Coronavirus:Was der Inzidenzwert bedeutet - und warum es ihn zweifach gibt

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Eine Schutzmaske mit der Aufschrift "Nix deaf ma" hängt vor einem Geschäft in der Kaufingerstraße in der Innenstadt. (Foto: dpa)

Alkoholverbot, Schul- oder Kita-Regeln: Die Sieben-Tage-Inzidenz bestimmt in der Pandemie vieles. Warum sie unterschiedlich ausgewiesen wird, lässt sich erklären.

Von Ekaterina Kel und Stefan Simon, München

Die entscheidende Zahl, von der alles abhängt, gibt es zwei Mal. Sowohl beim gerade außer Kraft gesetzten Alkoholverbot als auch beim Betrieb in Schulen und in Kindertagesstätten gilt die Sieben-Tage-Inzidenz als das Maß aller Dinge. Sie gibt an, wie viele neue Infektionen innerhalb einer Woche pro 100 000 Einwohner erfasst worden sind.

Klingt nach einer einfachen Mathematik-Aufgabe, die ein eindeutiges Ergebnis liefert. Doch tatsächlich gibt es täglich zwei Inzidenzwerte, die sich ebenfalls täglich unterscheiden: Das bayerische Landesamt für Gesundheit- und Lebensmittelsicherheit (LGL) meldete für München etwa am Mittwoch den Wert 34,45, das Berliner Robert-Koch-Institut (RKI) dagegen den Wert 29,9. Das eine ist knapp, das andere deutlich unter der Frühwarnstufe 35. Die Stadt München orientiert sich an den Meldungen des LGL.

Wie in vielen Fällen heißt auch hier der Übeltäter: Verzögerung. Doch das ist besonders jetzt und ganz besonders für München mehr als eine Randnotiz wert. Der Frühwarnwert von 35 wurde laut LGL am vergangenen Freitag überschritten, was dazu führte, dass die Stadt ihr Alkoholverbot verhängte. Das RKI jedoch führte für den selben Tag den Wert 31,0 auf - der gegen ein solches Verbot sprach. An den vier folgenden Tagen war das Bild ganz ähnlich. Erst am Dienstag lagen wieder beide Werte unter 35. Steht da das nächste Einfallstor für Klagen offen?

Hört man sich beim LGL um, bekommt man zu hören, dass man es hier ganz einfach mit einem Verzögerungseffekt zu tun hat. Schon auf der Webseite steht: "Da es sich um eine sehr dynamische Situation handelt, kann es zu Abweichungen zwischen regionalen Zahlen und der LGL-Tabelle kommen." Das LGL wiederum meldet die bayerischen Fälle ans RKI und erläutert, "auch hier kann es z. B. durch unterschiedliche Aktualisierungszeitpunkte zu abweichenden Daten kommen".

Bis die gemeldeten Fälle vom Labor zum Gesundheitsamt (teilweise immer noch per Fax), von dort zum LGL und von dort wiederum zum RKI kommen, dauert es unter Umständen mehrere Tage. Hinzu kommt: Auch die Zeitpunkte, zu denen LGL und RKI ihre Daten ablesen, sind unterschiedlich: Das LGL liest die Daten am Meldetag um acht Uhr morgens ab und veröffentlicht sie um 14 Uhr desselben Tages. Das RKI liest sie am Ende des Vortages um Mitternacht ab und meldet sie gegen 18 Uhr am Folgetag. Dazwischen mag der eine oder andere positive Fall korrigiert oder einem anderen Tag zugeordnet worden sein.

Was macht man mit diesem Datenkuddelmuddel? Die Stadt verlässt sich auf die behördlichen Daten des Landes. Und auch eine Sprecherin des RKI sagt: "Die Daten des Gesundheitsamtes sind die, die zählen." Man solle sich aber nicht zu sehr auf die Unterschiede versteifen. "Irgendwann kommen die Fälle schon zu uns."

© SZ vom 03.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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