Süddeutsche Zeitung

Gastronomie in München:Weniger Tische, weniger Leute

Restaurants und Wirtschaften in Bayern dürfen nun auch drinnen wieder öffnen. Doch die Abstandsregeln stellen vor allem kleine Betriebe vor Probleme.

Von Franz Kotteder

Gaststätten und Restaurants haben wieder offen, jedenfalls die meisten von ihnen. Aber viele sehen jetzt doch ein bisschen anders aus als früher. Für die Umgestaltung zeichnet in allen Fällen die weltweit tätige Interior-Designerin Corona verantwortlich; die Abstands- und Hygieneregeln wegen der Pandemie sind streng. Drinnen gelten ähnliche Regeln wie seit vergangener Woche bereits draußen, also die berühmte Kumpel-Doktrin, mit der Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) in den sozialen Netzwerken Furore macht: "Wenn sechs bis acht Leute, jeder mit seinem Kumpel, kommt, dann kann der sich natürlich jeweils mit seinem Kumpel, der seine Bezugsperson ist, an einen Tisch setzen, und mit ein Meter fuchzig Abstand sitzt der nächste Kumpel mit seinem Kumpel."

Die Erfahrungen mit der ersten Reanimationswoche in der Gastronomie sind unterschiedlich. Der Münchner Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands und Nockherbergwirt Christian Schottenhamel sagt: "Man hat am ersten Tag gemerkt, dass die Leute wieder rauswollen, auch am Feiertag." Man merke aber auch, dass viele es verhalten angingen und noch zögerten. Vor allem für kleinere Betriebe werde es schwierig, sich über Wasser zu halten: "Die haben jetzt schon wegen der Abstandsregelung deutlich weniger Tische, und an denen sitzen auch noch weniger Leute. Das sind dann oft bloß 30 Prozent vom normalen Umsatz."

Der Probelauf in der vergangenen Woche mit der Öffnung bis 20 Uhr im Freien lief aber einigermaßen reibungslos. Probleme gab es eher mit sehr peniblen städtischen Kontrolleuren, die oft schon Punkt 20 Uhr auf der Matte standen und monierten, dass die Gäste noch nicht aufgestanden waren, weil auch sie nicht wussten, dass um 20 Uhr Schankschluss war, aber die Gaststätten nicht geräumt sein mussten. Auch bei der Genehmigung von zusätzlichen Freischankflächen vor den Lokalen geht es keineswegs so flott und unkompliziert, wie das der Stadtrat gerne hätte. So berichten viele Wirte, in manchen Bezirksinspektionen wisse man noch nichts von den Erleichterungen und wie diese genau aussähen - oder man lege sie extrem kleinlich aus.

Immerhin: Die Diskrepanz zwischen den Öffnungszeiten - draußen bis 20 Uhr, drinnen bis 22 Uhr - wird wohl bald beendet sein. Die Zeichen mehren sich, dass man schon vom Pfingstwochenende an auch draußen bis 22 Uhr sitzen darf. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte das bereits am Freitag beim CSU-Parteitag in Aussicht gestellt.

Im Hofbräuhaus, das ja dem Freistaat Bayern gehört, muss man natürlich besonders penibel sein, was die Erfüllung der Auflagen angeht. Am Sonntag, bei eher verhaltenem Wetter, führte das dazu, dass der Biergarten im Innenhof fast schon paritätisch mit Personal und Gästen besetzt war. Aber es spielte Musik, die Obermüller Musikanten. "Das werden wir beibehalten", sagt Pressesprecher Tobias Ranzinger, "unsere Musiker werden halt hin und her wandern, mal drinnen und draußen spielen." Ansonsten sei alles wie im Biergarten auch, Mindestabstand 1,50 Meter zwischen den Tischen. Einen kleinen Gag haben sich Wirt Wolfgang Sperger und Ranzinger für die Schwemme einfallen lassen: Dort ist der Engel Aloisius wegen Corona buchstäblich an die Decke gegangen und schwebt nun über den Gästen. Einen Mundschutz trägt er auch.

Die meisten Wirte sind freilich weniger zu Scherzen aufgelegt. Besonders dort, wo eine gewisse Nähe des Publikums zum Konzept gehört. Die Irish Pubs Kennedy's am Sendlinger Tor und Kilian's am Frauenplatz haben diverse Verrenkungen hinter sich, um Stimmung unter Corona-Bedingungen zu ermöglichen: Erst sagte die Behörde, Holztrennwände seien erlaubt, dann doch wieder nicht. Oder das Buffet Kull in der Marienstraße: Das Lokal ist eigentlich eine Art Pariser Bistro, in dem man eng an eng sitzt und in dem ein gewisser Lautstärkepegel dazugehört. Wenn es nun wieder aufmacht, wird es dort recht luftig aussehen und eher ruhig zugehen.

Was sicher auch daran liegt, dass die Gäste noch zögern, insbesondere nach den Nachrichten aus Leer in Niedersachsen, wo es nach einer Lokalwiedereröffnung neue Corona-Fälle gab. Manuel Reheis vom Broeding in Neuhausen - früher 45 Plätze, jetzt 22 - spricht von einem "verhaltenen Zuspruch. Aber das liegt wohl auch daran, dass es keine Geschäftsessen gibt und keine größeren Familienfeiern". Schwierig ist die Lage auch für "das kleinste Sternelokal der Stadt", den Showroom von Dominik Käppeler in der Lilienstraße. "Wir haben jetzt nur noch sieben statt bisher elf Tische", sagt er. Da wird es in dieser Liga schwierig, kostendeckend zu arbeiten und überhaupt noch etwas zu verdienen.

Der Werneckhof mit Zwei-Sterne-Koch Tohru Nakamura macht vorerst überhaupt nicht auf - vor allem die Abstandsregeln ließen sich dort kaum einhalten, und das Erlebnis, das man sich von einem Zwei-Sterne-Restaurant erwarte, könne mit den Auflagen nicht umgesetzt werden. "Der nur eingeschränkt mögliche direkte Kontakt mit unseren Gästen, die reduzierten Öffnungszeiten, die soziale Distanzierung, die wir in dieser besonders schwierigen Zeit einhalten müssen", heißt es auf der Homepage, "all das macht deutlich, dass das Restaurant, das wir alle so sehr lieben, nicht dasselbe sein würde." Deshalb warte man lieber noch etwas ab.

Ein anderes Sternelokal muss über solche Fragen gar nicht erst nachdenken. Das Sparkling Bistro von Jürgen Wolfsgruber, der im Februar erstmals einen Stern im Michelin bekommen hatte, bleibt weiter zu. Wegen eines größeren Wasserschadens, dessen Sanierung voraussichtlich bis August dauert, ist das Restaurant in der Amalienpassage ganz unabhängig von Corona weiterhin geschlossen.

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Quelle:
SZ vom 26.05.2020/kafe
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