Filmwirtschaft:Die Kinos bereiten sich auf Tag X vor

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Botschaften statt Programm bieten Kinos wie Rio Filmpalast. (Foto: Florian Peljak)

Die Branche hofft, bald wieder Filme zeigen zu können. Und befürchtet, dass trotz Hilfs- und Solidaritätsaktionen das Licht in etlichen Sälen nie mehr angeht.

Von Josef Grübl

Drinnen in den Kinosälen ist es dunkel, doch draußen senden die Betreiber Botschaften an ihr Publikum: "Bleiben Sie gesund", steht an der Fassade des Rio Filmpalasts, "We Miss You" an der des Neuen Maxim Kinos. Vermisst werden die Zuschauer auch im Neuen Rex, dort hält man sich an den Paulchen-Panther-Spruch: "Wir kommen wieder, keine Frage." Doch wann genau die Kinos wieder kommen, weiß niemand; seit dem 16. März sind alle Lichtspielhäuser der Republik geschlossen.

Der wirtschaftliche Schaden ist enorm, den kulturellen Verlust kann man gar nicht ermessen. Der Hauptverband Deutscher Filmtheater (HDF) geht davon aus, dass 2020 bundesweit mit einem Minus von knapp 40 Millionen Besuchern zu rechnen sei. Dabei könnte die vom HDF mit drei Monaten kalkulierte Kinopause auch noch länger dauern. Bis Mitte Juni prognostiziert man Umsatzausfälle von 186 Millionen Euro, nicht alle Kinos dürften das überleben. Es drohe eine "akute Insolvenzwelle", so der HDF.

Auch das Museum-Lichtspiele hat eine Botschaft an seine Gäste. (Foto: Florian Peljak)

Für die Kinomitarbeiter sind die Folgen ebenfalls gravierend: Knapp zwei Drittel von ihnen sind geringfügig beschäftigt und haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Dass die Branche Hilfe braucht, ist klar: So reagierten Bund, Länder und Förderer schnell und legten Hilfsprogramme auf, der Film-Fernseh-Fonds Bayern (FFF) hat bereits im März Sofort-Prämien für Kinos mit bis zu sieben Sälen sowie eine Erhöhung der Prämien für herausragende Jahresfilmprogramme angekündigt.

"Für die Rettungsmaßnahmen der verschiedenen Stellen bin ich sehr dankbar", sagt Marlies Kirchner, die in der Innenstadt das Theatiner-Kino betreibt, ein Fünfzigerjahre-Juwel mit nur einem Saal. "Wir haben glücklicherweise ein tolles Stammpublikum, das uns unterstützt, unter anderem mit zahlreichen Gutscheinbestellungen", erzählt die Grand Dame der Münchner Kinobranche.

Gutscheine sind derweil überall gefragt: Die Menschen wollen ihren Stammkinos helfen und sich auf zukünftige Filmabende freuen, auf das Gemeinschaftserlebnis, das es derzeit nicht geben darf. "Wir versuchen, die Zeit gut zu nutzen und neue Ideen zu entwickeln, für die Zeit nach Corona", sagt Kirchner. Einige hundert Meter weiter in der Sonnenstraße machen sich Bruno Börger und Holger Trapp Gedanken, wie es mit den von ihnen betriebenen City Kinos weitergehen soll.

Auch sie vermissen das Publikum, in ihren fünf Kinosälen finden mehr als 900 Zuschauer Platz. Da sind die Umsatzausfälle noch höher, auch sie brauchen Hilfe. Trotzdem agieren sie vorsichtig: "Die vom Bund gewährten KfW-Kredite sind notwendig, müssen aber bekanntermaßen zurückgezahlt werden, was in Zeiten von größten wirtschaftlichen Ungewissheiten nicht für jeden Kinobetreiber leicht sein wird", erklären sie.

Holger Trapp von den City Kinos vermisst das Publikum und verkauft vorerst Gutscheine für den Eintritt. (Foto: Florian Peljak)

Vorerst verkaufen auch sie Gutscheine, Kundenkontakt ist wichtiger denn je: Sie posten Filmtipps oder verlinken zu Solidaritätsaktionen. Davon gibt es mehrere im Netz, man findet Spendenaufrufe oder Online-Filmpremieren, deren Verleiher die Einnahmen mit den Kinos teilen. Beliebt ist auch eine Aktion, mit der man sein Lieblingskino unterstützen kann: Unter www.hilfdeinemkino.de sieht man Werbespots, die sonst im Kino laufen würden. Die Umsätze der zahlenden Werbepartner kommen den beteiligten Kinos zugute.

