat geschickt. Darin fordert er, dass Schülerinnen und Schüler die nötigen "Selbsttests bereits vor Unterrichtsbeginn zu Hause in einer vertrauten und sicheren Umgebung" durchführen könnten. Derzeit dürfen im Freistaat Kinder und Jugendliche bei einer Inzidenz über 100 nur dann den Präsenzunterricht besuchen, wenn sie einen in der Schule absolvierten Test vorweisen können.

Reiter hält das für einen Fehler, wie er in dem Schreiben ausführt. Wer erst in der Schule positiv getestet werde, stecke bei der Anfahrt im öffentlichen Nahverkehr oder im Klassenverbund möglicherweise andere an, erklärte er. Dazu könnte eine Stigmatisierung in der Schule bei einem positiven Test ausgeschlossen und gerade bei kleineren Kindern die Nachricht in der Familie besser aufgefangen werden. Daneben würde eine noch stärkere Belastung der Lehrerinnen und Lehrer durch das Testen vermieden.

Das sei in der Schule in der Praxis ohnehin "total schwierig", sagte auch SPD-Fraktionssprecherin Hübner. Tests zu Hause könnten die Bereitschaft der Eltern dafür erhöhen. Dass diese dabei gründlich vorgehen, "das kann man ihnen schon zutrauen". Die Grünen finden, dass Tests zu Hause die bessere Lösung sind, solange eine stringente Organisation in der Schule, eine Betreuung der Lehrkräfte und ein Puffer im Stundenplan fehle. Und bis die Beschäftigten in den Kitas und Schulen geimpft seien, so Hanusch. FDP-Stadtrat Jörg Hoffmann glaubt nicht, dass Tests zu Hause zielführend seien, weil "zu viele Eltern eine seltsame Einstellung" zu Corona hätten und möglicherweise einen positiven Test nicht beachten würden. Ganz "pragmatisch" würde CSU-Fraktionschef Pretzl Tests in der Schule und zuhause erlauben: "Das soll jede Schulfamilie für sich entscheiden können."

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