Städtische Finanzen und Corona:Trotz Konjunkturpaket: München rechnet mit dreistelligem Millionendefizit

Christoph Frey bei Haushaltsdebatte im Münchner Stadtrat, 2019

Warnt vor einem hohen Defizit: Münchens Kämmmerer Christoph Frey, hier bei Haushaltsdebatte im vergangenen Jahr.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Zwang zum Sparen wächst. Bei einer Überschuldung wäre der Stadtrat politisch nicht mehr handlungsfähig.

Von Dominik Hutter

Von Entwarnung kann keine Rede sein. Das bisher finanziell verwöhnte München wird sich in den kommenden Jahren auf magere Zeiten und einen Sparkurs einstellen müssen. Zwar sei das Corona-Konjunkturpaket der Bundesregierung, mit dem die deutschen Kommunen vor dem finanziellen Kollaps gerettet werden sollen, "sehr positiv zu bewerten", es könne ein "spürbares Maß" der zu erwartenden Geldmisere kompensieren. Auf einen vollständigen Ausgleich aber könne München nicht hoffen, lautet das Urteil von Kämmerer Christoph Frey, der an diesem Mittwoch dem Stadtrat eine erste offizielle Einschätzung der aktuellen Lage geben will.

Ein Defizit im niedrigen dreistelligen Millionenbereich sei auf jeden Fall zu erwarten, warnt Münchens kommunaler "Finanzminister". Und weil die Konjunktur wohl noch bis 2022 lahmt, die meisten Finanzspritzen aus Berlin aber nur im Jahr 2020 fließen, bleibt die Lage ernst. Heißt: Das bereits auf den Weg gebrachte Sparprogramm für die Verwaltung ist notwendiger denn je, Investitionen der kommenden Jahre müssen auf den Prüfstand. Seit der ohnehin schon düsteren Prognose vom März habe sich die Finanzlage noch erheblich verschlechtert. Das Problem: die Kombination aus coronabedingten Mindereinnahmen, durch niedrigere Steuereinnahmen und leer stehende Theater etwa, und coronabedingten Mehrausgaben - Sozialleistungen für Heizung und Unterkunft der steigenden Zahl an Arbeitslosen und Kurzarbeitern beispielsweise.

Bislang sei das Konjunkturpaket zudem eine "bloße Absichtserklärung", die erst noch offiziell beschlossen und umgesetzt werden muss. Vieles sei "eher vage", wesentliche Details müssten erst noch geklärt werden. Darunter auch der für München wichtigste Posten: die Erstattung der Ausfälle bei der Gewerbesteuer. Die Verhandlungen, nach welchem Schlüssel die Milliarden von Bund und Ländern verteilt werden sollen, laufen erst noch. Verschiedene Varianten seien im Gespräch, so Frey, der für München mit etwa 300 bis 600 Millionen Euro rechnet. Tatsächlich belaufe sich das Minus für 2020 aber auf derzeit geschätzte 740 Millionen. Von einem vollständigen Ausgleich könne also keine Rede sein. Immerhin: Rechnet man mit ein, dass wegen der geringeren Einnahmen auch die von der Stadt zu zahlende Gewerbesteuerumlage geringer ausfällt, muss München tatsächlich nur Mindereinnahmen von 687 Millionen Euro verkraften. Bei der Umlage handelt es sich um einen bundesweiten Finanzausgleich.

Kommunen müssen gut aufpassen, dass ihre Finanzsituation nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Denn anders als der Bund und die Länder dürfen sie nur für Investitionen Kredite aufnehmen, nicht aber für die Deckung der Alltagsausgaben. Und: Droht eine Überschuldung und damit Zahlungsunfähigkeit, werden Kommunen unter die Kuratel des Landes gestellt und verlieren damit ihre Handlungsfähigkeit. Dann könnte der Stadtrat nur noch ohnehin Unumgängliches abnicken und dürfte nicht mehr politisch mitgestalten. Das will niemand der gewählten Volksvertreter. Dass München nach Jahren stetiger Tilgung wieder neue Schulden in Milliardenhöhe machen will, stand schon vor Corona fest. Auslöser sind die vielen Projekte der kommenden Jahre - angefangen vom milliardenschweren Schulbauprogramm über neue U-Bahn-Strecken bis hin zu diversen Kulturinvestitionen.

Deutlich entlastet wird die Stadtkasse nun durch den höheren Anteil des Bundes an den Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger, für den allerdings erst noch das Grundgesetz geändert werden muss. Frey geht davon aus, dass die Übernahme von 75 statt der bisherigen 50 Prozent die Stadt pro Jahr um rund 70 Millionen entlastet. Dauerhaft - diese finanzielle Wohltat ist nicht befristet. Sparen könnte München auch durch die temporär abgesenkte Mehrwertsteuer, beim Einkauf etwa. Rund zwölf Millionen Euro könnte dies in der Verwaltung ausmachen, hofft der Kämmerer. Die städtische München-Klinik rechnet mit drei bis vier Millionen. Allerdings muss man berücksichtigen, dass mit geringeren Einnahmen des Staates bei der Mehrwertsteuer auch der städtische Anteil an der Umsatzsteuer sinkt. Wie viel das ausmacht, kann Frey noch nicht beziffern.

Das umfangreiche Programm des Bundes hat nach Berechnungen Freys noch weitere Posten für München parat: 25 bis 30 Millionen Euro für die Kinderbetreuung etwa sowie zehn bis 15 Millionen für den Ausbau der Ganztagsschulen. Wie der Bund seine geplante Finanzhilfe für die Kultur gestalten will, sei noch unklar. Rechnet man die bundesweite Gesamtsumme aber auf die Einwohnerzahl Münchens herunter, könnten knapp 19 Millionen Euro herausspringen. Noch unklar sei, welche Summen bei den Paketen für den Nahverkehr, für Sportstätten, E-Auto-Ladesäulen, Elektrobusse, erneuerbare Energien, Gebäudesanierung und Glasfaser-Breitbandverkabelung herausspringen.

Dass München das Geld brauchen kann, steht für Kämmerer Frey außer Frage. Schließlich erwarteten Experten eine größere Zahl an Insolvenzen, und die Prognose für die in München wichtige Exportwirtschaft sei "verheerend". Enorme Kosten entstünden nicht zuletzt durch die Schließung und nun nur eingeschränkt mögliche Wiedereröffnung von Theatern, Museen, Konzertsälen und Freizeiteinrichtungen, durch die halb leer rollenden Busse und Bahnen der MVG und die Unkosten der München-Klinik.

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