Das Filmmuseum zeigt Stummfilme online, während die Schwabinger Kinos von Thomas Kuchenreuther (ABC und Leopold) ihren Besuchern einen besonderen Service bieten: Sie können den auf Filmkunst spezialisierten Streamingdienst Mubi drei Monate lang kostenlos nutzen. Und die Betreiber des Arena Kinos und des Monopol Kinos haben sich einen "Solibeitrag zum Selbertragen" ausgedacht: Sie verkaufen Umhängetaschen aus Filmbannern. Die Kinos retten werden all diese schönen Aktionen aber nicht. Das können sie nur selbst, indem sie ihren Spielbetrieb wieder aufnehmen.

Als erstes dürften das schon bald die Autokinos sein, laut dem Gesundheitsministerium können für Kino-Aufführungen unter freiem Himmel "Ausnahmegenehmigungen von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde erteilt werden", soweit das aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar sei. "Wir warten sehnsüchtig darauf, wieder öffnen zu können", sagt auch der Pressesprecher des Autokinos Aschheim, Heiko Desch.

Seine Firma betreibt fünf Freiluftkinos in der ganzen Republik, in anderen Bundesländern haben diese schon wieder geöffnet. Ihr Konzept stehe, sagt Desch, es werde Online-Tickets geben und vorerst keine Speisen oder Getränke, die Zuschauer müssten das Auto also nicht verlassen. "Wir planen auch eine Kapazitätsbeschränkung auf 25 bis 30 Prozent ein", sagt Desch, damit genügend Abstand zwischen den Autos bleibe.

Auch die anderen Kinobetreiber machen sich Gedanken über die Wiedereröffnung: "Wir hoffen auf einen Termin in den nächsten vier bis sechs Wochen", sagen Börger und Trapp von den City Kinos, Kinobesuche sollen dann "genauso sicher sein wie ein Einkauf im Supermarkt". Marlies Kirchner sieht das ähnlich: "Ich hoffe, dass nach der Öffnung kleinerer Läden auch die kleinen Kinos bald wieder öffnen dürfen, gerade weil Schutzmaßnahmen hier absolut machbar wären."

Und so bereiten sich alle auf den Tag X vor, bauen Schutzscheiben an den Kassen ein, stellen Desinfektionsspender auf und auf Online-Kartenverkauf um. Den Mindestabstand zu gewährleisten, ist in Kinos nicht so einfach, da stauen sich die Menschen an der Kasse. Daher sollen nicht mehr so viele reingelassen werden. Ausverkaufte Häuser wird es also nicht mehr geben, in den Sälen sollen Sitze oder Reihen frei bleiben.

Doch ist das dann wirtschaftlich überhaupt noch sinnvoll? Diese Frage beschäftigt auch Gregory Theile, der bundesweit mehrere Multiplexe betreibt, unter anderem das Mathäser in München. Es ist das größte Kino der Stadt, mit 14 Sälen und mehr als viertausend Sitzplätzen. "Wir rechnen mit einer Maximalauslastung von etwa einem Drittel." Natürlich sei das schwierig, sagt er, zumal sie viel Personal brauchen, damit es im Kinofoyer zu keinen Schlangen kommt. Es bleibt ihm aber nichts anderes übrig, der Betrieb wird nur langsam anlaufen. "Ich befürchte, dass wir nicht mit einem großen Knall wiedereröffnen können", sagt Theile. Ein paar Wochen Vorlauf und eine Wiedereröffnungskampagne seien wichtig, da sind sich alle einig.

Es braucht auch neue Filme, wegen derer die Menschen ins Kino gehen wollen. So hoffen alle auf den Sommer, auf potenzielle Kinohits wie Christopher Nolans "Tenet", auf Disneys "Mulan" oder den Eberhofer-Krimi "Kaiserschmarrndrama". Einschränkungen werde es aber weiterhin geben, so Gregory Theile: "Das Zuschauerniveau von 2019 werden wir frühestens in anderthalb Jahren wieder erreichen."

© SZ vom 07.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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